Leben wir, um zu arbeiten, oder arbeiten wir, um zu leben???

Von Wernerbremen


Ihr Lieben,
heute Abend möchte ich Euch eine Geschichte von Tobias Göll erzählen:

„Weisheit der Indianer“

Ein Amerikaner stieß im Herzen von Mexiko auf einen Indianerstamm, der weit und breit für seine Bastflechterei berühmt war.

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Der Amerikaner war entzückt von den Bastkörben und kaufte so viele, wie man ihm überließ. Er wunderte sich aber, warum die Indianer ihm nicht alle überlassen wollten.
Schließlich verhandelte er mit dem Häuptling selbst und fragte ihn, wie hoch denn der Preis für 50 Bastkörbe sei. Der bat den Fremden um Geduld, berief eine Dorfversammlung ein – und präsentierte dem Amerikaner am folgenden Tag die Antwort: „Meine Leute sind bereit, Dir 50 Körbe zu flechten. Der Preis pro Stück beträgt 5 Pesos!
„Das ist viel, mein guter Häuptling“, entgegnete der Amerikaner, „aber nun möchte ich nicht 50, sondern im Ganzen 200 Körbe haben. Bis wann könntet ihr mir diese flechten?“
Wiederum verschob der Häuptling die Antwort auf den nächsten Tag und holte sich Rat bei den Ältesten des Dorfes. Bis in die Nacht hinein hörte man sie in der großen Hütte des Dorfes reden. Anderen Tags kam der alte Mann wieder zu dem Amerikaner: „Du bist in einem guten Augenblick zu uns gekommen. Das Dorf ist bereit, Dir auch 200 Körbe zu flechten. Der Preis für jeden Korb beträgt 7 Pesos.“
Der Amerikaner schaute erstaunt, fragte aber weiter, ob er auch 500 Körbe bestellen könnte. „Nun“, erwiderte der Häuptling, so viele Körbe wollen wir eigentlich gar nicht flechten. Aber wenn wir es täten, so wäre der Preis pro Stück 9 Pesos.“

Da regte sich der Amerikaner auf. Er versuchte dem Häuptling klarzumachen, dass das alles Unsinn sei. Denn bei der Abnahme von vielen Körben müsse der Preis selbstverständlich niedriger werden als bei einzelnen Stücken.

Da sprach der Indianer gelassen und mit unendlicher Würde:
„So denken die Weißen in ihrem Wahn. Wir aber denken anders.
Siehst Du, Bleichgesicht, würden wir so viele Körbe flechten, dann hätten wir keine Zeit mehr, in der Sonne zu sitzen. Und wer wird die Blumen rund um unsere Hütten pflegen? Wir können dann nicht mehr beim Sonnenuntergang am Ufer des Mazatlan (Fluss in Mexiko) spazieren gehen oder in den Rindenbooten über das Wasser gleiten. Und auch die Geschichten, die wir uns und unseren Kindern und Enkelkindern am Abend erzählen, müssten kürzer werden.“

Mit einer weiten Handbewegung ließ er den Amerikaner über das Talk hinblicken, den Urwald und den grünen Fluss mit den tiefbehangenen Ufern. Und dann sprach er:
„Wenn wir schon auf so viel Schönes in unserem Tal verzichten wollen, bloß um zu arbeiten, dann muss die Entschädigung dafür natürlich auch entsprechend sein. Und darum werden die Preise für unsere Körbe auch immer höher, je mehr wir davon flechten.“
Da verzichtete der Amerikaner auf den Handel.“

Ihr Lieben,

versetzen wir uns doch einmal in die Lage der Indianer. Stellen wir uns doch einmal vor, wir könnten wunderschöne Körbe flechten und damit unseren Lebensunterhalt verdienen.
Würden wir uns nicht riesig freuen, wenn einer wie der Amerikaner aus unserer Geschichte vorbeikäme und uns einen großen Auftrag erteilen würde?
Würden unsere Augen nicht umso mehr glänzen, je mehr Exemplare er haben möchte, selbst dann, wenn dafür der Preis sinkt, den wir für den einzelnen Korb bekommen?

Ich finde, es wird Zeit, dass wir anfangen, umzudenken, dass wir anfangen, darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist im Leben. Dass wir darüber nachdenken, ob wir arbeiten, um zu leben, oder ob wir nur leben, um zu arbeiten.
Die Einstellung der Indianer finde ich sehr nachdenkenswert, denn sie wissen genau, dass ihnen kostbare Lebenszeit verloren geht, wenn sie ihr Leben nur der Arbeit widmen.

Denn – und das ist das Wichtige, das wir nicht außer Acht lassen dürfen – diese Indianer waren nicht faul, sondern fleißig, sonst wären ihre geflochtenen Körbe nicht so berühmt gewesen.

Aber sie haben die Prioritäten besser gesetzt, als wir das häufig tun.
Sie haben für sich beschlossen, dass es ihnen wichtig ist, in Gemeinschaft Geschichten zu erzählen, einem Sonnenuntergang zuzuschauen, am Fluss spazieren zu gehen, in der Sonne zu sitzen und die Seele baumeln zu lassen. So lange ihnen das alles möglich war, waren sie bereit, in der restlichen Zeit sehr fleißig zu sein.

Wir westlichen Menschen gehen häufig genau andersherum vor:
Wir schuften und rackern von morgens bis abends und dann stellen wir am Ende des Tages enttäuscht fest, dass wieder keine Zeit geblieben ist, den Kindern oder Enkelkindern eine Geschichte zu erzählen oder vorzulesen, dass wieder keine Zeit geblieben ist, zur Ruhe zu kommen, Gemeinschaft mit anderen Menschen zu pflegen, dass wieder keine Zeit geblieben ist, Augenblicke des Glücks und der Entspannung zu genießen.

Wir sollten endlich aufwachen und erkennen,
dass etwas in unserem Leben falsch läuft.
Eine der besten, wunderbarsten Eigenschaften, die wir Menschen haben, ist, dass wir in jedem Augenblick, in dem wir eine neue wichtige Erkenntnis gewinnen, die Möglichkeit haben, unser Leben zu ändern.
Ob wir es tatsächlich tun, das ist allein unsere Entscheidung!

Ich wünsche Euch einen ruhigen nachdenklichen Abend und grüße Euch herzlich aus meinem kleinen Garten in Bremen

Euer fröhlicher Werner

Quelle: Karin Heringshausen