Lehrstunde

Ja, nun ist es mal wieder passiert: Mein Höhenflug dieses Jahres hat einen kräftigen Dämpfer bekommen! – Aber vielleicht ist es ja zur richtigen Zeit. Gewinnen hätte ich bei der DM Feldbogen 2014 in Hohegeiß sowieso nichts können. 2012 war ich mit 592 Ringen Elfter der Altersklasse (bekannte: 281, unbekannte: 311 Ringe). Diesmal hatte ich gehofft, unter die ersten Zehn zu kommen. Mein Ziel waren 600 Ringe.

Dieses Ziel ist aber schon mit der ersten Scheibe praktisch unerreichbar. Und danach kommt ein kleines Drama: Am Ende des ersten Tages bin ich nur auf Platz 20 von 24 in der Altersklasse mit mit blamablen 264 Ringen in der unbekannten Runde. Zwar kann ich mich am zweiten Tag mit wieder genau 264 Ringen noch auf Platz 18 hinauf arbeiten, doch auch die Leistung lässt an diesem Tag zu wünschen übrig. – Einziger Trost: Ich konnte die Rangfolge aus der LM Feld des NSSV halten und die zwei anderen Niedersachsen noch hinter mir halten. Und am Ende gelang mir sogar eine 18, und zwar genau auf der letzten Scheibe des gesamten Wettkampfs!

Was ist passiert? – Zunächst habe ich in der Woche davor meine eigentlich für das Bogenschießen gemachte Brille mit Fensterglas und einem Lesebrilleneinsatz wieder gefunden. Auf dem heimischen Platz hat dann alles ganz gut funktioniert: Das Visierkorn war zwar etwas verschwommen, aber ich konnte gut sehen und bei Tests hat es mit dem Messen über das Visierkorn auch ganz gut geklappt. So habe ich die alte Gleitsichtbrille weg gelegt bzw. dabei gehabt, aber erst einmal nicht verwendet.

Weiterhin wähle ich am Abend vor der Meisterschaft das falsche Abendessen aus: Ich bestelle ein  Thüringer Schweinsbrätel, ein in Senfsoße mariniertes Fleisch, das mit Röstzwiebeln und Bratkartoffeln serviert wird. In der Nacht und noch am Wettkampftag habe ich dann massives Magendrücken, das mir einige Stunden Nachtruhe raubt und mich am Tage auch nicht wohl fühlen lässt.

Und dann haben morgens beim Einschießen zur DM alle meine Pfeile plötzlich eine starke und beständige Trefferlage nach links. Doch wir schießen uns bei Gegenlicht auf einem nach rechts oben leicht ansteigenden Hang ein; so denke ich, dass dies hieran liegt.

An der ersten Scheibe aber beginnt das Chaos für mich: Wir beginnen auf Scheibe Nr. 38. Ich messe die 80er Scheibe über das sehr verschwommen wirkende Visierkorn auf 48 bis 50 m und stelle knapp unter 50 ein. Erster Schuss links unter der Auflage. Ok, auf 53 m korrigiert: eine linke Zwei, leicht zu tief! Visier auf 54 m nachgestellt, Visierkorn etwas nach links gedreht. Dritter Schuss: eine hohe Zwei, wieder links! – Stark frustriert fange ich an, das Visier nach links zu drehen.

DM Feld 2014 Schießtzettel

DM Feld 2014 Schießtzettel

Inzwischen ziehen sich die Wolken zu einer festen Wolkendecke zusammen und es wird beständig dunkler. Die nächste Scheibe dann Birdies auf ca. 12 m. Mit 5 – 5 – 4 ganz gut, wieder alles links. Wieder leicht nachgestellt. – Die große Katastrophe dann auf unserer sechsten Scheibe (Nr. 43): Wieder etwas bei 50 m. Ich messe 52 m über das wieder sehr verschwommene Visierkorn. Der erste Schuss sieht zentral aus, aber ich kann den Treffer nicht sehen. Auch meine Mitstreiter in der Gruppe sehen den Pfeil nicht. Dann sehe ich etwas Rotes im Gold und denke, dass es mein Pfeil ist. Zweiter Schuss, wieder kommt mir das komisch vor. Mit einem Mal sieht einer meiner Kollegen, dass beide Pfeile schön sauber nebeneinander mittig über der Auflage am Rand der Scheibe stecken: Zwei M! Nun ja, ich korrigiere und der dritte Pfeil wird eine Drei. Komplett frustriert nehme ich die Brille ab und setze wieder die Gleitsichtbrille auf.

Nach der Auswertung dieser Scheibe beginnt das Drama im Kopf: “… nur 59 Ringe nach sechs Scheiben … hochgerechnet sind das nicht einmal 250 Ringe … keinen Bock mehr … ach was, durchhalten! … so eine Scheiße … ob du das noch hin bekommst? …” – Meine Unsicherheit ist voll da, und es gibt im Wettkampf leider keine Option, sich wieder zu resetten!

An Scheibe 7 (Nr. 44) dann Drama Nr. 2: Wieder Birdies, hart an oder über 15 m. Ich stelle auf 15 m und schieße eine tiefe Zwei. Also doch etwas über 15 M! Auf 16 m nachgestellt: eine tiefe Fünf. Wieder nachgestellt und geärgert, dass die Regeln nicht sauber eingehalten werden; angesetzt und dann … schlecht gelöst, verrissen … ein weiteres M.  Nun bin ich vollends raus!

Natürlich nehme ich mir für den Rest des Wettkampf vor, wieder besser zu schießen, aber es will mir nicht mehr gelingen, meine innere Mitte wieder zu finden. Viele mittelprächtige Schüsse folgen. Ich sehe und schätze mit der Gleitsichtbrille zwar wieder besser, aber die Ungenauigkeiten beim Schießen bleiben. Insbesondere das Lösen fällt mit schwer. Ich stehe zu lange im Anker, muss zu oft absetzen, und wenn ich löse, sind zu viele rechte und linke Verrisse dabei.

Etwa zur Hälfte kommt dann ein ergiebiger Regen. Auf unserer Scheibe 14 (27) dann ein schöner weiter Bergabschuss. Doch der Regen nimmt stark zu und wir können nicht ewig warten. Also im strömenden Regen schießen. Meine Entfernungseinstellung stimmt, aber mit dem nun feuchten Tab bekomme ich keine saubere Mittellage hin: mit 2 – 3 – 3 wieder ein großer Frust zusätzlich!

Nun sind wir nass und auch der Tab und der Bogen sind sehr feucht. Der Regen lässt zwar nach, aber ein gutes Schussgefühl will sich nicht mehr einstellen.

Am zweiten Wettkampftag gehe ich in der Gruppe 4 mit den zuvor 16 bis 19 Platzierten auf die bekannte Runde. Es beginnt gleich am Ende des Einschießens zu regnen. Knapp das erste Drittel des Tages schießen wir im leichten Regen. Mit dem feuchten Bogen verschiebt sich die Trefferlage nach unten und es dauert einige Scheiben, bis ich einen Korrekturfaktor habe.

Und dann sind sie wieder da: die Seitenverrisse! Mal links, mal rechts. Einmal sogar flutscht mir beim Voranker die Sehne über die Fingerkuppen und der Pfeil saust in die rechte Scheibenverankerung. Da ist er wieder, der Frust vom Vortag. – Nun kann ich das Turnier ganz abschreiben und versuche nur noch, so gut wie möglich über die Runde zu kommen. Mal gelingen mir ein paar gute Schüsse, oft aber sind wieder ein paar ordentliche Gurken dabei!

Nur ganz zum Schluss, das (mein) Highlight: Scheibe 24 (Nr. 4), ein gerader Bergaufschuss, 40 m auf eine 60er Auflage. Ich stelle 43 m (!) ein. Erster Schuss: eine Sechs. Zweiter Schuss: genau so. Dritter Schuss: Knapp neben die beiden, an die Grenze zur Fünf. Ich jubele. Oben angekommen: eine 18! Ich kann es also doch! Mit 264 Ringe, sechs Sechsen und 20 goldenen werde ich damit sogar noch ganz knapp Scheibenerster; ringgleich zwar, doch eine Fünf vor. Ein kleiner weiterer Trost ist am Ende, wenn ich sehe, dass viele Schützen auf der bekannten Runde deutlich schlechter geschossen haben als auf der unbekannten.

So lande ich also mit 72 Ringen unter meinem selbst gesteckten (und eigentlich nicht unrealistischen) Ziel weit ab von dem, was ich mir vorgenommen hatte. Das frustriert schon sehr. Doch hieraus gilt es zu lernen. Der Frage nach der geeigneten Brille sollte ich weiter nachgehen. Die seitlichen Verrisse identifiziere ich als Löseprobleme; daran muss ich arbeiten.

Am Ende reduziert es sich wieder auf die wesentlichen Basiskompetenzen: Gut Stehen! Gut schätzen! Gut schießen! – Wenn das man immer so einfach wäre! Man schießt eben vielmehr gegen sich selbst als gegen andere.

Und manchmal muss man sich einfach selbst sagen: Dabei sein ist auch schön!


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