Harald Rosenløw Eeg: Brennweite - Spiel mit dem Feuer, gebunden, 192 S., Gerstenberg, 14.95€
Die Chance für einen vollkommen neuen Anfang. Dag bekommt nicht nur einen anhänglichen, kleinen Adoptivbruder, eine neue Kamera und eine treue Katze, sondern auch ein neues Leben.
"Das Taxi, das mich zu dem braunen Haus mitten im Wald gebracht hat, ist gerade den Kiesweg entlang wieder weggefahren. Und die Dame, die ich eben erst kennen gelernt habe, die mich aber gebeten hat, sie und ihren Mann 'Mama' und 'Papa' zu nennen, macht das Fenster auf..."
Hier fragt ihn niemand nach seiner Vergangenheit. Nach dem Brand, bei dem sein leiblicher Bruder vor Jahren umgekommen ist und von dem Dag weiß: Es war alles seine Schuld.
Jetzt und hier in seinem neuen Zuhause könnte alles so einfach für ihn sein. Er könnte zur Schule gehen, nachmittags im Wald oder am See abhängen oder sich mit Gloria treffen, die es ihm vom ersten Moment an angetan hat.
Wäre da nicht das Misstrauen gegenüber den Menschen, die ihm nichts Böses wollen. Für Dag ist es viel leichter, sich zurück zu ziehen, als sich dieser für ihn unerwarteten Chance zu öffnen.
"Sie zeigt unter den Küchentisch.'Willst du nicht unseren Kater begrüßen?', fragt sie vorsichtig.'Nein, danke', sage ich schnell und wende mich ab. Betrachte die herzförmigen Topflappen, die neben dem Herd hängen. Bis auf die verirrte Fliege im Fensterrahmen ist es ganz still. Und ich habe nichts dagegen, weder gegen die Fliege noch gegen die Stille. Ganz im Gegenteil. Ich bin potenzieller Gewinner im Spiel 'Stiller Kaiser', und wenn Schweigen Gold ist, dann bin ich auf jeden Fall gut genug für Bronze."
Für ein Schulprojekt filmt Dag mit seiner Kamera, die er von 'Mama' geschenkt bekommen hat, alles, was ihm vor die Linse kommt. Den Weg zur Schule, den er mit einem alten Klapprad zurück legt, den kleinen Bruder, die Katze und schließlich auch sich selbst. Schließlich wird Dag vom reinen Beobachter in die Rolle des Beteiligten gezogen. Er hält sich nicht mehr von allem fern, sondern öffnet sich zumindest vor der Kamera."Er ignoriert alles und will beweisen, dass er an meiner Hand schnurren kann, ganz gleich, was ich auch getan habe. Und wenn jemand so sicher in seiner Haltung mir gegenüber ist, dann beginne ich zu zweifeln und muss es einfach austesten. Auch wenn es nur ein Kater ist, mit dem ich da rede.Also erzähle ich es ihm, während das Band läuft. Ich sage ihm, was Sache ist. Ich erzähle ihm alles. Alles, wovon Mama und Papa nichts wissen. Dass es alles meine Schuld ist. Dass ich derjenige war, der es getan hat. Damit ich es auf Band habe."
Dag beginnt Vertrauen zu fassen. Vorsichtig und immer bereit, sich wieder zurück zu ziehen. Schließlich holt ihn seine Vergangenheit doch ein und Dags neues Leben gerät in Gefahr.******************************************"Brennweite" ist trotz des Themas kein schnelles Buch. Da es vom Verlag als "Thriller" eingeordnet wird, hatte ich etwas ganz Anderes erwartet, als die einfühlsame Geschichte des jungen Dag. Zuerst war ich etwas irritiert davon, dass mir keine Feuersbrunst aus den Seiten entgegen schlug oder ich einen Feuerteufel vor Augen hatte, der den Stempel "böse" auf der Stirn trägt. Im Gegenteil. Als Ich-Erzähler war Dag mir von der ersten Seite an sympathisch - trotz der aufgesetzten Abwehrhaltung und der Art, wie er jeden positiven Aspekt einfach abblockt. Harald Rosenløw Eeg ist es ohne Zweifel gelungen, seinen Hauptcharakter nachvollziehbar darzustellen. Trotz der Zwischeneinblendungen aus Dags 'früherem Leben' - die darauf hinweisen, dass er sehr wohl Schuld am Tod seines Bruders trägt - ändert sich dieses positive Bild das ganze Buch über nicht. Man versteht sowohl die Vergangenheit, wie auch Dags Verhalten in der Gegenwart, das daraus resultiert. Ich persönlich hatte ein bisschen Bedenken, wie Rosenløw Eeg dieses Buch zu einem Ende bringen kann. Dag konnte sich nicht auf einmal um 180Grad drehen und seine Schuldgefühle konnte ihm niemand so einfach nehmen. Ein absolutes Happy End war weder möglich, noch hätte es zur Geschichte gepasst. Die Lösung ist allerdings sehr gut geschrieben und auch glaubhaft, da sie relativ offen bleibt. Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, bei dem man aber vom Begriff 'Thriller' von Anfang an abrücken muss.
Die Chance für einen vollkommen neuen Anfang. Dag bekommt nicht nur einen anhänglichen, kleinen Adoptivbruder, eine neue Kamera und eine treue Katze, sondern auch ein neues Leben.
"Das Taxi, das mich zu dem braunen Haus mitten im Wald gebracht hat, ist gerade den Kiesweg entlang wieder weggefahren. Und die Dame, die ich eben erst kennen gelernt habe, die mich aber gebeten hat, sie und ihren Mann 'Mama' und 'Papa' zu nennen, macht das Fenster auf..."
Hier fragt ihn niemand nach seiner Vergangenheit. Nach dem Brand, bei dem sein leiblicher Bruder vor Jahren umgekommen ist und von dem Dag weiß: Es war alles seine Schuld.
Jetzt und hier in seinem neuen Zuhause könnte alles so einfach für ihn sein. Er könnte zur Schule gehen, nachmittags im Wald oder am See abhängen oder sich mit Gloria treffen, die es ihm vom ersten Moment an angetan hat.
Wäre da nicht das Misstrauen gegenüber den Menschen, die ihm nichts Böses wollen. Für Dag ist es viel leichter, sich zurück zu ziehen, als sich dieser für ihn unerwarteten Chance zu öffnen.
"Sie zeigt unter den Küchentisch.'Willst du nicht unseren Kater begrüßen?', fragt sie vorsichtig.'Nein, danke', sage ich schnell und wende mich ab. Betrachte die herzförmigen Topflappen, die neben dem Herd hängen. Bis auf die verirrte Fliege im Fensterrahmen ist es ganz still. Und ich habe nichts dagegen, weder gegen die Fliege noch gegen die Stille. Ganz im Gegenteil. Ich bin potenzieller Gewinner im Spiel 'Stiller Kaiser', und wenn Schweigen Gold ist, dann bin ich auf jeden Fall gut genug für Bronze."
Für ein Schulprojekt filmt Dag mit seiner Kamera, die er von 'Mama' geschenkt bekommen hat, alles, was ihm vor die Linse kommt. Den Weg zur Schule, den er mit einem alten Klapprad zurück legt, den kleinen Bruder, die Katze und schließlich auch sich selbst. Schließlich wird Dag vom reinen Beobachter in die Rolle des Beteiligten gezogen. Er hält sich nicht mehr von allem fern, sondern öffnet sich zumindest vor der Kamera."Er ignoriert alles und will beweisen, dass er an meiner Hand schnurren kann, ganz gleich, was ich auch getan habe. Und wenn jemand so sicher in seiner Haltung mir gegenüber ist, dann beginne ich zu zweifeln und muss es einfach austesten. Auch wenn es nur ein Kater ist, mit dem ich da rede.Also erzähle ich es ihm, während das Band läuft. Ich sage ihm, was Sache ist. Ich erzähle ihm alles. Alles, wovon Mama und Papa nichts wissen. Dass es alles meine Schuld ist. Dass ich derjenige war, der es getan hat. Damit ich es auf Band habe."
Dag beginnt Vertrauen zu fassen. Vorsichtig und immer bereit, sich wieder zurück zu ziehen. Schließlich holt ihn seine Vergangenheit doch ein und Dags neues Leben gerät in Gefahr.******************************************"Brennweite" ist trotz des Themas kein schnelles Buch. Da es vom Verlag als "Thriller" eingeordnet wird, hatte ich etwas ganz Anderes erwartet, als die einfühlsame Geschichte des jungen Dag. Zuerst war ich etwas irritiert davon, dass mir keine Feuersbrunst aus den Seiten entgegen schlug oder ich einen Feuerteufel vor Augen hatte, der den Stempel "böse" auf der Stirn trägt. Im Gegenteil. Als Ich-Erzähler war Dag mir von der ersten Seite an sympathisch - trotz der aufgesetzten Abwehrhaltung und der Art, wie er jeden positiven Aspekt einfach abblockt. Harald Rosenløw Eeg ist es ohne Zweifel gelungen, seinen Hauptcharakter nachvollziehbar darzustellen. Trotz der Zwischeneinblendungen aus Dags 'früherem Leben' - die darauf hinweisen, dass er sehr wohl Schuld am Tod seines Bruders trägt - ändert sich dieses positive Bild das ganze Buch über nicht. Man versteht sowohl die Vergangenheit, wie auch Dags Verhalten in der Gegenwart, das daraus resultiert. Ich persönlich hatte ein bisschen Bedenken, wie Rosenløw Eeg dieses Buch zu einem Ende bringen kann. Dag konnte sich nicht auf einmal um 180Grad drehen und seine Schuldgefühle konnte ihm niemand so einfach nehmen. Ein absolutes Happy End war weder möglich, noch hätte es zur Geschichte gepasst. Die Lösung ist allerdings sehr gut geschrieben und auch glaubhaft, da sie relativ offen bleibt. Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, bei dem man aber vom Begriff 'Thriller' von Anfang an abrücken muss.