Leipzig: Die Gentrifcation-Debatte erreicht Connewitz

Von Andrejholm

Schwarze Farbe an neugebauter Stadtvilla - auch Leipzig hat jetzt seine Gentrification-Debatte

Jede Stadt hat ihre Gentrification-Debatte – und auch Leipzig nimmt sich da nicht aus. Nicht mehr, muss es an dieser Stelle heißen, denn jahrelang schüttelten Forschungskolleg/innen, Stadtpolitiker/innen und Aktivist/innen unisono ihre Häupter, wenn das Gespräch auf die Gentrification zu sprechen kam. „Nicht bei uns“, „Wir haben eine Mietermarkt“, „Doch nicht in schrumpfenden Städten…“ hieß es von allen Seiten. Fast schien es, als könne Leipzig all die sonst so schlüssigen Thesen von der Gentrification als ‘global urban strategy’ einfach so empirisch widerlegen. Doch seit letztem Sommer fällt auch dieser Zweifel.

Nach Farbbeutelattacken gegen neue Wohnhäuser und ein Kulturzentrum in Connewitz (BILD: „Schmierereien, Zerstörung, Drohungen – und alle schauen weg!„) diskutiert die Szene im Süden der sächsischen Metropole über die Gentrification. Im Conne Island findet heute (31.01.2012) unter dem etwas verwirrenden Titel „Disneyland des Unperfekten“ eine Diskussion zu Prozessen der Stadtentwicklung und Verdrängung statt. Bereits im Dezember diskutierten Vertreter/innen verschiedener Bürgerinitiativen und der Stadtverwaltung mit Dieter Rink vom UfZ über „Gentrification in Ostdeutschland? Zu Besonderheiten der Aufwertung innenstadtnaher Wohnviertel„. Und in knapp zwei Wochen (am 14.02.) wird die Debatte von der LINKEN fortgesetzt: „Leipzig: Stadt(teil)entwicklung im Leipziger Süden. Stadt für alle – aber wie?„.

Die Hintergründe dieser aufkommenden Debatte sind jedoch weniger in schwarzen Farbflecken an frisch getünchten Wänden zu suchen, sondern in einer für Leipzig bisher unbekannten Wohnungsmarktdynamik. Tatsächlich steigen die Mietpreise vor allem bei den Neuvermietungen und die Sachsenmetropole gilt, ob ihrer steigenden Bevölkerungszahlen, als attraktives Pflaster für Investitionen in den Wohnungsmarkt.

Investoren entdecken den Leipziger Wohnungsmarkt

Das Managermagazin Capital titelte im sogenannten Immobilien-Kompass bereits im vergangenen Jahr: „Luxusprobleme – Die besten Wohnlagen in Leipzig

Preiswerte Altbauten finden sich in Leipzig nicht mehr. Sie sind längst aufwendig saniert worden. Noch gefragter sind schicke Neubauwohnungen, natürlich in Toplagen, am liebsten am Wasser. Nur: Es gibt nicht genug. Die Wirtschaft der Messestadt boomt, die Zuwanderung ist ungebrochen hoch, beides zusammen hat den Immobilienmarkt im vergangenen Jahr weiter angeheizt. Soweit die Kurzfassung.

Besonders hervorgehoben werden in der Capital übrigens  das Musikerviertel („edel und teuer“), das Zentrum („Managerkiez“), das Bachviertel („die meisten Luxusneubauprojekte“), das unvermeidliche Waldstraßenviertel („große Nachfrage nach Eigentumswohungen“) und die „begehrten Eigenheimlagen in Markleeberg“ (Capital, 06/2011, 64 ff.). Attraktive Anlagen werden vor allem im Bereich von Eigentumswohungen und im Neubausegment (Stadtvillen) gesehen. Altbauten lohnen sich mit Mietpreisen über 10 Euro/qm  vor allem in den oben beschriebenen „Top-Lagen“.

Auch für die Südvorstadt rechnet der Immobilien-Kompass mit guten Gewinnaussichten:

Hatte die Südvorstadt bisher auch Wohnlagen für kleine Budgets, bietet sie heute fast ausschließlich guten bis sehr guten Wohnwert. Das Viertel profitiert von seinem Szenecharakter (…) Selbst an ehemals verpönten Hauptstraßen wie der Karl-Liebknecht-Straße ist die Nachfrage so hoch, dass das Angebot kaum ausreicht. Die Mieten erreichen (…) 8,50 bis 9,00 Euro. Hochwertig sanierte Gründerzeitwohnungen kosten bis zu 2.600 Euro pro Quadratmeter. (Capital, 06/2011, 67)

Wo es sich lohnt, in Leipzig zu investieren, zeigt der „Capital-Urteil-Stadtteil-Vergleich„:

Connewitz auf dem Weg zur Hartz-IV-freien Zone

Connewitz findet in den Immobilien-Anlage-Tips der Capital übrigens keine gesonderte Erwähnung und wird als Quartier mit mittlerer Wohnlage (4,00 bis 4,50 Euro/qm) geführt. Auch wenn die klassische Verdrängung durch ‘die Besserverdienenden’ noch kein Thema zu sein scheint, lohnt sich die Beschäftigung mit der Leipziger Wohnungspolitik.

Denn trotz der scheinbar entspannten Lage ist Connewitz schon jetzt für Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften mit ihren viel zu knapp angesetzten Bemessungsgrenzen für die Kosten der Unterkunft zu teuer. Eine Abfrage bei ImmobilienScout24 wies nur 3 (in Worten: drei!) Wohnungen unterhalb der 190 Euro/qm für Einpersonenhaushalte aus. Alle, die für einen Unmzug auf die Zustimmung de Jobcenter angeweisen sind, landen schon jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit in Grünau. Was es mittelfristig bedeutet, wenn sich Wohnungsteilmärkte praktisch für Transferhaushalte schließen, ist leicht zusammenzufassen: die schleichende Veränderung der Sozialstruktur durch den Ausschluss der Armen. Und genau das ist die Seite der Gentrification, über die auch in Leipzig diskutiert werden sollte.