UNSERE KRANKHEITEN UND UNSERE HEILMITTEL—Arzt: „Krank nicht so als durch schwere Phantasien in ihrer Ruh´ gestört.“Macbeth: „Heil’ sie davon! Kannst du nicht Arzt sein für ein krank Gemüt?“— (5. Akt, 5. Szene)—„Durch schwere Phantasien in ihrer Ruhe gestört!“Das ist die am weitesten verbreitete Krankheit, an der die Menschen leiden.„Heil’ sie davon!“— Wer kann sie heilen? — — Wer liefert Balsam für ein krankes Gemüt? —Als Kind habe ich ein Märchen gelesen, in welchem ein Jüngling die Aufgabe erhält, die hundert Äste eines Baumes abzuschlagen; aber es ruht ein böser Zauber über dem Baum. Der Zauber besteht darin, dass nach jedem Beilhieb, den man gegen einen Ast führt, nicht etwa der Ast zu Boden fällt, sondern zwei neue Äste aus ihm herauswachsen.Nachdem der Knabe arglos an’s Werk gegangen und nach drei verschiedenen Ästen drei Hiebe getan, jedesmal mit dem gleichen Erfolg, verlor er den Mut und schlug nicht weiter darauf los. Während er nun mit verschränkten Armen abwechselnd den Baum und das seinen Händen entsunkene Beil betrachtet, kommt eine gute Fee herzu; die bleibt vor ihm stehen und fragt ihn: „Worüber bist du so nachdenklich?“ — „Ach,“ sagt der Knabe, „ich soll von diesem Baum die Äste herunterschlagen; aber so oft ich mit diesem Beil nach einem Ast haue, wachsen daraus zwei neue Äste hervor. Jetzt weiß ich nicht, liegt es an dem Baum oder habe ich ein so schlechtes Beil?“ — „Es liegt nicht an deinem Beil,“ sagte die Fee, „es liegt an dir; du arbeitest nach falscher Methode. Dieser Baum will nicht mit der Schärfe des Beils, sondern mit dem stumpfen Rücken bearbeitet sein; auch darfst du dich nicht um seine Zweige bekümmern, in denen ein verkehrtes Leben lebt, sondern musst die Wurzel erschüttern, dann fallen die Zweige ganz von selbst. Versuche es einmal auf die neue Art.“Da jetzt der Knabe mit dem Beilrücken gegen die Basis des Stammes schlug, kam sofort die Krone mit sieben Ästen herunter; beim zweiten Schlag flogen siebzig Äste nach allen Richtungen in weitem Bogen davon und als der Knabe zum dritten Mal schlug, brach nicht bloß der Rest der Zweige vom Stamme los, sondern der Stamm selbst brach in siebzig mal siebzig morsche Splitter auseinander.Dieses Märchens habe ich mich erinnert, so oft ich wahrnehmen musste, was da herauskommt, wenn sich aus einem fundamentalen Irrtum zwei neue falsche Lehren entwickeln und jeder falsche Hieb zwei neue Irrtümer hervorbringt.In der Tat ist es zwecklos, dem einzelnen Träger eines Irrtums zu Leibe zu gehen; es stehen dann sofort, wie aus dem Boden gezaubert, zwei Bundesgenossen an seiner Seite. Denn das Wesen des Irrtums liegt darin, sich im Fall des Angriffs zu verdreifachen, während die Wahrheit einfach und ungeteilt ist, wie das Sonnenlicht, dessen Strahlen geradlinig überall hingelangen, wo man ihm nicht durch verzwickte labyrinthische Höhlen den Zugang abschneidet.Leider gibt es genug Leute, die geflissentlich labyrinthische Windungen konstruieren und alles, was einfach und übersichtlich ist, verabscheuen, weil es dabei nichts geradezulegen und nichts zu verwirren, aber auch nichts zu profitieren gibt.Andere, die in solchen Labyrinthen groß geworden sind, vermissen es in keiner Weise, dass darin die Beleuchtung mangelt; sie sind daran gewöhnt und fühlen sich sehr übel berührt, wenn jemand mit hellem Licht in ihre Finsternis hineinleuchtet; sie sind ohne alle bösartige Gedanken Feinde der Veränderung. Das Ding hält sie einmal mit seinem Zauber umstrickt und sie sind damit so fest verwachsen, dass sie aus allen Arterien bluten würden, wenn man sie davon losreißen wollte. Es wäre ebensogut zu verlangen, dass sie ihr Leben preisgeben sollen, denn es fehlt ihnen die Fähigkeit, selbstständig im allgemeinen Erdreich zu wurzeln; sie sind nichts weiter als ein Splitter, der aus dem Stamm seine Existenz herleitet und mit dem Stamme steht und fällt. Der Gedanke, dass es etwas Unwürdiges sei, nur in geschlossener Herde existieren zu können und für sich allein zu nichts verwendbar zu sein, fällt ihnen auch nicht mal im Traume bei.Man könnte ja wohl gewisse Kathedermenschen ruhig gewähren lassen, wenn sie nicht ein schweres Hindernis für den Fortschritt der übrigen Menschheit bildeten und wenn sie sich nicht anmaßten, der übrigen Menschheit Gesetze geben zu wollen, sie, die von schweren Phantasien heimgesucht, den natürlichen Verstand unter ihre Botmäßigkeit zu zwingen sich bestreben. Kaum ein Tag vergeht ohne solche Kundgebung der Pilz- und Bazillen-Priester, deren Unkenntnis auf physikalischem und chemischem Gebiet mit ihrer Anmaßung gleichen Schritt hält.
Leseprobe “Das Leben” ab S. 397
Autor des Artikels : julius hensel
Dr. med. Julius Hensel & Steinmehl - Blog: www.julius-hensel.com Neben aktuellen Themen fortlaufende Informationen rund um die bahnbrechenden und bis heute grossteils verschwiegenen Erkenntnisse von Dr. med. Julius Hensel (1844-1903), dessen Bücher im Dritten Reich auf Betreiben der chemis...