Diese Selbstverständlichkeit ist wohl spätestens seit den PISA-Studien nicht mehr so selbstverständlich vorzufinden. Nicht nur bei den Schülern, nicht nur bei den Schulabgängern – es ist
a) ein Problem des Zeitgeistes: es muss alles kurz und knapp lesbar sein und schon die Lösung vorhalten
b) eine Frage der mündigen Selbstverpflichtung: sich über das Gelesene auch Gedanken machen zu müssen, Folgerungen ziehen.
Für diejenigen, die sich politisch betätigen oder gar einen Mandat in einer Wahl vom Bürger erworben haben, für die ist lesen eine Dauerbeschäftigung, eine Pflicht, denn allen Abstimmungen liegen Textvorlagen zugrunde.
Es ist zu befürchten, dass Abgeordnete die Textvorlagen nicht lesen, oder nur quer und dass sie sich die Inhalte von den Fraktionsvorsitzenden vorkauen lassen. Textverständnis mangelhaft. Auf Fragen bekommen sie passende Antworten. Auch dem jeweiligen Diskussionsabend und Umfragewerten passend gemacht. Kritische Fragen werden im Bundestag immer weniger gerne gesehen.
So ist es auch möglich, dass Abgeordnete bewusst Vorlagen nicht lesen, um sich der Selbstverpflichtung zu entledigen, um nicht in die Gefahr zu kommen, Fragen stellen zu müssen. Nicht nur, dass damit die Abgeordneten die PISA-Kriterien von Text-Verständnis gar nicht erfüllen können, sondern viel schlimmer: sie werden dem Wählerauftrag nicht gerecht, sie überprüfen nicht, ob ein Gesetzesvorhaben tatsächlich das Wohl der Bürger verfolgt, Fragen nicht nach, wessen Interessen das jeweilige Gesetzesvorhaben überhaupt verfolgt.
So werden Abgeordnete, die ihrem Mandat gerecht werden wollen, wieder lesen lernen müssen. So wie die Textvorlagen für Gesetze und Pakte meistens formuliert sind, werden Abgeordnete ihr Textverständnis vertiefen und sich für die jeweilige Materie eine unabhängige Meinung einholen müssen.
Es wird aber nicht reichen. Der lesefähige Bürger wird mündiger werden und sich die Mühe machen müssen, die Textvorlagen selber zu lesen und seinem Abgeordneten die entsprechenden Fragen, Anmerkungen und vor allem Meinung kundtun.
Erst dann wird es zu verhindern sein, dass wir nicht andauernd von Gesetzen hinters Licht geführt werden, die sich letztlich zu unserem Nachteil auswirken werden.
Gerade in den Existenzfragen der Bevölkerung hier und in der EU, also im Bereich der Finanzen passieren seltsame Dinge, die keiner so richtig versteht. Aber es gibt Leute, die gründlich gelesen, analysiert und diskutiert haben.
Es wird notwendig sein, dass über solche Vorhaben wie Fiskalpakt u. ä., die existentiell mit sehr viel Geld spielen, die Bürger direkt entscheiden. Ohne Bürgerentscheide wird es nicht gehen. Die Bundesbürger und die EU-Bürger insgesamt werden nicht glücklich, wenn sie sich nicht eigene fundierte Meinung bilden und diese in einer Wahl, in einem Bürgerentscheid als Stimme abgeben.
In Deutschland ist es zu der Bundestagswahl 2013 nicht mehr weit, die Parteien stellen sich schon mal nach der Wahl in NRW vor die Kameras auf und beginnen ihre Wahlkampffloskeln zu üben. Mal sehen, wie es bei dem Bürger / Wähler ankommt, was muss nach der nächsten Umfrage „netter“ formuliert werden. Waschmittelreklame. Die will keiner, wenn es um die Zukunft geht.
Aber Waschmittelreklame wird immer noch mit Vorrang getrieben. In der Bundestagswahl 2013 sollten nur solche Abgeordnete ein Mandat bekommen, die sich nachhaltig darum bemühen, sich zu informieren, entscheidende Unterlagen lesen, verstehen und Verständnis vermitteln lernen – und vor allem den Mut haben, Nein zu sagen, mit Nein abzustimmen, schon alleine dann, wenn sie das jeweilige Gesetzesvorhaben nicht zweifelsfrei verstehen. Wenn der Abgeordnete das Gesetz nicht verstanden hat, dann ist eine Enthaltung das Mindeste, was ich von ihm erwarte.
Es gibt einiges wichtiges, das ich selber noch nicht verstehe und denke, so wird es vielen gehen. Deshalb erlaube ich mir in nachfolgenden Artikeln einige Unterlagen einfach durch Publikation bekannt zu machen, über die diskutiert und Verständnis hergestellt werden muss. Es ist verwickelt, erscheint verschleiert und der Eindruck drängt sich auf: die Verschleierung hat Methode.