Libyen: Gründungsfieber vor den Wahlen

Libyen: Gründungsfieber vor den Wahlenvon John Schacher

In Libyen ist gerade die große Zeit der Parteigründungen. Da die Jamahiriya ein System ist, das den Volkswillen direkt umsetzt, ohne ihn erst einer Partei “zu treuen Händen” geben zu müssen, waren Parteien im früheren Libyen allenfalls Interessensgruppierungen ohne feste Mandate. Nun soll man jedoch Demokratie spielen. Dazu braucht es nun eine Mannschaft, die man in Gewinner und Verlierer teilen und so die wahre Macht verbergen kann.

Dies geschieht gerade in Tripolis im Vorfeld der für Juni 2012 geplanten Wahl einer demokratischen Regierung. Da wäre zum einen die Parteigründung des früheren libyschen Ölministers Ali Tahouni vom Montag, der eine den türkischen Verhältnissen ähnliche, also säkulare Gesellschaft errichten möchte. Tarhouni gilt als Washingtons Mann innerhalb des NTC. Er ist in Amerika Wirtschafts-Professor an der University of Washington. Seine Partei versteht sich als Zentrums-Partei. Eine andere Partei wurde – ebenfalls am Montag – von Abdullah Nakir, dem Anführer einer in Tripolis ansässigen Vereinigung von Rebellen-Brigaden gegründet und gefeiert. Für Dienstag war der Gründungsauftritt einer dritten, reformorientierten Partei angekündigt.

Einen vollständigen Abriss der bereits bestehenden Parteienlandschaft in Libyen zu geben, vermag ich keider nicht. Jedenfalls sind noch die Muslimbrüder, Salafisten, Al-Kaida und die “königs”-treue Idris-Partei bekannt.

Da Personen aus der Ära Quadhafi unbeachtet ihrer Beliebtheit und Verdienste von den Kandidaturen ausgeschlossen sind wie auch die Jamahiriya-Partei insgesamt, wird der Volkswille in Libyen generell von Anfang an missachtet und entspricht nicht demokratischem Standard, sondern ist ein Kind der Diktatur. Ungeachtet dieser Ausschluss-Regeln waren die Schlüsselfiguren des NTC allesamt frühere Amts- und Würdenträger der ehemaligen libyschen Regierung.

In Al-Kufra dauern die Kämpfe an. Da der Flughafen für die Rebellen wegen Beschuss nicht nutzbar ist, häufen sich dort schon tagelang die Verwundeten und Toten, die nicht ausfliegen werden können. So sind aus Belagerern nun Belagerte geworden. Nähere Information gab es bisher nicht.

Auf einem christlichen Friedhof in Tripolis haben die Rebellen wieder einmal ihre wahre Natur nicht verbergen können und einem sinnlosen Anfall von Zerstörungswut unter den üblichen “Allah akbar”-Rufen Raum gegeben:



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