Ferdinand von Schirach: “Der Fall Collini”, HC, Piper, 208 S., 16.99€
Was treibt einen Menschen, der sich ein Leben lang nichts hat zuschulden kommen lassen, zu einem Mord?34 Jahre hat der Italiener Fabrizio Collini als Werkzeugmacher bei Mercedes-Benz gearbeitet. Unauffällig und unbescholten. Und dann ermordet er in einem Berliner Luxushotel einen alten Mann. Grundlos, wie es scheint. Der junge Anwalt Caspar Leinen bekommt die Pflichtverteidigung in diesem Fall zugewiesen. Was für ihn zunächst wie eine vielversprechende Karrierechance aussieht, wird zu einem Albtraum, als er erfährt, wer das Mordopfer ist: Der Tote, ein angesehener deutscher Industrieller, ist der Großvater seines besten Freundes; in Leinens Erinnerung ein freundlicher, warmherziger Mensch. Wieder und wieder versucht er die Tat zu verstehen. Vergeblich, denn Collini gesteht zwar den Mord, aber zu seinem Motiv schweigt er. Und so muss Leinen einen Mann verteidigen, der nicht verteidigt werden will. Ein zunächst aussichtsloses Unterfangen, aber schließlich stößt er auf eine Spur, die weit hinausgeht über den Fall Collini und Leinen mitten hineinführt in ein erschreckendes Kapitel deutscher Justizgeschichte … (Verlag)Leseeindruck:Auf den ersten paar Seiten wird klar: Er ist es gewesen.Der Roman, den ich aus mehreren Gründen nicht Krimi nennen möchte, hat mich vor allem aufgrund der ersten Passage eingenommen. Die Beschreibung des ruhigen Tathergangs und wie Collini anschließend im Foyer des Hotels sitzt und auf die Polizei wartet, das ist einfach einmal etwas Anderes. Ich wusste schon bevor ich das Buch zur Hand genommen habe, dass Ferdinand von Schirach kein 'gewöhnlicher' Krimiautor ist, sondern seine Beschreibungen auf wahren Fällen fußen. Umso interessanter die Geschichte eines Mannes, der sofort als schuldig erkannt wird, sich stellt und keinerlei Anstalten macht, sich aus der Affäre zu ziehen.Die einzige Frage, der das Buch nachgeht ist die, nach dem Motiv.Mir hat die Art, wie Ferdinand von Schirach den Fall aufbaut, sehr gut gefallen. Auch der Anwalt ist mir sympathisch, auch wenn für mich die Liebesgeschichte einmal mehr hätte weg gelassen werden können. Auch die leicht trockene Art der Darstellung gefällt mir sehr und ich konnte mir vor allem den Raum, in dem die Anwälte mit schlechtem Automatenkaffee zusammen sitzen, wie in einem Lehrerzimmer, konnte ich mir bildlich vorstellen.Was mich etwas enttäuscht hat, war leider die Lösung des Ganzen. Vorsicht Spoiler!Eigentlich hätte ich mir schon bei der zeitlichen Einordnung, beim Alter des Toten denken müssen: "Oh, die Nachtigall kommt um die Ecke." Nun ja, ich war so naiv zu glauben, dass es etwas Anderes sein könnte, als das Übliche. Welchen Grund könnte es dafür geben, dass ein angeblich unbescholtener deutscher Bürger, der zum Zeitpunkt seines Todes schon älteren Semesters ist, ermordet wird? ... Natürlich: Kriegsverbrecher im 2. Weltkrieg. Die Lösung war auf jeden Fall nachvollziehbar. Genauso, wie die Tat dadurch nachvollziehbar wird. Trotzdem hätte mir etwas Anderes als Motiv besser 'gefallen'. Mein Fazit: Toll geschrieben, auf jeden Fall stichhaltig und ohne Zweifel regt es zum Nachdenken an. Andererseits für mich persönlich: Wer gerne darüber liest, in Ordnung. Hätte ich die Auflösung früher gewusst, hätte ich nicht angefangen.
Was treibt einen Menschen, der sich ein Leben lang nichts hat zuschulden kommen lassen, zu einem Mord?34 Jahre hat der Italiener Fabrizio Collini als Werkzeugmacher bei Mercedes-Benz gearbeitet. Unauffällig und unbescholten. Und dann ermordet er in einem Berliner Luxushotel einen alten Mann. Grundlos, wie es scheint. Der junge Anwalt Caspar Leinen bekommt die Pflichtverteidigung in diesem Fall zugewiesen. Was für ihn zunächst wie eine vielversprechende Karrierechance aussieht, wird zu einem Albtraum, als er erfährt, wer das Mordopfer ist: Der Tote, ein angesehener deutscher Industrieller, ist der Großvater seines besten Freundes; in Leinens Erinnerung ein freundlicher, warmherziger Mensch. Wieder und wieder versucht er die Tat zu verstehen. Vergeblich, denn Collini gesteht zwar den Mord, aber zu seinem Motiv schweigt er. Und so muss Leinen einen Mann verteidigen, der nicht verteidigt werden will. Ein zunächst aussichtsloses Unterfangen, aber schließlich stößt er auf eine Spur, die weit hinausgeht über den Fall Collini und Leinen mitten hineinführt in ein erschreckendes Kapitel deutscher Justizgeschichte … (Verlag)Leseeindruck:Auf den ersten paar Seiten wird klar: Er ist es gewesen.Der Roman, den ich aus mehreren Gründen nicht Krimi nennen möchte, hat mich vor allem aufgrund der ersten Passage eingenommen. Die Beschreibung des ruhigen Tathergangs und wie Collini anschließend im Foyer des Hotels sitzt und auf die Polizei wartet, das ist einfach einmal etwas Anderes. Ich wusste schon bevor ich das Buch zur Hand genommen habe, dass Ferdinand von Schirach kein 'gewöhnlicher' Krimiautor ist, sondern seine Beschreibungen auf wahren Fällen fußen. Umso interessanter die Geschichte eines Mannes, der sofort als schuldig erkannt wird, sich stellt und keinerlei Anstalten macht, sich aus der Affäre zu ziehen.Die einzige Frage, der das Buch nachgeht ist die, nach dem Motiv.Mir hat die Art, wie Ferdinand von Schirach den Fall aufbaut, sehr gut gefallen. Auch der Anwalt ist mir sympathisch, auch wenn für mich die Liebesgeschichte einmal mehr hätte weg gelassen werden können. Auch die leicht trockene Art der Darstellung gefällt mir sehr und ich konnte mir vor allem den Raum, in dem die Anwälte mit schlechtem Automatenkaffee zusammen sitzen, wie in einem Lehrerzimmer, konnte ich mir bildlich vorstellen.Was mich etwas enttäuscht hat, war leider die Lösung des Ganzen. Vorsicht Spoiler!Eigentlich hätte ich mir schon bei der zeitlichen Einordnung, beim Alter des Toten denken müssen: "Oh, die Nachtigall kommt um die Ecke." Nun ja, ich war so naiv zu glauben, dass es etwas Anderes sein könnte, als das Übliche. Welchen Grund könnte es dafür geben, dass ein angeblich unbescholtener deutscher Bürger, der zum Zeitpunkt seines Todes schon älteren Semesters ist, ermordet wird? ... Natürlich: Kriegsverbrecher im 2. Weltkrieg. Die Lösung war auf jeden Fall nachvollziehbar. Genauso, wie die Tat dadurch nachvollziehbar wird. Trotzdem hätte mir etwas Anderes als Motiv besser 'gefallen'. Mein Fazit: Toll geschrieben, auf jeden Fall stichhaltig und ohne Zweifel regt es zum Nachdenken an. Andererseits für mich persönlich: Wer gerne darüber liest, in Ordnung. Hätte ich die Auflösung früher gewusst, hätte ich nicht angefangen.