Lebens-Lagen #22: 01. April

Von Vigoleis01

Aus Hamburg schrieb am 1. April 1951 der deutsche Schriftsteller Alfred Neumann (1895 – 1952), der zeitweilig in der Schweiz lebte, seinem Freund Thomas Mann (1875-1955), der noch in den USA weilte, aber in die Schweiz zurückkehren wollte, folgende Worte:

“Lieber, verehrter Freund,
was war das für ein guter und naher Brief, den Sie mir geschrieben! Sie und Katia sind mir so über alles teuer und wichtig, dass es mir fast schwer fällt, auf die gewohnte besonnene Art zu ihren Plänen Stellung zu nehmen, statt einfach über die verheissene Schweizer Nachbarschaft zu jubeln. Ich meine aber, und meine Kitty meint es auch, dass sie das Richtige zu tun im Sinn haben. Die Sehnsucht nach Europa hat ja einen tiefen Sinn: sie ist zugleich der Ruf nach Europa und die organische Rück-Verlagerung des Schwerpunkts. Das Schicksal, das Bescheid weiss, hat es sich genau auskalkuliert – und Sie hatten zu folgen und folgen gern.(…)
[Neumann berichtet über die Suche nach einem neuen Verlag]
Geht diese Absicht fehl – was mir das liebste wäre -, so werde ich mein Werk (sowieso der Hauptbestandteil) herauslösen und mit ihm jedenfalls zur Deutschen Verlags-Anstalt nach Stuttgart zurückkehren. Es wäre eine deutsch-sentimentale Wiedervereinigung(…)
So denn: in hoc signo die treuesten Wünsche und Grüsse für Sie, Katia und Erika (und gewiss auch für den pariserisch verruchten Krull) von Kitty und immer Ihrem
Alfred Neumann” 1

Im Juni 1952 schliesslich siedelten die Manns wieder in die Schweiz über, wo sie zunächst in Erlenbach, ab 1954 dann in Kilchberg ein Zuhause fanden.

Hier schrieb Thomas Mann auch den im Abschiedsgruss erwähnten “Felix Krull” zu Ende bzw. so weit zu Ende, wie es ihm möglich war: er ist Fragment geblieben. Am 16. April 1954 beendete Mann die Arbeit am Manuskript.


1. Aus: Thomas Mann/Alfred Neumann. Briefwechsel. Hg.v. Peter de Mendelssohn. Wallstein 1977

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