Im November hatte ich auf der HundeReisenMehr-Facebook-Seite ein Post darüber, dass Qatar Airways auch Tiere transportiert, der ziemlich gut kommentiert wurde. Darunter auch von Kerstin, die mit Hund in Doha gelebt hat. Ich freue mich sehr, dass sie zugesagt hat, einen Beitrag über ihr Leben mit Hund in Katar zu schreiben. Und hier ist er nun ...
Als ich (Kerstin) das erste Mal von Doha hörte, saß ich als Versicherungsberater meinem Entsandten gegenüber, habe langsam und unauffällig den Bildschirm von ihm weg gedreht und das Wort in die Suchmaschine getippt. Doha ist die Hauptstadt von Katar, dem reichsten Land der Welt, gelegen auf der arabischen Halbinsel am Persischen Golf. Die Fläche der Halbinsel entspricht ungefähr der unseres Bundeslandes Hessen. Heute ist Katar wohl vor allem bekannt durch den Zuschlag für die Fußballweltmeisterschaft und die Blockade durch Ägypten, Bahrain, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Meine Kunden erzählten von Reichtum, Prunk, riesigen Hotels und alten Dhows. Von Problemen bei der Wohnungssuche, vom Umgang mit Ämtern, Ministerien und der Kultur. Und von dem Job, auf den ich mich nach meinem ersten Kurzbesuch im Land schließlich beworben habe. Eine einmalige Chance.
Wohnungssuche mit Hund in Doha
Aber - mein Hund? Hunde gelten im Islam als unrein, das Halten eines Hundes ist nur für das Hüten, Jagen oder die Landwirtschaft in Ordnung. Faro war es gewohnt, überall mit mir hinzugehen. Undenkbar in einem muslimischen Land. Und die Temperaturen? Bei bis zu 55 Grad völlig ungeeignet für einen schwarzen Labrador. Wohnungssuche mit Hund? Die Kollegen lachten nur. Auch wenn klar war, dass die Entscheidung zugunsten meines Hundes ausfallen würde, wollte ich nicht von vornherein aufgeben und nervte die Makler mit Einverständniserklärungen und Zusagen für Haustiere. Schnell wurde klar - das interessiert sie gar nicht. Ein Hund im Haus ist für viele dort so unvorstellbar, dass dem Vermieter die Frage gar nicht erst gestellt wird. Und was der Mieter dann im Haus macht, spielt im Endeffekt keine Rolle, sofern keiner der Nachbarn gestört und die Miete pünktlich gezahlt wird.
Letztendlich blieb Faro bei meiner Familie in Deutschland. Und fehlte mir unglaublich. Ich sehnte mich nach einem Begleiter, nach entspannenden Spaziergängen nach hektischen Arbeitstagen, an denen ich bombardiert wurde von neuen Sprachen, Eindrücken und kulturellen Besonderheiten. Ich wollte mehr sehen vom Land als nur Shopping Malls und künstlich rein gehaltene Promenaden. Und ich wollte einen Kumpel zum Zuhause fühlen.
Von Salukis, Tierschutz und Prestigeobjekten
Über neue Bekanntschaften und Facebook - fast alleiniges Informationsmittel - stellte sich schnell heraus, dass es durchaus einige Hunde im Land gibt. Spätestens auf dem abendlichen Heimweg waren die Straßenhunde an jeder Ecke unübersehbar, fast ausschließlich große, häufig schlanke, sehr elegante Tiere. Beim Abendessen bei einem Arbeitskollegen durfte ich schließlich Bekanntschaft machen. Mit seiner Frau und zwei dieser großartigen Tiere - Salukis, persische Windhunde. Einzige Hunderasse, die die noch vor wenigen Jahren als Beduinen durchs Land reisenden Kataris begleiten durfte. Als geschickter Sichtjäger war er von großem Nutzen und auch für Hunderennen werden sie noch heute eingesetzt. An ruhigen Strandabschnitten lassen sich immer wieder Horden freilaufender Tiere beobachten, dicht gefolgt vom obligatorischen Pulk Land Cruiser und Hupkonzert. Und hier entsteht dann auch gleich das erste Problem - ist der Jäger nicht mehr schnell genug, verletzt oder alt oder manchmal einfach nicht mit dem Kuss Allahs, dem weißen Fleck auf der Stirn, der ihn zur Besonderheit macht, zur Welt gekommen, wird er häufig ‚entsorgt' - der Hund des besagten Arbeitskollegen zum Beispiel aus dem Fenster eines vor ihm fahrenden Autos. Viele Tiere enden auf der Straße, paaren sich mit anderen und es entstehen große Streunerkolonien.
Für andere wiederum ist der Hund und vor allem bestimmte Rassen ein Prestigeobjekt. Schier unbegrenzt sind die Möglichkeiten, wenn Geld keine Rolle spielt. Ebenfalls auf Facebook gibt es einen unglaublichen Markt für Schäferhunde, Pit Bulls, Huskies, Labradore etc. Lediglich für Plattnasen besteht Einfuhrverbot aufgrund der Erstickungsgefahr im Flugzeug. Hundeausstellungen gibt es nicht - zumindest nicht offiziell. Mischlinge sind für viele keine Option, mehrfach wurde ich auf der Straße angesprochen, dass meine Hündin ja so schön sein könnte, wenn sie denn ein reinrassiger Schäferhund wäre. Ich brauche wahrscheinlich nicht erwähnen, dass mein Hund exakt so schön ist, wie sie eben ist - wunderschön sogar!
Natürlich gibt es auch die, denen der Hund am Herzen liegt. Die Kultur und Konventionen links liegen lassen, etwas verändern möchten, sich nicht um die Allgemeinheit scheren und sich einen Hund halten, ihn hegen und pflegen. Oder eine Tierklinik eröffnen und auf der familieneigenen Farm einen Animal Shelter, der dem die Möglichkeit gibt, sich als Gassigänger zu engagieren, der keinen eigenen Hund halten kann oder möchte.
Weiterer Gast an unserem Abendtisch war eine Frau, die sich sehr im Tierschutz engagierte und dadurch bereits eine Menge hundeverrückter Bekanntschaften geschlossen hatte. Mit dem von Expatriates aufgebauten und ausschließlich durch Spenden finanzierten Tierheim hatten wir schon bei der Adoption unserer Katzen Bekanntschaft gemacht. Sie jedoch erzählte auch von anderen Gruppen, die sich engagierten und regelmäßig zum Spazieren gehen trafen. Die Damen beschrieben mir bereits erkundete Strandabschnitte, berichteten von Gruppenspaziergängen in den Mangroven und von „Dogs in Doha", einer weiteren Rescue-Gruppe.
Die örtlichen Tierkliniken haben einen guten Standard
Es dauerte nicht lang, bis Buddy schließlich bei mir einzog. Wer glaubt, ich hätte Faro einfach vergessen, der täuscht sich. Faro aber war gut aufgehoben, dort wo er war und ich konnte ihn jederzeit sehen. Buddy war hier vor Ort und brauchte meine Hilfe. Wer mehr von ihm lesen möchte, darf das gerne auf meinem Blog tun.
Durch Buddys Vorgeschichte machte ich schnell Bekanntschaft mit der örtlichen Tierklinik. Im Land gibt es einige, der medizinische Standard ist gut, zumindest mit dem, was im Land möglich ist. Das komplette Team setzte sich aus den unterschiedlichsten Nationalitäten zusammen, die ihre Tierliebe zusammen schweißt. Die Kombination aus unterschiedlichen kulturellen Ansichten auf allen Ebenen, gepaart mit dem endlos erscheinenden Leid der schier unendlich scheinenden Menge an Straßentieren, machen die Arbeit dort sicherlich das ein oder andere Mal zur besonderen Herausforderung. Schwierige Operationen und Behandlungen - wie in Buddys Fall eine Femurkopfresektion - wurden absolut professionell durchgeführt. Die Kliniken befinden sich oft in Villen und nicht in eigens dafür gebauten Gebäuden, wie wir sie vielleicht hier erwarten würden. Da wird der leere Pool im Keller gerne für die Welpen genutzt, bevor der Bereich in ein Hundespa inklusive Exklusivbetreuung umgebaut wird. Die Preise für Impfungen und Untersuchungen befanden sich auf deutschem Niveau, die Preise für einigermaßen ordentliches Hundefutter oder -zubehör haben jedoch das ein oder andere Mal für ein Schlucken beim Bezahlen gesorgt. Einige meiner Besucher waren irritiert, wenn ich ihnen kurz vor Reiseantritt noch die aktuellste Einkaufsliste für meine beiden Rabauken durchgegeben habe.
Laboruntersuchungen, Physiotherapie oder gar Tierheilpraktiker sucht man hier allerdings vergeblich, genauso wie etablierte Hundetrainer. Auch hier gilt: Wer etwas startet, bietet an. Meistens jedoch nur solange, bis die Zeit der Entsendung vorüber ist und das Land verlassen wird. Für medizinische Auswertungen wie den Tollwut-Test, der erforderlich ist, um ein Tier aus dem Land mit nach Hause nehmen zu dürfen, musste das Blut zumindest während unseres Aufenthaltes noch nach Großbritannien geschickt werden.
Spaziergänge in der Wüste und am Strand
Überhaupt Spaziergang - ein ganz eigenes Thema. Da gab es zum einen die tollen Strandspaziergänge nach der Arbeit, in Monaten, in denen es die Temperatur zuließ. Wir setzten uns ins Auto, fuhren eine halbe Stunde aus der Stadt in Richtung Wüste, bogen an einer bestimmten Stelle ab und parkten das Gefährt. Von dort aus liefen wir ungestört bis zur Dunkelheit am Meer entlang und ließen die Hunde Hund sein. Sie tobten durch das Meer, rollten sich im Schlamm oder schnüffelten vor sich hin. Bei Ebbe entdeckten wir ganz neue Wege, Verbindungen zu Sandbänken und Naturseen sowie das ein oder andere vom Picknick zurück gelassene Shawarma. Im Sommer fanden diese Ausflüge bei Temperaturen von über 50 Grad nur in aller Herrgottsfrühe und mit Abkühlung im Meer statt, die übliche Abendrunde auch durchaus mal gegen Mitternacht, wenn die Abkühlung der Nacht ein wenig Bewegung zulässt.
Schnell lernte ich, dass Ausflüge an bestimmte Strände alleine mit Hund jedoch zur Qual werden können - unangenehm, den Hund unter Beobachtung und endlosen unerwünschten Kontaktaufnahmen aus Baufahrzeugen von Sand und Meerwasser zu befreien, während selbiger sich wie eine Brezel verbiegt und in der Aufmerksamkeit aalt.
Sprachlos lassen einen die Momente, in denen sich nach langer Fahrt aus der Stadt, über steinige Wüstenstraßen, begleitet von Gaspipelines aus der Liquified Petroleum Gas-Förderung dann schließlich riesige Sanddünen vor einem auftun. Mit der Hundegruppe auf dem Rand der Düne empor klettern, den Sand unter den Füßen singen hören, die Anstrengung spüren, schließlich auf dem Rand der Düne sitzen, das Auto wie ein Legofahrzeug am Fuße des Sandbergs geparkt - herrlich.
Wie ist nun unser Fazit?
Obwohl Katar nach westlichem Empfinden bestimmt kein gutes Land für Hunde ist, haben wir uns die meiste Zeit sehr wohl gefühlt. Alles, was nötig war für ein gutes Hundeleben, war vorhanden, wenn auch nicht immer so zuverlässig oder im Überfluss wie wir es häufig erwarten. Selbst während meiner Dienstreisen waren die Hunde dank einer von britischen Expats gegründeten Hundepension gut versorgt. Mit Hilfe der Klimaanlage, Abkühlung im Meer und genug Flexibilität im Tagesablauf ließen sich auch die schlimmsten Temperaturen aushalten. Die Spaziergänge am Strand, in den Dünen und das zugehörige Gefühl von unbändiger Freiheit werden wir so in unserem Leben wahrscheinlich nie wieder erleben dürfen. Und den verpassten Ausflügen mit Boot oder in die Wüste mit anschließendem BBQ und Übernachtung trauere ich noch heute hinterher.
Für Hunde, die unter anderen Verhältnissen leben oder kein Zuhause haben, sieht die Situation natürlich völlig anders aus. Staatliche Unterstützung oder Anerkennung der Vereine gibt es nicht, was die gesamte Situation weiter erschwert. Unglaubliche Tierarztkosten kommen zusammen, wenn sich gute Seelen zusammen tun, um verletzte Tiere von der Straße zu holen und zu versorgen. Selten habe ich derart furchtbar zugerichtete Tiere gesehen, wie in meiner Zeit im Tierschutz dort, selten jedoch auch live erlebt, wie Berge versetzt wurden in dem unbändigen Willen, die Situation so nicht zu akzeptieren und einem Tier zu helfen.
Ein eindeutiges Fazit gibt es somit nicht - ich persönlich habe die Zeit vor Ort geliebt und möchte sie in keinem Fall missen. Gäbe es jedoch heute die Möglichkeit, wieder zurück zu kehren, weiß ich nicht, ob ich uns alle zusammenpacken und nochmals in den Flieger setzen würde.
Text + Fotos: Kerstin Lorscheider, www.buddyschreibt.com