Lesetipp: „Wie der Grinch Weihnachten gestohlen hat“ (Theodor Seuss Geisel)

Erstellt am 11. Dezember 2016 von Maxmustermann

Kaum eine Figur steht so symbolisch für die kritische Auseinandersetzung mit Weihnachten wie der Grinch. Während den meisten Menschen vor allem der Film zur Jahrtausendwende bekannt ist, hat der Autor Theodor Seuss Geisel bereits 1957 das übellaunige Wesen zu Papier gebracht.

Kommerz an Weihnachten

Der Grinch scheint die perfekte Figur für alle Weihnachtshasser zu sein. Als garstiges Fellmonster hockt er fernab des lauschigen Städtchens Who-ville in seiner Höhle und will mit dem Fest der Bewohner nichts zu tun haben.

Doch die bloße Entsagung genügt ihm nicht. Er will Sabotage üben und den Menschen Weihnachten gründlich verderben. Anhand dieses Plots wird deutlich, in welchem Licht Dr. Seuss die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes darstellt.

Der Wandel im Herzen

Der Comic beginnt mit einer interessanten Charakterbeschreibung, die am Ende erneut aufgegriffen wird. So wird eingangs über die Gründe spekuliert, weshalb der Grinch Weihnachten derart verachtet. Interessant ist hierbei folgender Satz:

But I think that the most likely reason of all

May have been that his heart was two sizes too small.

Das Herz des Grinchs ist zu klein, weshalb er die Bedeutung von Weihnachten nicht verstehen kann. Im Übrigen lässt der Autor jeglichen religiösen Überbau außen vor und konzentriert sich ganz auf den modernen – manche würden sagen oberflächlichen – Sinn eines klassischen Festes.

Der Grinch* (Film mit Jim Carrey)

Der Grinch ist überzeugt davon, dass der Diebstahl sämtlicher Geschenke in Who-ville genüge, um den Bewohnern jegliche Freude zu rauben. Für ihn steht der Konsum im Vordergrund. Als der Schurke jedoch feststellt, dass die Menschen unbeirrt singen und Weihnachten trotzdem feiern, vollzieht sich der Wandel:

And what happened then …?

Well … in Who-ville they say

That the Grinch’s small heart

Grew thee sizes that day!

War sein Herz zu Beginn also zwei Nummer zu klein, wuchs es jetzt sogar um drei Nummern größer.

Gegenteilige Wirkung

Vielen dürfte die Verfilmung von Ron Howard bekannter sein als der Comic. So famos Jim Carrey den Grinch auch spielte, führte der Stoff auf der Leinwand zu einem absurden Effekt: Die Figur selbst wurde zu einem Marketing-Objekt – Plüschtiere und Spiele rund um den giftgrünen Tunichtgut erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit.

Sowohl der Film als auch das Werk von Dr. Seuss sind im Amerikanischen ohnehin eine Feel-Good-Story. Das ist durchaus legitim für eine Kindergeschichte, in welcher der moralische Zeigefinger hoch erhoben wird.

Die Rolle der Cindy Lou

Im Buch ertappt die kleine Cindy Lou den Grinch dabei, wie er nachts den Weihnachtsbaum, die Geschenke und auch noch das letzte Holzscheit des Kamins stiehlt. Er belügt das Mädchen und schickt es mit einem Getränk zurück ins Bett.

Im Film hingegen verläuft die Geschichte völlig anders. Hier wird Cindy Lou nicht nur vom Grinch gerettet, sie hilft ihm sogar dabei, seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Auch versucht er, das Mädchen mehrfach einzuschüchtern, was ihm allerdings nicht gelingt.

Während Dr. Seuss den Leser im Ungewissen über die Ursachen des Hasses hält, geht der Film also in eine psychoanalytische Richtung. Ohnehin unterscheidet sich der Film deutlich vom Büchlein. Daher lohnt es sich, beide Grinch-Versionen über die Feiertage genauer zu vergleichen.

Fazit

Auch wenn es sich bei der literarischen Vorlage um ein schmales Büchlein handelt, sind sowohl die Zeichnungen als auch die Reime mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Große und kleine Leser werden mit einem Werk belohnt, das auch heute noch mit schrägen Figuren und einer herzlichen Geschichte erfreut.

SEUSS GEISEL, THEODOR: Wie der Grinch Weihnachten gestohlen hat. Piper Verlag, München 2004, 64 S., 6,75 € (englische Version, deutsche Ausgabe vorläufig vergriffen)