Leise Killer

Das Zimmer ist dunkel.
Fast scheinen die Killer mit den Möbeln zu verschmelzen.
Sie tragen Anzüge. Schwarze Anzüge. Sie tragen die Anzüge, weil sie töten.
Die Killer tragen den Tod im Gefieder.
Sie tragen schwarze Anzüge, um auf Beerdigungen erscheinen zu können.
Auch auf einer Geburtstagsfeier fallen sie damit nicht weiter auf.
Ihre Hemden sind schwarz.
Schwarz wie das Weltall. Schuppen sprenkeln die Weltallanzüge. Die Schuppen sind die Sterne dieser Galaxien.
An einer zu trockenen Kopfhaut scheinen all die Herren dieses Zimmer zu leiden.
Aber keiner von ihnen gibt sich dem Juckreiz hin.
Sie stehen ungerührt im Zimmer.
Sie sitzen auf einem Sofa.
Sie lehnen sich an einen Schrank.
Die Killer sehen sich nicht an. Sie starren vor sich hin. Sie sehen in eine künstlich erzeugte Leere hinein. Sie begutachten die schwarzen Löcher ihrer Gedanken.
Sie reisen hinter ihren Gedanken her.
Vielleicht planen sie bereits einen Todesschuss.
Vielleicht liegen sie auf einem Hochhaus, den Finger am Abzug, während unter ihnen auf der Straße sich die Autokolonne eines bekannten Politikers nähert.
Vielleicht denken sie über den bevorstehenden Tod des Politikers nach.
Man kann es nicht sagen.
Die Killer sprechen nie darüber.
Und zwischen ihren Aufträgen befinden sie sich in diesem Zimmer.
Man muss sie beständig zählen, um zu wissen, ob denn auch alle Killer im Zimmer sind.
Drei zur Linken.
Drei zur Rechten.
Zwei in der Mitte.
Und ein Killer steht am Fenster.
Das Gesicht des Killers am Fenster ist nicht zu sehen.
Er hat uns den Rücken zugekehrt. Er blickt in den dunklen Himmel hinein.
Wolkenmassive sind auszumachen.
Das Zimmer scheint sich in einer Hochhaussiedlung zu befinden.
Das Zimmer der Killer ist von Hochhäusern umstellt.
Und wo einige Hochhäuser sind, so kann man vermuten, werden sich auch noch weitere Hochhäuser befinden.
Ein Kran packt in den Blick des Killers hinein.
Der Kran trägt einen Container. Der Kran erinnert an eine Hausfrau auf dem Weg zur Bäckerei, die sich einen Korb in die Armbeuge geklemmt hat.
Vielleicht erinnert der Kran den Killer an seine Mutter. Er könnte an seine Kindheit denken.
Weint er?
Rollen Tränen aus seinen Augen?
Wir können es nicht sagen. Denn der Killer blickt unverwandt aus dem Fenster.
Sein Blick bleibt abgewandt.
Die anderen Killer müsste dies nervös machen, denn in den Augen sitzt die Todeslust als leicht glimmender Kohleklumpen.
Die Augen all der Killer in diesem Zimmer sind ausgebrannt. Kein Funken ist zu sehen.
Nicht einmal der Rauch eines erst kürzlich erloschenen Feuers ist auszumachen.
Die Killer in diesem Zimmer warten.
Die Killer in diesem Zimmer träumen.
Sie starren ins Nichts der Welt hinein.
Die Welt aber blickt nicht zurück.
Links steht ein Killer, der die Andeutung einer Gefahr für die Anwesenden birgt.
Sie haben es noch nicht entdeckt.
Wir sehen es.
Die rechte Hand dieses einen Killers ist in der rechten Anzugtasche verschwunden.
Das müsste die anderen Killer verstören.
Die anderen Killer zeigen ihre Hände her. Es gibt eine unausgesprochene Abmachung: Die Hände der Killer sollen stets sichtbar sein.
Sichtbare Hände offenbaren Mordwaffen.
Dieser eine Killer greift nach etwas.
Gefahr liegt in der Luft.
Die Ruhe dieses Augenblicks wird jeden Moment gestört werden.
Nichts wird so bleiben, wie es war.
Man kann die Schüsse und Schreie hören.
Man muss nur seine Augen schließen und in den Raum hinein horchen.
Vielleicht zieht der Killer in diesem Moment seine Waffe.
Die Waffe macht keinen Lärm.
Der Killer hat mit einem Schalldämpfer vorgesorgt.
Man hört das: PLOPP, PLOPP.
Man hört hin. Genau.
Man kann Körper fallen hören.
Jetzt Schleifgeräusche.
Sie öffnen die Augen.
Das Zimmer ist leer. Sie haben den Mord an den Killern nicht gesehen. Wohl aber gehört. Also denken Sie sich Ihren Teil.
Der seine Kollegen mordende Killer befindet sich auf der Flucht.
Sie blicken in das Zimmer hinein.
Der Tod hat das Zimmer entvölkert. Das Sofa spricht von Abwesenheit.
Auch der Kran scheint traurig zu blicken, hat er doch nun keinen Beobachter mehr, dessen Fantasie er mit seinen Formen befeuern könnte.
Zimmer und Fensterausblick sehnen sich nach neuen Bewohnern.
Man springt im Kopf von Zimmer zu Zimmer. Jenem Zimmer mit Killern. Jenem Zimmer ohne Killer.
Beide Bilder erzählen etwas über die Stille.
Beide Bilder sprechen von Einsamkeit.
Sie nicken und bedanken sich bei den Bildern. Sie treten zurück.
Sie haben die Zimmereindrücke vor Wochen gemalt.
Nun hängen die Bilder in einer stadtbekannten Galerie.
Leute strömen zur Eröffnungsausstellung in die Galerie. Sie schlürfen Wein. Greifen nach belegten Weißbrotschnitten.
Die Bilder in ihren Rücken erzählen etwas über die Besucher, die sich einem kleinen Rausch hingeben.
Sie sehen nicht zu den Bildern hin.
Die Bilder bleiben in der Nacht zurück. Die Galerie hat sich geleert.
Die gemalten Zimmer scheinen etwas in der Dunkelheit zu offenbaren.
Eine Bewegung.
Würden Sie die Anzahl der Killer in diesem Moment überprüfen, dann würden Sie feststellen: Ein Killer fehlt.
Er ist geflohen.
Seine Schuhe hasten über das Kopfsteinpflaster der Altstadt.
Sein Atem geht schnell.
Er glaubt an die Möglichkeit, der Einsamkeit des Bildes zu entkommen.
Er rennt und rennt in die Nacht hinein.
Die Nacht schluckt ihn.
Die anderen Killer bleiben zurück. Sie starren noch immer in eine nicht näher bestimmte Leere hinein.
Sie haben die Flucht ihres Kollegen nicht bemerkt.
Sie bleiben zurück.
Die Killer zur Linken scheinen in die Leere des neben ihnen hängenden Bildes zu blicken.
Sie könnten ahnen: Wir werden verschwinden.
Ihre Abwesenheit hängt nur einige Meter entfernt.
Ihre starren Augen lassen sich keine Verunsicherung anmerken.
Die Killer warten auf einen Auftrag, der sie aus dem Zimmer befreit.



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