Leser.Fragen – Sind 60-Stundenwochen für einen Consultant der Standard?

Von Neo_freeman

Hallo Herr Schulz,
ich bin bei der Recherche zu Consulting Jobs auf Ihre Webseite gestoßen und finde den Content nützlich, gerade für Rookies wie mich. Aktuell bin ich im 6. Semester Wirtschaftsinformatik Bachelor an der Technischen Hochschule Brandenburg und werde voraussichtlich im Frühjahr 2019 mein Studium abschließen. Seit einer Zielfindungssession im letzten Jahr habe ich einen Wunschfahrplan. Dazu gehört auch ein Job im Consulting Bereich, da sehe ich mich in Zukunft.

Momentan arbeite ich als studentischer Mitarbeiter an meiner Hochschule im Institut für Innovation. Die Digitalisierungsprojekte mit KMUs gefallen mir sehr gut und ich plane in diesem Bereich in den nächsten Jahren weiterarbeiten. Jedoch möchte ich, um aus meinem gewohnten Umfeld auszubrechen, meinen Master in Wirtschaftsinformatik bzw. Management in einer anderen Stadt absolvieren und parallel in einem Consulting Unternehmen arbeiten. Dazu habe ich mehrere Fragen.

Viele Grüße,

Paul

Paul: Wo sehen Sie die größten aufkommenden Schwierigkeiten, wenn man aus einer Stadt in West Brandenburg (geringes Einkommen, niedrige Mieten, begrenzte Kaufkraft, etc.) in eine Stadt wie München Fuß fassen will?

Christopher: Vielen Dank für Deine Fragen. Steigen wir direkt ein. Weltstädte wie München, Hamburg oder Frankfurt sind tatsächlich ein ganz anderes Pflaster wie Brandenburg. In meinen 11 Jahren im Beruf bin ich mehrmals umgezogen, war sowohl in Großstädten als auch in kleinen Ortschaften auf Projekten. Grundsätzlich fiel mir auf:

  • Bevölkerungsdichte und damit Verkehrsaufkommen sind in den Metropolen bedeutend ausgeprägter als in den Kleinstädten.
  • Lebenshaltungskosten (insbesondere Wohnen und Freizeit) rangieren auf einem deutlich höheren Niveau als die Ausgaben in ländlichen Regionen.
  • Das soziale Leben ist in großen Städten sehr vielfältig. Es (fast) nichts, was es nicht gibt.
  • Das Einkommen (nicht notwendigerweise die Netto-Sparquote) liegt in Städten wie München & Co. auf einem höheren Level als in Brandenburg.
  • Große Städte sind ein Arbeitnehmermarkt, hier hast Du die Auswahl. Bist Du mit Deinem derzeitigen Job unzufrieden, dann wechselst Du zur Alternative, meist direkt im Büroturm nebenan.

Wie immer zahlt sich Vorbereitung aus. Informiere Dich im vor dem Umzug, beispielsweise über den Mietspiegel, Nahverkehr, Restaurants, Parksituation, etc.. Die meisten großen Städte bringen für Neuankömmlinge Magazine heraus, die Du Dir online oder am Hauptbahnhof- bzw. Flughäfenkiosk während Deiner Anreise besorgen kannst.

Besuche übers Wochenende einen Freund oder eine Freundin, die bereits in der Stadt wohnt. Frage auch beim potentiellen Arbeitgeber nach, was er an der Stadt schätzt und ob er Vorschläge bzgl. einer Mietwohnung hat. Vernetze Dich in sozialen Netzwerken und Webforen mit der lokalen Community. Wohnst Du dann in der Stadt, verfügst Du bereits über einen kleinen aber feinen Kontaktepool.

Wie stehen Sie zu meiner These, dass sich ein Berater in einer ‚relativ‘ kurzen Zeit (ca. 5 Jahre) enorm viel wirtschaftliches Fachwissen aneignen kann, wie sonst in keinem anderen Job?

In welchem Bereich Du Dich vertiefst, hängt von Deiner Beratung und ihren Kunden ab. So gibt es Beratungen die eher methodisch unterwegs sind, andere wiederum fokussieren auf Fach- und Branchen-Knowhow. Durch wechselnden Projekte und damit Kunden und Aufgaben erhältst Du einen breiten Einblick in die Welt der Wirtschaft. Finden Deine Engagements dann noch auf internationalem Parkett statt, lernst Du en passant ebenfalls verschiedene Länder und Kulturen kennen. Hänge einfach das Wochenende dran, und bleibe über Samstag und Sonntag am Projektstandort.

Gerade am Anfang der Karriere – wenn alles noch neu ist und wenige zusätzliche Verpflichtungen wie beispielsweise Familie bestehen – empfehle ich so viele unterschiedliche Projekte wie möglich zu absolvieren. Zum ‚Ausbrechen‘ aus Brandenburg – wie Du es momentan planst – kann ich Dich nur bekräftigen.


Note: There is a poll embedded within this post, please visit the site to participate in this post's poll.

Sind 40 bis 60 Stunden pro Woche für einen Werkstudenten oder Junior Consultant ebenfalls der Standard?

Ach ja, das Thema Arbeitszeit. Deine Work-Life-Balance bei einer Unternehmensberatung ist von mehreren Faktoren abhängig. Wichtig sind vor allem:

  • Arbeitgeber – große Strategieberatungen fordern in der Regel mehr zeitlichen Einsatz, als mittelständische Consultancies (siehe Entmystifiziert – die 7 Wettbewerbsvorteile von Top-Beratungen). Erfrage im Bewerbungsgespräch die Unternehmenskultur und das Geschäftsmodell und Du bekommst ein Gefühl für die Länge Deines Arbeitstages.
  • Kundenprojekt – Bei einigen Kundenengagements gehst Du ab 17:30 Uhr in den Feierabend, andere Klienten erwarten, dass Du für Sie über Nacht ein neues Konzept bzw. Kalkulation ausarbeitest. Frage aktiv die Erwartungen des Kunden ab und vermeide Blindleistungen.
  • Selbstmanagement – Letztlich bist Du für Dich verantwortlich. Nicht nur bei der Wahl von Arbeitgeber und Projekten, sondern auch der Ausgestaltung Deines Arbeitstages. Gehe ergebnis- nicht tätigkeitsbezogen zu Werke.

Rechne mit 40 bis 50 Arbeitsstunden pro Woche für einen festangestellten Vollzeit-Berater. Als Werkstudent und Praktikant kannst Du natürlich weniger Volumen vereinbaren. Übrigens gebe ich Dir im Beitrag Arbeitszeit reboot – wie Berater von der 60h Woche wegkommen sowie in meinem kürzlich erschienenen Beraterkochbuch nützliche Tipps, wie Du selbstbestimmt und produktiv Deinen Berateralltag gestaltest.

Sehen Sie die Consulting-Laufbahn als eine gute Vorbereitung für eine unternehmerische Tätigkeit?

Definitiv. Bereits nach 2-3 Jahren als Consultant hast Du umfassende Wirtschafts-, Methoden- und Sozial-Kenntnisse aufgebaut. Genau die richtigen Zutaten, um als Unternehmer zu starten. Dabei muss es nicht unbedingt das Digital-Startup sein. Consultants gründen nach mehreren Jahren der Anstellung auch gerne ihre eigene Beratung bzw. verdingen sich als Freiberufler oder Gewerbetreibender (siehe Webtipp). Die hier bereits vorgestellten Consulting Plattformen helfen Dir insbesondere in der Startphase.

Planst Du zukünftig unternehmerisch auf eigenen Beinen zu stehen, empfehle ich Dir bei einer kleinen bzw. mittleren Consultancy anzuheuern. Hier bist Du nicht nur ein ‚Rädchen im großen Beratungsgetriebe‘, sondern begleitest die komplette Wertschöpfung einer Consulting Firma. Personalabteilung, Buchhaltung, Marketing, Partnermanagement, Training,… – in KMU-Beratungen verschaffst Du Dir einen bereiten Überblick über die verschiedenen Consulting Tätigkeitsfelder.

In welchem Verhältnis steht Ihre Arbeitszeit im Büro mit der von Zuhause?

Auch das hängt wieder von Deiner Beratung, den Kundenprojekten und Dir selbst ab (siehe Der Arbeitsort eines Beraters – vielseitig wie der Job selbst). Aktuell habe ich an vier Orten mein ‚Büro‘ (inklusive zeitliche Verteilung der Arbeitswoche):

  • beim Kunde an rund 3 Tagen die Woche (50 Prozent)
  • bei meinem Arbeitgeber am Office Friday (20 Prozent),
  • zu Hause (20 Prozent) sowie
  • auf Reisen zum und vom Kunden (10 Prozent).

Im Büro und bei Kunden sind es meist die Meetings, zu Hause und auf Reisen die fokussierten Einzelaufgaben, die ich vorantreibe. Gerade der Wechsel der Arbeitsorte macht mir persönlich Spaß. Unterschiedliche Umfelder inspirieren und halten den Geist in Schwung. Anders als eine festangestellte Fachkraft, wie mein Schreibtisch aussehen wird, an dem ich in 3 Wochen sitzen werden. Hoch spannend, wie ich finde.

Ich hoffe Du konntest aus meinen Fragen einige nützliche Erkenntnisse herausziehen. Viel Erfolg für Dein Masterstudium sowie Deine Consulting Laufbahn in einer Großstadt.

Beste Grüße nach Brandenburg,

Christopher

> Du hast eine Frage zum Consulting?
Gerne beantworte ich Deine Anfrage in Form eines ausführlichen Blog-Beitrags.
Dann haben nicht nur Du, sondern auch die Consulting-Life.de Community etwas von meiner Antwort.