«Lehrer sind keine Freunde»
Katja M. hat klare Regeln: Wenn die Gymnasiallehrerin aus Niedersachsen bei Facebook eine Freundschaftsanfrage von einem ihrer Schüler bekommt, dann lehnt sie ab. «Ich habe außerhalb der Schule auch ein Privatleben und das soll so bleiben», sagt sie im Gespräch mit news.de. Ihrer Meinung nach werde sonst eine Grenze überschritten und das Berufliche zu sehr mit dem Privaten vermischt. Wie die 30-Jährige denken viele ihrer Kollegen.
Doch eine Studie des Softwareherstellers Symantec zeigt auch: 29 Prozent der Lehrer in Deutschland haben kein Problem damit, diese Bereiche zu vermischen. Sie sind in sozialen Netzwerken mit ihren Schülern befreundet.
Anja Hartung, Medienpädagogin an der Universität Leipzig, kann das verstehen. «Das Internet ist heute nicht mehr vom realen Lebensalltag abgrenzbar, sondern eng mit ihm verwoben», sagt sie zu news.de. Da sei es für Schüler und Lehrer reizvoll, mehr voneinander zu erfahren, hinter die Fassade des Menschen zu blicken, der er im Schulalltag sei. Ein Trend, der in den vergangenen Jahren verstärkt zu beobachten ist. «Eine fatale Entwicklung» nennt es Stefan Aufenanger von der Gutenberg-Universität Mainz. Denn durch eine Verbandelung im Netz könnten Lehrer ihre Schüler nicht mehr objektiv beurteilen, sagt der Medienpädagoge zu news.de: «Lehrer sind keine Freunde.»
Dem stimmt Katja M. aus Niedersachsen zu. Ihr Profil ist für Außenstehende gesperrt. Nur wer mit ihr befreundet ist, hat Zugriff auf ihre Pinnwand und weitere Informationen. «Natürlich gibt es Vorteile von Schüler-Lehrer-Freundschaften, wie die schnelle, unkomplizierte Kommunikation, die Erreichbarkeit und die Nähe zur Schülerwelt», weiß die Pädagogin. Aber sie bleibe eben auch Lehrerin und müsse die Leistungen ihrer Schüler objektiv beurteilen. Das setze eine gewisse Distanz voraus.
So klappt’s mit der Webfreundschaft
Hartung von der Uni Leipzig hält Freundschaften zwischen Lehrern und Schülern dagegen durchaus für möglich, sofern sie einige Regeln beachten. Vor allem in der Pubertät bestehe die Gefahr, dass Schüler ihre Grenzen ausloten oder sogar überschreiten und dass sie mit Daten möglicherweise nicht so verantwortungsbewusst umgehen, wie das ein Erwachsener erwartet. Virtuelle Räume seien aber nicht komplett vom Alltag isoliert, Schüler und Lehrer begegnen sich am nächsten Tag wieder in der Schule. Eine falsche Äußerung, eine Bloßstellung oder eine Verleumdung im Netz würde Konsequenzen nach sich ziehen.
Umgekehrt sollten Lehrer bedenken: Wenn Kinder und Jugendliche ihnen eine digitale Freundschaftsanfrage schicken, dann bedeute das einen «Vertrauensbeweis, mit dem sie sensibel umgehen müssen». Etwa bei Elternabenden oder im Kreis der Kollegen darüber zu sprechen, welche Gedanken, Fotos oder Links ein Schüler auf seinem Facebook-Profil poste, sei ein absolutes Tabu. «Für Autoritätspersonen, die ja gleichsam eine Vorbildfunktion haben, gilt, was auch Heranwachsende beachten müssen: Vor- und Umsicht in sozialen Netzwerken», sagt Hartung.
Schüler brauchen Orientierung im Netz
In der Schule sollte deshalb über die Chancen und Risiken des Internets gesprochen werden. Studien belegen, dass Jugendliche Medien zwar intensiv gebrauchen und ihnen gegenüber meist aufgeschlossen sind. Doch auch sie haben Fragen und sehen sich Bedrohungen ausgesetzt, die sie selbst nur schwer erfassen können.
«Was am Internet fasziniert, ist zugleich eine Quelle der Unsicherheit: Ebenso wenig wie Ältere erfassen Jugendliche die globalen Infrastrukturen der Medien und manchmal fällt es ihnen schwer, bestimmte Angebote oder Akteure sowie deren Absichten zu durchschauen», sagt Hartung. Das Spektrum an Ungewissheiten reiche von Fragen nach Datenschutz, -speicherung und -missbrauch bis hin zu konkreten Problemlagen wie Cybermobbing, Stalking oder den Schutz der Privatsphäre innerhalb sozialer Netzwerke.
Auf das Internet verzichten müssen Schulen dennoch nicht: Wer mit seinen Schülern über Facebook und Co. in Kontakt treten möchte, sollte laut Aufenanger spezielle Projektgruppen in den Netzwerken gründen. Alle, die am Projekt mitarbeiten, können der entsprechenden Gruppe beitreten und so mit anderen Schülern und Lehrern diskutieren. Ansonsten sollte ein guter Lehrer Distanz wahren und klarmachen: «Ich arbeite mit euch an tollen Projekten im Internet, aber es gibt klare Grenzen, an denen meine Privatheit beginnt.»
Auch Katja M. hat diese Grenzen klar definiert. Nur manchmal macht sie eine Ausnahme: Nämlich dann, wenn ein Schüler nach seinem Abitur bei ihr anfragt. Sechs Ehemalige hat sie derzeit in ihrer Freundesliste bei Facebook. Mit ihnen möchte sie in Kontakt bleiben, weil sie ebenfalls Lehrer werden wollen. Alle anderen müssen dagegen im Unterricht mit ihr Vorlieb nehmen.
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Facebook & Co. – «Lehrer sind keine Freunde»
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