Letzte Reiseziele: Friedhöfe

Letzte Reiseziele: Friedhöfe
Letzte Reiseziele: Friedhöfe

Wohin pilgert der durchschnittliche Tourist in der durchschnittlichen Metropole?
zu Kathedrale, Museum und Königsschloss 
in Wien heißt das Stephansdom, Kunsthistorisches Museum und Schöbrunn
In Paris Notre Dame und Louvre, da letzteres ja sowohl Ex-Schloß als auch Museum ist, bzw. Versailles ein bißchen ungelegen vor den Toren der Stadt liegt,
in London gehts in Westminster Abby, British Museum und zur Wachablöse vor Buckingham Palace

und auch außerhalb Europas findet sich ein Haupttempel, ein Museum und die Herberger längst davongejagter Herrscher z.B. 
in Peking der Himmelstempel und die Verbotene Stadt, die wiederum Museum und Schloss mit einer Klappe erledigt.
Viel zu selten werden Touristen an einen anderen Ort gelots, der of mehr über Geschichte und Selbstbild eines Ortes aussagt, als die vorgenannten Highlights:
Friedhöfe

Was liegt näher als sich am 1. November eines Jahres sich in der Rubrik "Reisen" kurz über diese Sehenswürdigkeit zu verbreiten?
Meine persönlichen Favoriten sind u.a.:

Recoleta
(Buenos Aires): http://de.wikipedia.org/wiki/Friedhof_La_Recoleta
wo keine Schilder den Weg zu Evita’s Grab weisen und trotzdem jeder hinfindent
Kom esch-Schufaka
(Alexandria): wo Römer und Ptolimäer einträchtig und mumifiziert tief im Felsen aufdie Auferstehung warten
Cementerio Municipal (Punta Arenas): wo das wilde Sprachengewirr auf den Grabsteinen von hier im Kindbett verstorbenen britischen Ehefrauen, chinesischen Seeleuten und deutschen Missionaren berichtet

Friedhof und Residenz der Familie Kong in Qufu:  in dessen ca.100.000 Gräbern alle Nachkommen des Großen Konfuzius ruhen
Friedhöfe mit ihren Grabinschriften zeigen, was den Menschen vor Ort wichtig war und ist. Der Aufwand mit dem sie ihrer Sterblichkeit entgegenwirken wollen und die Hackordnung wessen Familie näher im Zentrum, beim Eingang oder bei der Kapelle begraben sein darf gibt raschen Einblicke in die lokalen Sozialstrukturen, für die Historiker sonst jahrelanges Quellenstudium benötigen.
http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=46272
http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=46270 
Die heutigen Bilder stammen vom Mailänder Cimitero Monumentale, einem Fegefeuer der Eitelkeiten und der Nekrophilie, das mindestens so großes Theater darstellt, wie die Scala oder der die Auslagen der Modepäpste.
Wenn sich Herr Campari unter einer brozenen Nachbildung des Letzten Abendmahls zur letzten Ruhe betten ließ, dessen Ausmaße das Grab der Familie Toscanini um das Vielfache in den Schatten stellt, 
wenn die trauernden Gracien auf ewig auf den Marmorplatten erstarrt sind und noch verzweifelt sind, wenn keiner mehr so richtig weiß, wer denn da begraben wurde,
dann jaulen die Geigen, dann dröhnen die Orgelpfeifen und die Chöre schälen sich aus der Dunkelheit der Kathedralen ...
Wie schon die Argentinier über Recoleta meinten, es ist viel leichter in Saus und Braus zu Leben und unermesslichen Reichtum anzuhäufen, als ein Grab aus Recoleta zu ergattern ..
Also mein Tip für heute, lassen Sie ruhig mal ein Museum oder eine Schloss aus, aber besichtigen sie unsere Friedhöfe, dort warten auf den Reisenden Einblicke ins "wahre Leben" eines Ortes, die ihnen die meisten Reiseführer verschweigen ... 


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