Lehren aus Stuttgart

Von Stefan Sasse
Fritz Kuhn ist neuer Oberbürgermeister von Stuttgart. Erstmals wird damit eine Landeshauptstadt von einem Grünen regiert. Für die Partei ist das sicher schön, mit etwas Glück ist es vorteilhaft für die Stuttgarter, aber warum sollte es den Rest der Republik interessieren? Tatsächlich zeigt die OB-Wahl in Stuttgart einige interessante Dinge auf. Der erste und offensichtlichste ist, dass die Grünen die SPD endgültig als Gegenpart zur CDU im Südwesten abgelöst haben. Die Sozialdemokratie, die nach der Implosion der BW-CDU für einen Moment hoffte, endlich aus dem 20%-Jammertal entkommen zu können, dürfte in Zukunft sogar noch bedeutungsloser werden. Der Süden ist nicht mehr so schwarz geprägt wie ehedem - aber die neue Farbe ist nicht rot, sondern grün. Das liegt natürlich zu guten Teilen an der konservativen Prägung der baden-württembergischen Grünen, die oftmals von der CDU nur schwer zu unterscheiden sind, was ihre Werteprägung anbelangt. Man muss es so brutal formulieren: in Baden-Württemberg sind die Grünen eine moderne Variante der CDU. Sie sind nicht so reaktionär, (noch) nicht so korrupt, weltoffen, ein bisschen ökologisch, aber nicht zuviel - alles Dinge, die dem schwäbischen Bürgertum durchaus entgegen kommen. Die Grünen haben es meisterlich verstanden, im Ländle das zu tun, was die SPD seit der Schröderzeit erfolglos versucht - sich als Kraft der Mitte zu präsentieren und doch irgendwie cool zu sein.
Diese Verschiebung des machtpolitischen Gleichgewichts als Beben zu beschreiben ist nicht weit hergeholt. Der Aufstieg der Grünen geht auf Kosten von SPD und CDU, gewiss, aber noch schlimmer bluteten FDP und Freie Wähler. Es sind deren frühere Stammklientel, die inzwischen grün wählen. Der einstige Bürgerschreck ist inzwischen die bürgerlichste aller Parteien geworden. Es fehlen nur noch die Honoratioren. Die CDU bleibt auch in Baden-Württemberg der entscheidende Spieler, die sie in allen Bundesländern ist. Sie ist Regierungs- oder vorrangige Oppositionspartei, in ganz Deutschland. Keine andere Partei kann das behaupten. Im Osten nimmt diese Rolle die LINKE ein, in Baden-Württemberg tun es nun die Grünen. In West- und Norddeutschland ist es die SPD, und in Bayern reden sich die Sozialdemokraten gerade ein, dass sie es sein könnten und werden doch eine brutale Niederlage erleben. Eine Große Koalition kann zumindest in Baden-Württemberg künftig durchaus eine Umschreibung für ein schwarz-grünes Bündnis werden - die SPD jedenfalls ist derzeit der Mehrheitsbeschaffer für Grün, nicht umgekehrt.

Lehren aus Stuttgart

Clever.

In Stuttgart auffällig ist, dass Sebastian Turner, obwohl er von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützt wurde, bereits im ersten Wahlgang weniger Stimmen hatte als Fritz Kuhn - der gegen Kandidaten von SPD und Linken antreten musste! Das vollständige Desaster der konservativen Idee, einen parteilosen Marketingexperten aufzustellen, gibt die zweite wichtige Lektion aus der Stuttgart-Wahl: gewonnen hat der einzige (!) Kandidat, der seine Parteizugehörigkeit klar herausgestellt hat. Alle anderen, die keine Parteizugehörigkeit auf ihre Plakate schrieben und die "Land vor Partei"-Nummer fuhren, scheiterten. Die fixe Idee, dass die Deutschen keine Alternativen wollen und ein Interesse am langweiligen, pseudo-pragmatischen Regierungsstil haben, wird dadurch widerlegt. Peer Steinbrück sollte das als deutlichen Hinweis für seinen eigenen Wahlkampf verstehen. Es zeigt sich auch, dass Inhalte im Wahlkampf punkten. Kuhns Wahlplakate waren die einzigen, die ohne hohle Phrasen auskamen und stattdessen programmatische Forderungen propagierten. Turner entblödete sich nicht, "Miteinander. Gegen Staus. Für Turner" zu plakatieren, die SPD-Kandidatin Wilhelm erklärte, irgendwie gemeinsam regieren zu wollen, und der linke Kandidat erklärte, dass er "Stuttgart gestalten, bewahren, verändern" wolle, ohne sich um den offenkundigen Widerspruch zu kümmern. Auch das ist ein gutes Zeichen und sollte den Wahlkämpfern für 2013 als Mahnung dienen. 

Lehren aus Stuttgart

Nicht clever.



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