Über das Apple Event im März 2016 sprechen Jean-Claude Frick und ich in einer Sonderausgabe des Apfelfunks. Nachfolgend noch einige weitere Gedanken.
Was kann einem Schenkenden auf der Geburtstagsparty so richtig die Laune vermiesen? Richtig, wenn die große Überraschung vorher schon von jemandem verraten wird.
Genauso dürften sich wohl die Verantwortlichen bei Apple fühlen. Die Events des IT-Giganten aus Cupertino folgen einem traditionellen Ablauf. Im Kern steht die Botschaft, dass Apple seinen Kunden und der Welt neue technische Innovationen schenkt.
Verdoppelung des Durchsickerns
Vor vier Jahren kündigte Apple-Chef Tim Cook auf der D10-Konferenz an, die Sicherheit im Konzern zu verdoppeln. Nichts sollte mehr durchsickern und den Events ihre Magie nehmen können. Im Jahre 2016 sieht es eher so aus, als wenn die Mark Gurmans dieser Welt ihre Quellen verdoppelt haben. Gurman von 9to5Mac sagte die aktuelle Produktvorstellung mit einer Genauigkeit voraus, dass fast gar nichts mehr an Überraschungen übrig blieb.
So nahm die Weltöffentlichkeit also die „erwarteten“ Geschenke entgegen, was ihren Wert freilich kaum schmälert. Das iPhone SE und das kleinere iPad Pro haben das Zeug, zu Bestsellern zu werden.
Die wirkliche Spannung geht ohnehin nicht von den Produkten aus, die bekannte Designs und Technologien in anderen Formaten zurückbringen. Richtig spannend ist, welchen strategischen Vorteil sich Apple mit den Geräten im hart umkämpften Markt verschafft.
Neues Leben für ein altes Design
Das iPhone SE ist insofern bemerkenswert, weil es ein vermeintlich auslaufendes Design reaktiviert. Wer hätte nach der Vorstellung des iPhone 6 gedacht, dass es mit dem Design des iPhone 5s noch einmal ein Wiedersehen jenseits der Resteverkäufe geben würde. Dieses Novum, dass ein altes Design zu neuem Leben erwacht, dürfte bei einigen wohl auch den Eindruck erzeugt haben, dass Apple hier von den sich verweigernden Käufern klein beigibt, weil eben doch nicht alle Welt ein größeres Smartphone haben möchte.
Wer so argumentiert, übersieht die Ingenieursleistung, die in Geräten wie dem iPhone SE stecken. Die Frage ist berechtigt, ob es technisch vor zwei Jahren überhaupt möglich gewesen wäre, in der kleineren Bauform des 5s ohne große Abstriche bei der Akkuleistung ein Gerät wie das 6 oder 6s zu integrieren. Das große Display des iPhone 6 bzw. 6 Plus war nicht nur Selbstzweck. Es eröffnete Apple auch mehr Möglichkeiten, sich hinter dem großen Bildschirm mit der zugrunde liegenden Technik auszubreiten. Diese Technik jetzt in ein kleineres Gehäuse zu verbauen, macht man folglich nicht einfach so: Das ist eine technische Errungenschaft.
Dass das so wenig Wertschätzung erfährt, liegt auch an Apple selbst. Der Konzern hat den Slogan „It just works“ geprägt. Es funktioniert einfach. Also fragt auch keiner, warum es funktioniert. Und in dieser Vorstellungswelt ist es eben auch ein Kinderspiel, die besseren Komponenten in ein kleineres Gehäuse einzubauen. In Wirklichkeit ist es das eben nicht.
Die Rückkehr zum 4-Zoll-Display ist für Apple nur ein kleines Wagnis. Der Nutzen könnte hingegen groß sein, weil andere Hersteller Topmodelle in dem Format vermissen lassen. Keiner weiß, wie viele den Weg Apples zum größeren Smartphone gar nicht mitgegangen sind und jetzt begierig auf das neue Modell warten. Das iPhone SE wird zwar niemals die tragende Säule in den iPhone-Verkäufen sein. Eine so kleine Nische wie das iPhone 5c mit seinem bunten Rücken wird es wohl auch nicht bekleiden müssen.
Ein iPad zwischen zwei Extremen
Beim kleineren iPad Pro ist die Frage nach der Nische schon eher berechtigt. Die iPad-Verkäufe haben sich in den vergangenen Jahren nicht zum Positiven entwickelt. Das 9,7-Zoll-Gerät befindet sich zwischen zwei Extremen: Dem kleineren iPad Mini und dem ganz großen iPad Pro.
Hinsichtlich der Technik drängte sich schon seit dem iPad Air die Frage auf, wo hier noch die Luft nach oben sein soll. Das iPad Air 2 brachte etwas mehr Leistung und den Touch-ID-Sensor. Mit der Umfirmierung und Erweiterung zum Pro öffnen sich der mittleren iPad-Linie die Türen zu neuen Funktionen wie dem Pencil und der andockbaren Tastatur.
Die Frage ist, wo Apple selbst das mittlere iPad am Ende eines Geschäftsjahres sieht. Der höhere Preis lässt zumindest nicht vermuten, dass das Hauptaugenmerk in Sachen iPad auf der mittleren Linie liegt. Wer in ein iPad Pro investiert, könnte bei Ausgaben von fast 1000 Euro geneigt sein, gleich ins größere Gerät zu investieren. Wer ein erschwinglicheres Gerät kaufen möchte, orientiert sich eher an das deutlich günstigere Mini oder Air 2. Das ist möglicherweise Kalkül, denn hätte Apple die beiden Pro-Geräte gleichberechtigt gesehen, hätte man sie sinnvollerweise auch zeitgleich präsentiert. Anders als beim iPhone SE liegen nicht zwei Modellgenerationen zwischen den Veröffentlichungen. Zumindest eines ist die 9,7-Zoll-Linie aber glücklicherweise nicht: verzichtbar.
Fazit: Für jeden etwas dabei
Am Ende war das Apple Event im März 2016 weniger ein Feuerwerk der Innovationen, als ein sinnvolles Vervollständigen vorhandener Produktlinien und ein Platzieren strategisch bedeutsamer Geräte. „Let us loop you in“ spielte zwar auf die letzte Keynote im alten Campus an. Aber der Aspekt eines Einkreisesn passt genauso zum Markt und zu den Bedürfnissen des Verbrauchers. Apples neue Strategie scheint es zu sein, für (fast) jeden Wunsch ein passendes Gerät parat zu haben, ohne aber billig und damit einhergehend beliebig daherzukommen. Hier schließt sich der Kreis.