Lehmbau-Fachkräfte “made in Düsseldorf”

Am 1. Maiwochenende 2015 war es soweit: Zum ersten Mal legten 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Handwerkskammer Düsseldorf die Prüfung zur Fachkraft Lehmbau ab. Nach Biberach und Herrstein ist Düsseldorf damit die dritte Adresse in Deutschland, wo diese Qualifikation erworben werden kann. Nach drei Wochen theoretischer und praktischer Unterweisung sind die Absolventen nun berechtigt die Berufsbezeichnung „Fachkraft im Lehmbau“ zu tragen und sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen. 4 Stunden theoretische und 6 Stunden praktische Prüfung liegen hinter ihnen.

Lehmbau-Fachkräfte “made in Düsseldorf”

Bester Laune: Absolventen und Dozenten des Kurses “Fachkraft Lehmbau” in Düsseldorf


Zweit Tage vor der Prüfung darf ich mich als Zaungast beim Lehrgang „Fachkraft Lehmbau“  umsehen. Als erstes schaue ich Alex Perschall aus Freiburg über die Schulter. Der gebürtige Hamburger lebt seit 2012 im Breisgau und hatte es im letzten Jahr nicht zum dortigen Lehrgang nach Biberach geschafft. Jetzt in Düsseldorf wollte er deshalb unbedingt dabei sein, denn der 28-jährige Zimmergeselle hat nach eigenem Bekunden „keine Lust mehr auf Glaswolle, Gipskarton & Co“. Vor kurzem hat Alex deshalb seine bisherige Arbeitsstelle bei einem „konventionellen“ Zimmereibetrieb gekündigt.

Lehmbau-Fachkräfte “made in Düsseldorf”

Zimmermann Alex hat “keine Lust mehr auf Glaswolle, Gipskarton & Co.”

Ab sofort will er sich konsequent und ausschließlich auf die Verarbeitung natürlicher Baustoffe spezialisieren. Die Qualifikation zur Fachkraft im Lehmbau soll dazu ein erster Schritt sein. Er ist zuversichtlich, dass die hier erworbenen Lehmbau-Fachkenntnisse in Kombination mit seinen Zimmerer-Fertigkeiten beste Voraussetzungen für eine  Anstellung im Bereich Fachwerksanierung bieten – spätere Selbständigkeit nicht ausgeschlossen. Mit schwungvollen und energischen Bewegungen trägt er mit der Kelle roten YOSIMA Lehm-Designputz auf.

Lehmbau-Fachkräfte “made in Düsseldorf”

Volker König (Ausbilder BZB): “Der Lehmbau gehört zum Stuckateurhandwerk.”

Markus Matheis ist Restaurator im Maurerhandwerk und hat seine Lehmbau-Qualifikation 2008 in Herrstein erworben. Heute ist er einer von zwei Praxis-Dozenten, die den Fachkraft-Lehmbau-Absolventen die Feinheiten des Lehmbau-Handwerks vermitteln. Der andere Dozent ist der Mönchengladbacher Malermeister und Lehmbauer Wolfgang  Scheeres, einer der Initiatoren des Kurses, dessen teils ehrenamtlicher Arbeit das Zustandekommen des Lehrgangs in Düsseldorf wesentlich zu verdanken ist.

Praxis-Dozent und einer der Initiatoren des Kurses: Malermeister Wolfgang Scheeres

Praxis-Dozent und einer der Initiatoren des Kurses: Malermeister Wolfgang Scheeres

Den theoretischen Teil der Ausbildung teilen sich Prof. Dr.-Ing. Christof Ziegert vom Berliner Planungsbüro Ziegert|Roswag|Seiler und CLAYTEC Technikleiter Dipl-Ing. Ulrich Röhlen. Nach annähernd drei absolvierten Wochen ist die Stimmung unter den Kursteilnehmern gleichermaßen aufgeräumt bis glänzend und fokussiert. Alle haben jetzt fest die Prüfung im Blick. Auch Volker König, der sonst für die Bildungszentren des Baugewerbes (BZB) ergänzende Schulungen für angehende Stuckateure leitet. Seine Meinung:  „Zeitgemäßer Lehmbau gehört für mich heute mit zum Berufsbild des Stuckateurs. Außerdem ist es wichtig, den Auszubildenden etwas Neues anzubieten.“ Um „seinen“ Stuckateuren zukünftig auch Lehmbau-Fachkenntnisse vermitteln zu können, muss König jedoch hier und heute zunächst seinerseits lernen und den Qualifizierungskurs „Fachkraft Lehmbau“ absolvieren.

Experimentieren und Kenntnisse erweitern: Stampflehm-Spezialisten Laura und Thomas

Experimentieren und Kenntnisse erweitern: Stampflehm-Spezialisten Laura und Thomas

Diese Bezeichnung, mit dem entsprechenden Eintrag in die Handwerksrolle dürfen nach absolvierter Prüfung auch Laura Marcheggiano und Dominik Abbrederis führen. Beide waren schon vorher ausgewiesene Spezialisten in einem Lehmbau-Teilbereich, dem Stampflehmbau. Laura ist Architektin und Fachplanerin im Unternehmen des österreichischen „Stampflehmpapstes“ Martin Rauch, ihr Kollege Dominik ist – projektbezogen – ebenfalls regelmäßig für Martin Rauch tätig, in den Bereichen Projektleitung und Ausführung. „Wir möchten hier unsere Fertigkeiten erweitern“, erklärt Laura, während sie mit Dominiks Unterstützung Pigmente in einen Lehmputzmörtel mischt. Gemeinsam haben beide in den letzten Tagen Feinputz-Mustertafeln in unterschiedlichen farblichen Abstufungen angefertigt. „Hier können wir experimentieren und Dinge ausprobieren. Etwas, zu dem im Tagesgeschäft nicht immer die Zeit da ist.“, beschreibt Dominik Abbrederis. Zudem könne er hier seine praktischen Fertigkeiten um das notwendige theoretische Wissen ergänzen.

Spannender Moment: die Schalung des Stampflehm-Elements wird entfernt.

Spannender Moment: die Schalung des Stampflehm-Elements wird entfernt.

Draußen im Hof des Schulungsgebäudes kommen dann alle zu einem besonderen Moment zusammen: Heute wird eine Stampflehmwand von ihrer Verschalung befreit, an der die Kursteilnehmer an den Tagen zuvor in wechselnden Teams gearbeitet haben. Die Freude ist groß, als sich nach dem Entfernen der Schalbretter ein makelloser Stampflehm-Quader den Blicken der angehenden Lehmbau-Spezialisten präsentiert. Sogar das mittels einer Schablone ausgesparte Logo des Schulungsträgers  BZB ist perfekt gelungen und nirgends ausgebrochen. Auch wenn Stampflehm-Spezialist Dominik erkennbare Qualitätsunterschiede in den Lehmschichten ausmacht und diese den einzelnen Arbeitsgruppen mühelos zuordnen kann: Alle sind happy mit dem einwandfreien Gesamtergebnis, das abschließende Gruppenfoto zeigt strahlende Gesichter.

Mit dem Kurs in Düsseldorf ist der Lehmbau bei  einer weiteren großen Handwerkskammer angekommen. Das ausgereifte Weiterbildungsmodul des Dachverbands Lehm e.V., Weimar, bietet den Handwerkern die vollumfängliche Möglichkeit einer Existenzgründung – bei moderatem finanziellen und zeitlichen Aufwand.  Darüber hinaus bietet der Verband Werbemöglichkeiten durch die Listung auf seiner Internetseite und spätere „Nachsorge“ durch Absolvententreffen zu aktuellen Entwicklungen. Die Feiertagsstimmung unter den Teilnehmern erklärt sich aber nicht nur durch das hervorragende Angebot und den allseits gelobten Unterricht – hier bestätigt sich einmal mehr: die Arbeit mit Lehm macht einfach gute Laune!


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