Libyen: Kampf um Macht und Pfründe

Libyen: Kampf um Macht und Pfründe

Macht: wann verstehen wir, wie es läuft?

erschienen bei junge Welt

von Joachim Guilliard

Unmittelbar nach der Ermordung des libyschen Staatsoberhaupts, Oberst Muammar Al-Ghaddafi, beendete die NATO am 31. Oktober 2011 die Kampfeinsätze in dem nordafrikanischen Land.

Der »Nationale Übergangsrat«, die in enger Abstimmung mit Washington, Paris und London gebildete Führung des Aufstandes, erklärte das Land offiziell für »befreit« und ersetzte den bisherigen »Exekutivrat« durch eine formelle Interimsregierung.

Doch obwohl Übergangsrat und Interimsregierung mittlerweile von den meisten Ländern als neue Führung Libyens anerkannt werden, haben sie das kriegszerstörte Land keineswegs unter Kontrolle. Der Übergangsrat hatte auch zuvor nie die Führung über den Aufstand. Mit Ausnahme von Bengasi, wo seine Basis lag, bildeten die Aufständischen auf regionaler oder Stammes­ebene Milizen und Räte, die weitgehend eigenständig operierten. Anerkannt wurde der Übergangsrat von diesen nur in seiner Funktion als Schnittstelle zur Kriegsallianz, die die politische, finanzielle und militärische Unterstützung koordinierte. Der Sturz der alten Regierung führte daher, wie vorauszusehen, zu einem umfassenden Macht- und Führungsvakuum, das nach Ansicht vieler Experten, auch nicht so bald gefüllt werden kann.1 Der Übergangsrat steht nicht nur einem anhaltenden Widerstand Ghaddafi-treuer Kräfte gegenüber sowie dem Unwillen weiter Teile der Bevölkerung, sich den neuen Herren unterzuordnen, die ihnen NATO-Bomben und Zerstörung brachten. Es fehlt ihm auch die Autorität, die verschiedenen Kräfte innerhalb der Anti-Ghaddafi-Koalition hinter sich zu vereinen.

Die bei weitem stärkste Fraktion bilden darin die islamistischen Gruppierungen. Wie in anderen arabischen Ländern, zählt auch in Libyen der örtliche Ableger der Muslimbruderschaft zur am besten organisierten oppositionellen Kraft. Militärisch spielen zudem die Kämpfer der Libyschen Islamischen Kampfgruppen (LIFG), die in Afghanistan und im Irak viel Kampferfahrung erworben haben, eine herausragende Rolle. Ins Gewicht fällt schließlich auch eine Reihe prominenter islamischer Geistliche. An deren Spitze stehen Ali Al-Sallabi, der aktuell als einflußreichste Persönlichkeit Libyens gilt, und Scheich Al-Sadiq Al-Gharyani.

Al-Sallabi lebte bis Februar in Katar und spielte eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Rebellen mit Geld und Waffen durch das Scheichtum. Er ist eng verbunden mit Yusuf Al-Qaradawi, dem spirituellen Führer der weltweiten Muslimbruderschaft wie auch mit dem Führer der LIFG, Abdelhakim Belhadsch. Letzterer wiederum kommandiert die stärkste bewaffnete Kraft in der Hauptstadt, den »Tripolis Militärrat«. Dessen Kern, die »Tripolis-Brigaden«, wurde von Katar mit NATO-Hilfe in den Bergen südwestlich der lybischen Hauptstadt aufgebaut, trainiert und mit modernstem Gerät ausgerüstet. Sie gelten als Eliteeinheiten unter den Rebellen.

Libyen: Kampf um Macht und Pfründe

der Urinator

Aufgeteilt unter Milizen

Die Islamisten dominieren auch den Übergangsrat. Dessen Chef, Exjustizminister Mustafa Abdel Dschalil, steht ihnen nahe und hat früh angekündigt, daß künftig die Scharia wieder Grundlage der Rechtsprechung sein werde. Mit seiner Unterstützung konnte sich der frühere Afghanistan-Kämpfer Belhadsch Ende August auch zum offiziellen »Militärkommandeur« von Tripolis ernennen. Die beiden prominentesten säkularen Führungsmitglieder, die langjährigen US-Bürger Mahmud Dschibril und Ali Tarhouni, die zunächst als Premier- und Finanzminister fungierten, wurden im Herbst aus dem Rat gedrängt. Tarhouni prangerte später den Rat als »nicht repräsentative Elite« an, die sich allein auf ausländisches »Geld, Waffen und Propaganda« stütze.2 Der jetzige Chef der Übergangsregierung, Abdel Rahim el-Kib, lebte zuvor zwar ebenfalls sehr lange in den USA, stand dort aber in engem Kontakt zu religiösen Kreisen.

Diesem Klüngel aus Islamisten, alten Kadern und Exilanten stehen die meisten Milizen und Räte, die sich auf regionaler Basis, auf Stadt- oder Stammesebene gebildet haben, mißtrauisch bis feindlich gegenüber. Sie sind keineswegs bereit, nun die Waffen abzugeben oder sich der Übergangsregierung unterzuordnen. Säkulare Milizen haben als Gegenpol zu Belhadschs Militärrat den »Tripoliser Rat der Revolutionäre« gegründet. Militärisch stärker sind allerdings der »Westliche Militärrat« und die »Brigaden« aus den Aufstandszentren, Misrata und Zintan, die Belhadschs Führung ebenfalls nicht anerkennen. Hinzu kommen noch Hunderte weitere Milizen, die die Hauptstadt und das übrige Land unter sich aufgeteilt haben.

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