Wie ich in einem anderen Lesetipp-Artikel bereits angedeutet hatte, war Charles Bukowski ein Schriftsteller, der zeit seines Lebens einen schweren, aber auch sehr ehrlichen Weg ging. Diese Quintessenz, die sich auch in den Aufzeichnungen eines Dirty Old Man ausdrückt, macht Bukowski zu einer Ikone der Weltliteratur.
Fragmentarische Exzesse
Wer mit Charles Bukowski bisher wenig in Berührung kam, für den eignet sich dieses Buch als Einstieg perfekt. In einem kurzen Vorwort schildert der Autor in stilprägend trockener Manier, wie es zur Zusammenarbeit zwischen ihm und der rebellischen Untergrundzeitschrift Open City kam. Dann geht es auch schon los: 36 gepfefferte Kolumnen erwarten den Leser, bereit, ihn immer wieder aufs Neue mit einer anderen Facette von Bukowskis Derbheit zu schocken.
Bukowskis Stil zeichnet sich durch eine rohe, vulgäre und provokative Sprache aus. Faszinierend daran ist, dass er bewusst auf schnörkelige bzw. ausschmückende Elemente verzichtet. Dieser Schriftsteller hat keine Lust, einen Filter zwischen uns und die Realität zu schieben, damit wir es uns aus sicherer Entfernung auf unserem gemütlichen Sofa gemütlich machen. Bukowskis Bücher sollen uns treffen wie der Schlag, eine brutale Faust der Wahrheit, der nur derjenige standhalten kann, der vorbereitet ist.
Bukowski und der Humor
“Vor Jahren war ich mal mit einer aus Texas verheiratet, die eine Erbschaft von einer Million in Aussicht hatte, man musste nur warten, bis der Alte unter der Erde war.”
Dieser Satz aus Kolumne 23 ist ein typischer Bukowski. Direkt, heftig, schmerzhaft und trotzdem humorvoll. Die Komik ist Bukowskis Abrechnung mit der Realität, die so absurd ist, dass der Autor ihr nichts hinzuzufügen braucht. Das Lachen bleibt dem Leser im Halse stecken, es dringt durch alle Kanäle des Bewusstseins und wir fragen uns: Sind wir wirklich so? Sind wir so berechnend, hinterlistig, aggressiv, subjektiv, affektiert und abgewrackt? Bukowski verschleiert nichts, jede Silbe ist eine neue in Bücher gestanzte Härte und gerade das hebt ihn so vom Mainstream ab.
Amüsant auch, dass die Kolumnen erst im Register am Ende des Buches Überschriften tragen. Ansonsten sind sie einfach durchnummeriert, völlig ohne jeden chronologischen Zusammenhang. Es ist, als hätte Bukowski selbst bei der Form drauf gepfiffen (Bukowski hätte an dieser Stelle wohl ein derberes Wort verwendet) und dem Leser einen unverdauten Brei an Geschichten hingeschmissen. Dabei sind allein schon die Titel der Kolumnen einen Lacher wert:
- Irgendein stures Arschloch
- Der stinkreiche Bonze hockte in seiner Heimatsauna
- Es war heiß in der Bude
Wilder Alltag
Bukowskis charismatische Erzählungen halten direkten Kontakt zum Leben. Keine noch so schillernde Fantasy, kein konstruierter Thriller, kein spannender Krimi kann diese wilde, ungebremste Energie transportieren.
Der Mut dieses literarischen Querulanten ist einzigartig. Bukowski widersetzte sich einem angepassten Leben, verachtete jede Form von Eitelkeit und sicherte sich so ironischerweise in jenem kommerziellen System einen zeitlosen Platz, das ihn einst ablehnte. So lohnt sich auch Aufzeichnungen eines Dirty Old Man sowohl für Einsteiger als auch Kenner des Bukowski-Flairs.
BUKOWSKI, CHARLES: Aufzeichnungen eines Dirty Old Man. Roman. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2012, 288 S., 9,99 €