Lebensweisheiten von Helmut Schmidt

Lebensweisheiten von Helmut Schmidt

«Ich könnte glatt noch ein Stündchen dranhängen», verabschiedete Günther Jauch seine Gäste nach einer Stunde Talk und zahlreichen Zigarettenstummeln. Vorausgegangen war eine Sendung, die als eine unterhaltsame Mixtur aus Doppelrede zur Lage der Nation, launigem Plausch und amüsanter Anekdotenschau daherkam.

Mit Altkanzler Helmut Schmidt und Exfinanzminister Peer Steinbrück hatte sich Jauch – womöglich als Ausgleich zum Soloauftritt der Kanzlerin vor wenigen Wochen – zwei Schwergewichte der Sozialdemokraten ins Studio geholt. Reiner Zufall selbstredend, dass dies wenige Tage vor Erscheinen des Buchs Zug um Zug geschah, in dem sich die beiden Sozialdemokraten über unterschiedlichste politische Themen austauschen. Sechzig Minuten gut genutzte Werbefläche zur besten Sendezeit waren es für die Neuerscheinung allemal.

Kritik an der deutschen Krisenpolitik

Zwischen den Rauchfäden der Schmidt’schen Mentholzigaretten durften die beiden Autoren zunächst eine Einschätzung der aktuellen Regierungspolitik in der Eurokrise geben. Der Altbundeskanzler, wie gewohnt im Rollstuhl sitzend, beurteilte die Versuche zur Rettung des Euro mit Sorge. Es dauere ein bisschen zu lange, wie die gegenwärtig Regierenden in Berlin, in Paris und anderswo, damit umgingen, sagte der 92-Jährige. In der Krise stecken eher die Organe der Europäischen Union, so Schmidt, als der Euro als Währung. Peer Steinbrück konnte Schmidt nur beipflichten. Die bisherige Krisenstrategie entpuppe sich zunehmend als erfolglos, so seine Einschätzung.

Überhaupt lagen die beiden Studiogäste wenig überraschend in nahezu allen Fragen auf einer Linie. Und das so eingespielt, dass sich Jauch mit seinen Versuchen, kritisch nachzuhaken, an dem Duo mehrfach die Zähne ausbiss.

Nein, Schuld an der Aufnahme Griechenlands in die Währungsunion könne man der SPD und dem damaligen Finanzminister Eichel nicht anlasten, so Steinbrück. Lieber verwies er auf die Agenda 2010 der Regierung Schröder, die mitverantwortlich sei, dass Deutschland so schnell aus der Finanzkrise heraus gekommen ist. Der entscheidende Fehler sei unter der Regierung Helmut Kohls gemacht worden, als man sich von den griechischen Zahlen habe täuschen lassen, führte sein Nebensitzer Schmidt fort.

Auch den an ihn persönlich gerichteten Vorwurf, Angela Merkel und er hätten 2005 mit der gemeinsamen Garantieerklärung für Spareinlagen der deutschen Bevölkerung etwas versprochen, das sie im Zweifel nicht hätten halten können, wehrte Steinbrück ab. «Damals ging es darum, eine Hysterie zu vermeiden», erklärte der 64-Jährige. Und Helmut Schmidt sprang ihm mit einer Politikerweisheit zur Seite: «Es gibt zwei Grundsätze, die hier gelten. Kein Politiker darf sein Volk belügen. Der zweite Grundsatz: Er muss aber nicht alles sagen, was er weiß.»

Steinbrück lässt Jauch nicht weiternagen

Es entwickelte sich ein sehr unterhaltsames Ping-Pong zweier Politprofis, das ihnen wiederholt Lacher und Beifall im Publikum bescherte, Moderator Jauch bei seinen kritischen Fragen aber zunehmend den Wind aus den Segeln nahm. Während Schmidt die aktuelle Krise im großen zeitlichen Kontext zwischen Weimarer Republik, Nachkriegszeit und Euroeinführung einordnen durfte, oblag Steinbrück die Analyse der wirtschaftlichen Hintergründe.

So lenkte der Gastgeber schließlich den Blick in die Zukunft und auf eine mögliche Kanzlerkandidatur Steinbrücks. Schon im Vorfeld hatte Helmut Schmidt seinen Parteigenossen und Freund in einem gemeinsamen Interview als Kanzlerkandidaten lanciert. Diese Forderung begründete er auch in Jauchs Sendung noch einmal deutlich. Notwendig seien im Augenblick politische Führer, die vor allem im Bereich Finanzpolitik Bescheid wüssten, sagte der 92-Jährige. «Er ist einer von denen, die wirklich wissen, worüber sie reden», lobte Schmidt.

Der frühere Bundesfinanzminister wollte sich dagegen auf Jauchs Frage, warum er nicht einfach den Hut in den Ring werfe, kein klares Statement abringen lassen. Er werde sich zur Kanzlerkandidatenfrage erst äußern, falls ihm der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel eine entsprechende Frage stellen würde. «Der Knochen ist jetzt abgenagt», würgte er weitere Versuche Jauchs ab, ihm mehr zu entlocken.

Viel Rauchen für ein langes Leben

Am Ende fand Jauch noch Sendezeit für eine Verbeugung vor dem Leben des Zeit-Herausgebers, initiiert mit einem 60 Jahre alten Filmschnipsel. Auf Jauchs anschließende Frage, wie er mit 92 Jahren noch so vital und geistig fit sein könne, verriet der Kettenraucher ein überraschendes Rezept: «Man muss ständig gearbeitet haben und vor allem braucht man Zigaretten», so Schmidt. Prinzipiell sei er ganz zufrieden, schob er trocken nach, «dass meine Frau und ich beide älter geworden sind als Konrad Adenauer».

Die Schlusspointe ging dann wieder an Peer Steinbrück. Er wolle sich als Gelegenheitsraucher nicht so viele Protestbriefe wie Helmut Schmidt einfangen, beantwortete der Finanzexperte die Frage, warum er die einmalige Chance im Studio zu qualmen nicht auch in Anspruch genommen habe.

In einer Zeit, in der Rauchen in der Öffentlichkeit zunehmend verpönt ist, wäre ihm das hinsichtlich einer Kanzlerkandidatur auch nicht unbedingt zu raten gewesen. Denn Qualmen im Fernsehen lassen die Deutschen nur einem durchgehen: Helmut Schmidt.

Bestes Zitat: «Deutschland alleinstehend wird nicht weiter in der Champions League spielen.» Peer Steinbrück warnt vor deutschen Alleingängen in der Eurokrise.

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«Günther Jauch» – Lebensweisheiten von Helmut Schmidt

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Tags: Günther Jauch, Helmut Schmidt, Peer Steinbrück

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