LH422 nach Boston

Ich fliege. Nein, ganz korrekt ist das nicht, denn ich werde geflogen. Heute geht es wieder nach Boston und zwar mit einer Lufthansa Boeing 747-400. Leider ein altes Modell, denn in den Stühlen gibt es keine Monitore und damit kann man Filme nur auf den grünstichigen Monitoren begutachten. Gleichzeitig wird man zum Sehen von bestimmten Filmen gezwungen.

Glück habe ich mit dem Sitzplatz. Natürlich ist es wieder Gang, aber neben mir ist Platz und die Inderin am Fenster ist freundlich. So freundlich, dass ich schon ein Gespräch am Hals hatte und sie meinen Zeitungsstapel einfach mal ungefragt durchblättert hat. Aber man muss ja nicht kleinlich sein. Ich weiss immerhin schon, dass ihre Tochter in Stanford England Molekularmedizin studiert hat, jetzt in Havard ist und sie zur Abschlussfeier fährt. Auch hat die Tochter vom MIT eine Stelle als Policymaker oder so angeboten bekommen. Ihr Schwiegersohn hat in Kalifornien studiert und arbeitet bei Google. Pendelt zwischen Indien und Westküste USA hin- und her. Über sie weiss ich leider nicht viel. Sie trägt ein traditionelles Kostüm und hat den berühmten roten Punkt auf der Nasenwurzel... und sie schnarcht.

Gleich ist Fütterung und das wird langsam Zeit. Ich habe Hunger, denn wir sind 50 Minuten verspätet los und davor habe ich nur ein Brötchen mit Käse bei Starbucks mit einem Latte runtergespült. Ein goldenes Wasser war meine Nahrung bis zum Einsteigen. Letzteres war heute total chaotisch. Irgendwie ist es für die meisten Leute etwas zuviel, die Boardkarte mit dem Scancode nach unten auf eine Glasplatte zu legen und zu warten, bis die kleine Schranke aufgeht. Die meisten Leute rammeln los, drängeln zu zweit durch die Absperrung oder verstehen das Prinzip Scanner nicht.

Nach Ankündigung sollte der Flieger ausgebucht sein, aber es finden sich einige leere Plätze hier und da. Ist auch nicht schlecht, so ist doch alles etwas lockerer. Gerade räumt Frau Lufthansa den Müll ab, denn nach den Getränken ist das Essen dran. Sie roch sehr gut... nicht nach Essen!

Da das Boardentertainment ja heute eher mager ist, habe ich schon vier Zeitschriften und drei Zeitungen durchgeschmöckert. Leider rächt es sich jetzt, dass ich ein Schnell- und Selektivleser bin. Man hält sich einfach nicht lange genug am Text auf, als dass sich genug Zeit totschlagen liese. Mein Notebook sagt 40% Akku. Was doof ist. Leider habe ich vor dem Checkin noch leidenschaftlich gearbeitet und damit den Stromstand runtergeschrubbt. Wobei der Akku soll laut Anzeige noch 3h machen. Habe auch jeden Verbraucher runtergedreht und der Bildschirm ist eher dunkel. Reicht aber.

Der Verkehr in Frankfurt war heute hässlich. Der Weg zum Flughafen, obwohl nur aus einem Vorort kommend, war mit Staus gepflastert. Jede Ecke war heute zu. Ich habe in der Tanke die Taxifahrer schimpfen hören, dass es besonders schlimm heute war.

Lustig war gestern eine Busladung Japaner bei McCafé. Sie fielen quasi ein, kauften Eiscreme, Kuchen und Kaffee. Probierten alles durch und hatten auch keine Berührungsängste, denn sie standen ganz dich um mich rum und machen die ganze Zeit "Mmmmm!" während sie die Tiramisutorte verspeisten. Leider ist mein Japanisch ultra schlecht, man könnte sagen, ich spreche kein Japanisch. In diese Situationen ärgere ich mich immer, dass ich keine Sprachbegabung habe und nur Deutsch und Englisch spreche. Mein Russisch dürfte sich mittlerweile nahe an meinem Japanisch aufhalten und dabei hatte ich es 7 Jahre in der Schule.

Hunger! Aber sowas von. Warum gibt es nicht vernünftig grosse Flugzeuge mit Bordrestaurants? Liegt wohl an der Ökonomie des Fliegens. Je schwerer, desto durstiger. Wird echt Zeit für Antigraviationsgeneratoren, denn dann bekommt man auch einen Airbus A850 mit fliegendem Starbucks und Pizzeria Antonio in die Luft. 2500 Leute auf vier Etagen und alle können ihre Sitze zu Liegen umklappen. Bin ich nicht ein Visionär?

Da wir gerade von Bildmaterial sprechen. Ich freue mich auf die Möglichkeit, die neuen Tablets in den USA mal auszuprobieren. In einigen Elektronikketten gibt es schon die Nicht-Birnen zu kaufen. Bin gespannt, ob ich schwach werde. Geplant ist es ja, mindestens ein so ein Ding in Besitz zu nehmen. Fragt sich nur wann und welches.

Mist, ich habe gerade aus dem Fenster geschaut und jetzt habe ich nen blinden Fleck auf den Augen. Sauhell draussen und hier drinnen, mit dem dunklen Bildschirm zusammen, ist es eher schummerig. Es riecht nach Essen. Verdammt nochmal, wo bleibt das Zeug?!

Das beschleunigte Ableben von bin Laden hat in Frankfurt noch nicht zu zusätzlichem Sicherheitsstress geführt. Hatte mich schon auf Extrakontrollen und Totalfilzung eingestellt. Betatscht wird man ja nur wieder in Boston, wenn man ausreisen will. Dann darf ich mich wieder verstrahlen lassen oder abgriffeln... oder beides. Bin mir noch nicht sicher, was problematischer ist.

Ich habe mir schon zwei Bücher für meinen Aufenthalt ausgesucht. Der Nachfolger von "Child 44" und das neue Buch von Ken Follet. Wobei ich klein anfangen werden. Ken Follet ist sichtlich dick... also das Buch... ihn kenne ich nicht.

Rechts von mir liest man, links von mir schnarcht man. Vor mir steht man auf und tigert zur Toilette. Rechts hinter mir schläft man, wobei ich fasziniert zusehe, wie Leute aufrecht schlafen können. Meine Inderin hat sich in alle verfügbaren Decken gehüllt und schnarcht zusammengekugelt vor sich hin.

Ich habe immer noch Hunger und der Duft aus der Bordküche ändert daran nur wenig. Auch wenn das Essen nicht übertoll sein wird, wenn man Hunger hat, dann ist einem Vieles recht. Vor mir laufen jetzt Turnübungen, da alle rauswollen und das bei drei Sitzen immer etwas akrobatisch wird, speziell wenn alles verstellt ist mit Kram bzw. die Inhalte der Sitztaschen rauspurzeln. Ich lasse erstmal die Schreiberei für einige Zeit und wende mich meinem Hungergefühl zu.

So, gegessen. Hühnchen mit Reis. Einigermassen satt. Hat sogar ansatzweise geschmeckt. Nur das Stück Kuchen war zu süss und der Kaffee zu billig im Geschmack. Jetzt läuft Film und der ist richtig schlecht. Ich kann nicht mal umschalten: "Dickste Freunde". Selten so einen schlechten Film gesehen. Jetzt habe ich auf den Ton verzichtet und ertrage nur das Bild. Ganz wegschauen geht leider nicht. Zudem toben einige Kinder durch die Gegend, die zwei Reihen vor mir sitzen.

Wir fliegen noch ca. drei Stunden und ich bin total durch den Wind. Nix zu tun, nix zu lesen, nix zu sehen. Irgendwie vergeudete Zeit. Die Leute stürmen gerade die Küche und holen sich Getränke. Meine VISA-Papiere sind auch schon ausgefüllt, nur weiss ich immer noch nicht, warum man noch Papiere braucht? So viel Computerkram wie es gibt. Kann man nicht den Pass einfach nur auflegen und scannen? Wird doch eh nur in den Computer eingegeben.

So, noch ein blöder Film. Die dritte oder vierte Fortsetzung von "Meine Frau, unser Kinder und ich". Die anderen Teile hiessen glaube ich anders und waren alle tierische Klamotten.

Wir überfliegen gerade Neufundland. Eis, Wasser, Fels und eine einzige Strasse. Wir sind hoch, denn wir ziehen einen Kondensstreifen hinterher, der gleich hinter den Triebwerken entsteht und vom hinteren Seitenfenster zu sehen ist. Jetzt stellen sich Kopfschmerzen ein, aber es gibt gleich nochmal Mittag bzw. den Nachgang, denn die Crew bereitet gerade die kleinen Snacks vor. Da gibt es Getränke dazu, das wird helfen.

Ansonsten gibt es nix Berichtenswertes. Echt öde. Das Ding fliegt einfach. Sonst passiert nichts.

Da ich gerade noch einige Kinder sehe und viele davon ein bunter Mischmasch... wann sind wir evolutionstechnisch eigentlich alle komplett durchmischt? Welches Jahr mag das sein? 2200? Wird es da nur noch einen Typus Mensch geben, der von allem ein bisschen hat oder wird es sich immer in wenige grössere Gruppen klumpen, die man unterscheiden kann?

30 Minuten noch und wir sind da. Es beginnt gerade zu schaukeln, da wir nahe ans Festland kommen und da beginnen immer gern mal Turbulenzen, weil dort die Luft sich stärker bewegt.

So, im Hotel angekommen, im Starbucks angekommen (wiedererkannt worden), Auto bekommen (Chevy Malibu), Einreisetyp war schlecht drauf, Schlange war lang... Gepäck hat es auch geschafft... jetzt Gute Nacht!

P.S. Ich weiss, dass ich in den USA angekommen bin, weil Flip-Flops und Shorts allgegenwärtig sind.


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