Lev Grossman - The Magicians
Lev Grossman, Autor der Trilogie „The Magicians", schrieb 17 Jahre lang Fiktion, bevor ihm klarwurde, dass er ein Fantasy-Schriftsteller ist. Er wähnte sich als Vertreter der literary fiction, erkannte jedoch, dass ihm das Fantasy-Genre ein geeignetes Zuhause bot. Nach Jahren der Arbeit als Journalist und der erfolgreichen Veröffentlichung zweier Romane eroberte er 2009 mit dem ersten Band „The Magicians" die New York Times Bestsellerliste, der darüber hinaus 2015 vom Sender SyFy als Serie verfilmt wurde. Da sich Serie und Buch laut Wikipedia allerdings in einigen Punkten unterscheiden, bin ich froh, der literarischen Vorlage den Vorzug gegeben zu haben.
Sein Leben lang wünschte sich Quentin Coldwater, der Mittelpunkt eines magischen Abenteuers zu sein. Seit seiner Kindheit träumt er sich nach Fillory, in das fiktive Land seiner Lieblingsbücher, um der grauen, erdrückenden Realität des Alltags zu entfliehen. Als die Magie ihn findet, fällt es Quentin schwer, zu begreifen, dass all seine Träume wahr werden. Plötzlich erkundet er am Brakebills College für magische Erziehung sein Talent zur Zauberei. Fünf Jahre harter Ausbildung liegen vor ihm, in denen er Freunde finden und sich verlieben wird, während er die Wunder einer Welt bestaunen darf, die sich hinter der Normalität verbirgt. Doch auf seinem Weg zum Erwachsenwerden muss er feststellen, dass Magie kein Garant für ein erfülltes Leben ist. Quentin ist nicht glücklich. Nach seinem Abschluss begibt er sich mit seinen Freunden auf die Suche nach einem Lebenssinn - und stolpert über ein unfassbares Geheimnis: Fillory ist vielleicht weniger fiktiv, als er glaubte...
Sollte euch durch die Inhaltsangabe der Gedanke gekommen sein, dass „The Magicians" Parallelen zu den „Harry Potter" - Romanen von Joanne K. Rowling aufweist, verbannt diesen bitte sofort wieder. Außer der Ausgangssituation haben die beiden Geschichten kaum etwas gemeinsam. „The Magicians" ist keinesfalls ein Kinderbuch. Ich schrecke sogar davor zurück, es als Jugendbuch einzuordnen, obwohl der Protagonist Quentin zu Beginn 17 Jahre alt ist. Die Themen und Probleme, die Lev Grossman behandelt, sind äußerst erwachsen und ich bezweifle, dass Leser_innen, denen eine gewisse mentale Reife fehlt, diese zu verstehen vermögen. Wenn der „Harry Potter" - Vergleich unbedingt herhalten muss, um dieses Buch zu beschreiben, so ist „The Magicians" maximal eine makabre, krankhafte Version des gefeierten Bestsellers, die nicht den fundamentalen Kampf von Gut und Böse fokussiert, sondern den Kampf eines Individuums mit inneren Dämonen. Quentins Erlebenswelt steht unbestritten im Mittelpunkt. Alle Eindrücke, die die Leser_innen von Brakebills, der Magie und den Nebenfiguren erhalten, sind von seinem Unvermögen geprägt, wahre Verbundenheit zu empfinden. Ich habe während der Lektüre oft das Gefühl gehabt, keinen richtigen Bezug zu den Ereignissen aufbauen zu können. Lange habe ich gerätselt, wie diese Distanz zustande kam - bis ich begriff, dass weder ich selbst, noch Lev Grossman das Problem waren. Es lag an Quentin. Quentin ist nicht in der Lage, all die Wunder, die Brakebills ihm bietet, wertzuschätzen und zu genießen. Er leidet unter seiner eigenen erschreckenden Ziellosigkeit und findet weder einen physischen, noch einen emotionalen Ruhepol. Er ist rastlos und in sich selbst verloren. Quentin lebt versteckt hinter selbsterrichteten Mauern, die ihn zwar schützen, aber auch isolieren. Er ist ein Schlafwandler und seine magische Ausbildung hilft ihm leider nicht, aufzuwachen. Meiner Ansicht nach hat das Ausbildungssystem in Brakebills einen entscheidenden Makel: den Kids wird dort unermessliche Macht verliehen, doch keine Richtung, die sie lehrt, wie sie diese einsetzen können. Sie werden zu Künstler_innen erzogen, die mit einer Geste, einem Wort, gewaltige Energien entfesseln können, aber die Suche nach einer Lebensaufgabe bleibt ihnen selbst überlassen. Brakebills bietet keine Berufsberatung oder ähnliches an. Ich finde das fahrlässig, denn dadurch erschafft das College reihenweise gelangweilte junge Erwachsene, die nicht wissen, wie sie ihre sagenhaften Fähigkeiten nutzen sollen. Aus Langeweile entstehen Dummheiten, was Quentin und seine Freunde unglücklicherweise eindrucksvoll beweisen. Die Katastrophe war vorprogrammiert, weshalb es mich nicht überraschte, dass „The Magicians" einige tragische Wendungen nimmt. So viel Macht ohne Ziel? Das konnte nicht gutgehen.
„The Magicians" ist ein psychologisch vielschichtiger Urban Fantasy - Roman, der deutlich auf Kinderbuchklassiker wie „Harry Potter" oder „Die Chroniken von Narnia" anspielt, die Geschichte des Zauberlehrlings allerdings in düstere, beängstigende Gefilde führt. Das Buch ist ein klassischer Fall des „fairytale gone wrong". Die Lektüre fühlte sich wie der Blick durch einen Zerrspiegel an: alles, was märchenhaft und unschuldig sein sollte, wird bis zur Unkenntlichkeit verdreht und korrumpiert. Ich empfand beim Lesen eine morbide, sündhafte Faszination, der ich mich nicht entziehen konnte. Die Atmosphäre der Fatalität ließ mich nicht los; ich wollte das Schiff namens Quentin kentern sehen. Ich glaube, dass Lev Grossman diese ungewöhnliche Bindung an seine Geschichte beabsichtigte. Er wollte ein Buch schreiben, das den Charakter einer ungesunden Suchtbeziehung vermittelt und kindliche Fantasien pervertiert. Ich bin gespannt, ob er diese Ausstrahlung in den beiden Folgebänden beibehalten wird und was er für Quentin plant, denn ich kann mir ein Happy End nur schwerlich vorstellen.
Ich empfehle euch„The Magicians", wenn ihr Lust habt, die Motive der Bücher euer Kindheit aus einem anderen, erwachsenen Blickwinkel zu betrachten. Vieles wird euch bekannt vorkommen, doch genauso vieles werdet ihr kaum wiedererkennen. Meiner Meinung nach entsteht aus dieser Mischung ein besonders delikates Leseerlebnis, das ihr euch nicht verwehren solltet.