Leben und Meinungen des Guido Rohm (9)

Von Guidorohm

15. Juni 2011

5.22 Uhr! Müde! So unendlich müde. Die Nervensäge war da. Hinterließ im Blog eine Nachricht. Gelöscht. Hat einige Fehler gefunden. (Oder auch nur einen Fehler. Was weiß ich denn!) Da stehen sie. Da sollen sie bleiben. Und die Nervensäge soll bleiben, wo der Pfeffer wächst. Im Arsch kann er mich auch gleich noch lecken. Damit wäre das Thema dann erledigt. Na, einen Fehler habe ich jetzt doch abgeändert. Diese verfluchten Dichter. Arschlöcher. Solche aufgeblasenen Lehrer kann am frühen Morgen niemand gebrauchen. Also löscht sie, wo ihr sie schreibend antrefft.

5.35 Uhr! Ich beruhige mich allmählich. Die kleinen Soldaten auf dem Schreibtisch stehen bereit. Mein Erschießungskommando. Ich habe mich im Griff, sage ich zu ihnen. Die Angelegenheit ist erledigt.

6.21 Uhr! Schrieb mir meine Wut aus der Seele heraus. Der Richter würde mich jetzt vielleicht berichtigen. Von der Seele geschrieben, müsste es lauten. Vielleicht. Aber wer weiß schon, wie dieses unsichtbare Organ wirklich beschaffen ist.

16.49 Uhr! Die Seraphe führt Kleider vor. Eine ganze Kollektion. Sie sieht wunderbar aus. Das schwarze Haar fällt auf ihre Schulter. Ihre Augen glänzen. Ich verliebe mich. Ich bin verliebt.

Kaffee. Zigarette. Wind kommt auf. Ein rauchiger ungemütlicher Wind. Wir wollen grillen. Wird gemacht. Der Vogel arbeitet sich an seiner Leiter ab. Der Vogel, dies muss noch erzählt werden, ist verliebt.

Der Vogel und seine Geliebte

So sitzen wir hier. Nebeneinander. Zwei Verliebte.

Meldung: Polizei verteidigt Parlament gegen wütende Griechen.

Gewalt ist die Sprache der Straße. Straßen wollen ihre Stimme finden. Sie wollen gehört werden. Sie schlagen los. Sie schlagen ein. Scheiben. Köpfe. Die Revolution frisst ihre Kinder. Wer die Geschichte der Menschheit schreiben will, der schreibe über ihre Straßen. Über ihre Häuser. Der schreibe über die Gewalt. Der schreibe die Geschichten der Gewalt nieder. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Die Geschichte stagniert. Sie hat sich vom ersten Atemzug des ersten Menschen nicht erholt. Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Mannes. Geist. Das vom Körper abgekoppelte maskuline Instrumentarium. Die Geschichte der Welt ist eine Männergeschichte. Eine Geschichte über d i e Vergewaltigung der Frau. Der Frauen. Technikgeist. Eros und Thanatos. Die Frau als Geburtsmaschine, eine Idee, eine Lebenspraxis, die ihren Höhepunkt im Dritten Reich fand.

Schriftstellerei ist Vampirismus. Richard Sorge. Meisterspion. Stalins Spion. Frauenheld. In eine solche Haut muss man schlüpfen. Natürlich. In der Haut dann durch die Welt spazieren. Sie beschreiben. Sorge werden. Zum Vampir werden. Sich in Sorge verbeißen. Die Gedanken saugen. Schriftstellerei ist Vampirismus.

Richard Sorge, Meisterspion

17.09 Uhr! Die Seraphe stöckelt an mir vorbei. Sie blendet mich. Sternchen fotografiert sie.

Und schon steht das Sternchen in der Küche. Schnippelt. Die Seraphe folgt, während ich hier sitze, surfend, von Seite zu Seite springend, dann wieder Buchstaben tippend, die nachher, wenn ich sie dann lese, keinen Sinn mehr ergeben wollen. (Die Seraphe bat mich: Keine Beleidigungen im Tagebuch! Die müssen sein. Das sagte ich ihr. Dies ist keine große Literatur. Hier liest man in einem Notizbuch. Rasch geschriebene Bemerkungen, die sich das Recht auf Ungerechtigkeiten herausnehmen, die sich Fehler erlauben dürfen, auch Trugschlüsse und Unsinnigkeiten. Weder schreibe ich hier an einer Reportage noch an einem Roman. Ich schreibe hier an meinem Leben. Solche Texte dürfen holpern. Das Leben holpert doch auch.)

17.45 Uhr! Ich grille!

18.21 Uhr! Wir haben gespeist. Schweinelende mit Rosamarin. Und noch andere Köstlichkeiten. Ich fühle mich …, wie soll ich es schreiben, ich … hätte nicht … ZU SPÄT! Der Vogel schwirrt durch das Zimmer. Auf der Suche nach seiner Geliebten. Gib sie ihm doch, Sternchen, gib sie ihm.

Griechischer Premier bietet Rücktritt an.
USA errichten geheime Drohnen-Basis.

Geburtstage: Ice Cube und Eric Patie.

Noch bin ich nicht tot. Noch schreibe ich.