In Benghazi haben heute wie angekündigt erste öffentliche Erklärungen zu einer beabsichtigten Loslösung des libyschen Ostens stattgefunden. Zahlreiche Stammesführer und tausende Milizen versammelten sich hierzu in Benghazi. Ahmed al-Zubair Ahmed, ein politischer Gefangener unter Quadhafi (?) und Mitglied des NTC wurde lt. Al-Jazeera vom östlichen Kongress zum Leiter des Regierungsrates bestimmt. Der neue (Bundes-)Staat soll sich von der ägyptischen Grenze bis nach Sirte erstrecken. Der inzwischen nach Tripolis umgezogene NTC lehnt diesen Vorstoß des Ostens natürlich entschieden ab. Neuer Krieg droht.
RT berichtet, dass die östliche Partei bereits ihre eigenen Streikräfte aufgestellt hätte, das “Barqa Supreme Military Council”, welches unabhängig vom NTC agieren soll. Die Armee besteht aus Rebellen-Kämpfern des Krieges gegen Muammar Al-Quadhafi vom letzten Jahr. Die Truppen ständen bereit, für die Unabhängigkeit des Ostens zu kämpfen, bekräftigt “Barqa”-Kommandeur Col. Hamid Al-Hassi:
“Sogar wenn wir die Ölfelder mit Gewalt übernehmen müssen oder einen neuerlichen Krieg riskieren: wir werden für das Wohl von Barqa vor nichts zögern,” (Hassi zur Associated Press)
Noch immer ist unklar, wie viele Bewohner der Ostens die Idee einer Teilung wirklich unterstützen. Während etwa 5000 Personen an der Zeremonie des “Congress of the People of Cyrenaica” teilgenommen hatten, kam es am Montag in Benghazi gleichzeitig zu Protestversammlungen von mehreren tausend Leuten.
Barqa sucht nach eigenen Angaben einen friedlichen Weg, um Tripolis und den NTC zu einer Anerkennung der östlichen Autonomie zu bewegen. Dabei wird auch ein Gang vor die UN nicht ausgeschlossen.
Die Ursachen der gegenwärtigen Bewegung sind im neuen Wahlrecht zu finden, das der NTC ausgebracht hatte: für das ölreiche östliche Libyen waren im Parlament von 200 Sitzen nur 60 vorgesehen, während die westliche Region um Tripolis ganze 102 Sitze (und damit vorab die absolute Mehrheit) erhalten soll. Der “Congress of the People of Cyrenaica” hat diesen letzten diskriminierenden Entwurf entschieden abgelehnt.
Fazit: Seit Monaten gerüchteweise angekündigt, überrascht uns diese Entwicklung natürlich wenig. Es scheint, als böte sich der NATO nun ein Weg, die Probleme in Libyen auf jene innerhalb der Ölgebiete zu reduzieren, was ein entscheidender Kosten- und PR-Vorteil wäre. Den ölreiche Osten zu sichern und militärisch wie politisch zu unterwerfen ist einfach nur die halbe Arbeit. Jetzt muss der NATO-NTC nur noch die Probleme im Westen ordentlich anheizen – und alle Geschehnisse im Osten gehen dabei unter, die Reste libyschen Volksvermögens weiter still und heimlich ihren Weg in die Taschen und Tanks der Eroberer. Die NATO-Nutzniesser müssen sich im Fall der Teilung Libyens nicht mehr mit dem Problem der Misrata-, Zintan-, oder anderer West-Brigaden herumschlagen: die wären so nur noch ein Problem für die Rest-Libyer selbst und sorgen weiter für die nötige Verwirrung bei der weltweiten Berichterstattung…
Einen “Bundesstaat” nach schweizerischen oder deutschem Vorbild zu errichten, wie Beteiligte ihr Begehr definieren, ist unmöglich, da hierfür eine politische Disziplin notwendig wäre, die in Libyen sicher nicht herstellbar ist. Wenn absolut nirgends die Bereitschaft gegeben ist, sich einer Zentralmacht unterzuordnen, was soll dann eine Bundesregierung? Wie sollen so jemals landesweit gültige Entschlüsse gefasst werden?
Hier ein (leider arabischer) TV-Bericht zum Ereignis. Bei 0:12 min spricht die Moderatorin internationalen Klartext, den auch Sie verstehen werden: