der mann taumelte depressionsverhaftet über’s psychiatriegelände, erschrak, als diese spindeldürre, gebeugte und fahrig wirkende frau mit ihrem schwarzen, lichten schnurrbart vor ihm stand. struppige weiße haare umschlossen ihren kopf und abgewand lief sie einen zittrigen halbkreis um ihn rum, fragte: „wo, welche station?“
„station 19.“ antwortete der mann.
sie zitterte in kleinen schritten vorwärts und zurück, blieb plötzlich auf distanz neben ihm stehen, drehte sich mehrfach abrupt nach allen seiten, schaute sich ängstlich um:
„was machen sie von beruf?“
„ich bin schriftsteller.“ gab der mann verdutzt zurück.
„dann schreiben sie viel.“
„ja.“ sagte der mann in ihre nervöse ängstlichkeit hinein.
„wie ist ihr name und wie heißen sie?“
„günther grass.“ log der mann.
„kenn’ ich nicht.“ antwortete die frau, führte ihre abrupten kreisigen schritte fort und meinte:
„dann können sie hier durch das gebäude gehen.“
„ich weiß, aber ich will außen rum.“
„sie können hier durch das gebäude gehen!“
„ich möchte aber außen rumgehen.“
„sie können hier durch das gebäude…“
der mann fühlte sich nicht zu sich gehörig, entfernte sich von der um sich selbst kreiselnden frau, drehte sich mehrfach zu ihr um, sah sie in sich verloren in ihren bewegungen zurückbleiben, nicht wirklich von der stelle kommen.
unerträglicher druck machte sich erneut in seinem schädel breit, nahm ihm sein gehör, schwindel ließ ihn frei auf zittrigen beinen stehen, irgendwann mit offenen, doch wie von außen zugedrückt empfundenen augen weiter ums gebäude taumeln…
am nächsten tag sah er sie wieder. der mann mußte zur physiotherapie, und sie saß am ende des langen flurs auf einem ergometer, schrie: „der sattel!“
„was ist?!“ schrie der mann den langen flur entlang zurück.
„ich spreche mit dem therapeuten!“ hallte sie kreischend und wie in panik, nur daß weit und breit kein therapeut in sicht war.
irgendwann ging die tür auf und der therapeut erschien: „zehn minuten noch, herr sorgenich, bin gleich für sie da.“ und der therapeut ging langsam zur frau und der mann hörte sie laut schreien: „hoffentlich muß ich nicht!“
„nein, sie müssen jetzt nicht.“ sprach der thearpeut beruhigend auf sie ein.
„und wenn ich jetzt stuhlgang kriege! ich krieg doch stuhlgang!“
„ganz ruhig, frau größen, sie kriegen jetzt keinen stuhlgang.“ gab er zurück.
der mann stellte die mitgebrachte stationsplastikwasserflasche samt etikett und seinen daten ab und schlenderte auf dem langen flur entlang zu den beiden.
„kriegen sie auch was!?“ kreischte ihm die frau entgegen.
„ja, ’ne massage. und wir haben uns gestern schon mal gesehen.“ entkam es dem mann.
„ja, ich habe sie gestern schon mal gesehen. und danach tat mir gleich ganz doll die schulter weh! ganz doll weh, gleich sofort als ich sie gesehen habe! ich kenn’ den mann nicht!“ schrie sie den therapeuten an.
„ganz ruhig, frau größen…“
der mann drehte ab, setzte sich zurück zu seiner gekennzeichneten wasserflasche aus weichem plastik, versuchte, nichts mehr wahrzunehmen, sah die beiden in den physiotherapieraum verschwinden und hörte, während die tür zufiel: „noch zehn minuten, herr sorgenich, zehn minuten noch, herr sorgenich.“