Die öffentlich diskutierten Fälle von Lebenslauffälschungen oder Manipulationen bei der Erlangung von Abschlüssen und Titeln – Guttenberg, Koch-Mehrin, Chatzimarkaki, Djir-Sarai, Graf und anderen Politikern wurden ihre Doktorgrade bereits aberkannt, weitere Fälle werden derzeit geprüft – lassen Fragen nach den arbeitsrechtlichen Konsequenzen solcher Täuschungen aufkommen. Vor allem in Amts- und Leitungsfunktionen scheinen immer mehr unlauter erlangte oder gar nur vorgetäuschte Kompetenznachweise ans Licht zu kommen. Doch die Häufung hat nicht etwa System in der Form, dass heute mehr gefälscht und gelogen wird als früher, die Kontrolle und der Nachweis sind dank Internet nur einfacher geworden. Das können sich auch Arbeitgeber zunutze machen. So ist es empfehlenswert, die Schule, Hochschule oder Ausbildungsstätte bei Google einzugeben und eine rasche Plausibilitätsprüfung vorzunehmen. Und warum nicht einfach mal zu den obligatorischen Kopien die Originale zwecks Vergleich, etwa der Noten, verlangen?
Die Einreichung von Unterlagen ist maßgeblich
Stellen sich Ausbildungsnachweise, Arbeitszeugnisse oder Urkunden im Nachhinein als gefälscht oder manipuliert heraus, kann der bereits geschlossene Arbeitsvertrag angefochten oder gekündigt werden.
Voraussetzung für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung – hier ist § 123 BGB maßgeblich, der für alle Verträge gilt – ist, dass der Arbeitsvertrag aufgrund der vorgelegten Dokumente geschlossen wurde. Eine Mitursächlichkeit ist dabei ausreichend. Werden Unterlagen beim Bewerbungsverfahren eingereicht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie auch zur Kenntnis genommen wurden und damit Einfluss auf die Einstellung hatten. Haben die gefälschten Zeugnisse dagegen keine Rolle gespielt, etwa, wenn die Einstellung ausschließlich aufgrund von praktisch nachgewiesener Qualifikation bestand oder nach Empfehlung, besteht auch kein Anfechtungsrecht. Dieser Fall ist beispielsweise gegeben, wenn ein Leiharbeitnehmer übernommen wird. Die Frist beziehungsweise maximale Vertragsdauer, nach der das Recht auf Anfechtung verwirkt sein könnte, beträgt zehn Jahre (§ 124 BGB).
Anfechtung oder Kündigung?
Ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, besteht in der Regel zugleich die Möglichkeit der außerordentlichen und damit fristlosen Kündigung. Auch die Anfechtung beendet das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung.
In der Praxis gilt es jedoch, die unterschiedlichen Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung beziehungsweise Anfechtung zu beachten. So ist nicht nur ein eventueller Sonderkündigungsschutz aufgrund einer Schwerbehinderung, Betriebsratstätigkeit, Schwangerschaft oder bestehender Elternzeit zu berücksichtigen, sondern auch die zweiwöchige Frist des § 626 BGB Absatz 2. Diese “Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.” Das bedeutet, die Zeitspanne zur genaueren Überprüfung des Sachverhalts ist gering. Fällt sie in die Ferien- oder Urlaubszeit, könnte die Klärung schwierig werden – und ohne mindestens einen konkreten Verdacht sollte keine Kündigung ausgesprochen werden. Somit stellt sich für den Arbeitgeber die zweite Möglichkeit, die Anfechtung, als die erfolgversprechendere dar. Sie kann, ohne Kündigungsschutzvorschriften zu beachten, binnen Jahresfrist nach Kenntnis von der Fälschung erfolgen.
Sonderfall: “erplagiierter” akademischer Titel
Liegt jedoch keine Urkundenfälschung vor – die selbst die geringfügige “Verbesserung” einer Note darstellt -, sondern eine Täuschung der Universität bei der Einreichung einer Dissertation zur Erlangung eines Doktorgrades, ist der Arbeitgeber in der Regel nicht unmittelbar betroffen. Nur wenn nicht lediglich der Titel als “schmückendes Beiwerk”, sondern die inhaltliche akademische Leistung der Doktorarbeit für die Einstellung maßgeblich war, ist nach obigen Ausführungen vorzugehen. Das reine Tragen eines Grades, der zu Unrecht verliehen wurde und von der Universität aberkannt werden kann, stellt keine Täuschung des Arbeitgebers dar: Der Titel wurde ja in der Tat verliehen.