Smartphones, Web 2.0, Cloud-Computing, Mobile Banking: Wir leben auf der digitalen Überholspur. In seinem Buch Im Schwarm
Die verkümmernde Kommunikation
Es ist ein kleines Büchlein, das Autor Han da geschrieben hat, doch der Inhalt hat es wortwörtlich in sich. Han steht dem globalen Trend der sogenannten Vernetzung höchst skeptisch gegenüber und befürchtet die Auflösung der Privatsphäre. Soziale Netzwerke bereichern uns nicht, sie bestehlen uns. Durch sie verlieren wir unsere Privatsphäre und werden zu Menschen, die sich permanent im öffentlichen Raum bewegen, so Hans These.
Alles nur noch optimiert, bitte!
In Hans scharfer Analyse, die mit allem abrechnet, was die digitale Moderne zu bieten hat, geht es ganz zentral um die Sehnsucht nach Beständigkeit. Paradox ist das insofern, weil wir von einem extrem schnelllebigen Medium sprechen. Doch Han durchschaut das Bedürfnis dahinter:
“Wir flüchten uns in die Bilder angesichts der als unvollkommen empfundenen Realität. Es sind nicht Religionen, sondern Optimierungstechniken, mit deren Hilfe wir uns der Faktizität wie Körper, Zeit, Tod, etc. entgegenstellen.” (S.43)
Wir erschaffen uns eine perfekt polierte, digitale Welt, um der realen Welt zu entfliehen. Wenn wir durch den Social-Media-Äther irren und Instagram-polierte Selfies hochladen, tauchen wir ein in eine Scheinwelt, in der alles Unbequeme draußen vor der Tür bleibt.
Verlust der Konzentration
Han benennt die Folgen dieser technischen Entwicklung klar beim Namen: Informationsüberflutung. Wir selektieren nicht nur das, was wir anderen zeigen, nein, wir kriegen auch noch viel zu viel selbst ab. Ein regelrechter Informations-Krieg tobt und unser über Jahrmillionen entwickeltes Gehirn reagiert darauf mit Überforderung, deren Symptome der Psychologe David Lewis als Information Fatigue Syndrom bezeichnete.
Das ausufernde Angebot an jederzeit verfügbaren Informationen erschwert die Entscheidungsfindung enorm. In Zeiten des perfektionistischen Web 2.0 quälen sich die sogenannten Digital Natives immer mit der Frage: Habe ich genügend Informationen eingeholt? Ist das jetzt wirklich der richtige Weg? Anstatt konzentriert zu bleiben und der eigenen Intuition zu folgen, verlieren wir uns in einem unendlichen Strom von Angeboten und Möglichkeiten.
Fazit
Byung-Chul Han liefert mit Im Schwarm einen scharfen und berechtigten Augenöffner. Wie wenige Autoren zuvor entlarvt er Social Media als freiwillige Selbstausbeutung und die Verwandlung des menschlichen Auges zu einer omnipräsenten Überwachungskamera. Mehr Technik, mehr Web, mehr Vernetzung — all das führt Han zufolge zu mehr Isolation, mehr Oberflächlichkeit und mehr Entfremdung vom echten Sozialleben.
HAN, BYUNG-Chul: Im Schwarm. Ansichten des Digitalen. Matthes & Seitz, Berlin 2013, 107 S., 12,80 €
Autoreninfo: Byung-Chul Han ist Professor für Philosophie an der Universität der Künste Berlin. Han wurde in Seoul geboren und promovierte 1994 in Freiburg. Zu seinen Schwerpunkten zählen unter anderem die Medien-, Sozial– und Kulturphilosophie. Als Wissenschaftler, Essayist und Autor beschäftigt er sich kritisch mit den Illusionen unserer Zeit in Bezug auf Freiheit, Individualität und Neoliberalismus. In diesem Zusammenhang ist Byung-Chul Hans Gastartikel in der Süddeutschen Zeitung wärmstens zu empfehlen.