Leben in Polen

Von Qohelet17

Kalt isses. Und an Schnee mangelt's auch nicht...

„Schnee“…
„Schon wieder Schnee“ denke ich mir und schaue die mir entgegenkommenden Schneeflocken an. Die Flocken sind winzig und werden vom immer wieder aufkommenden Wind herumgewirbelt. Doch das ist kein Schnee, wie wir ihn in Österreich kennen. Wenn es in Österreich schneit, dann schneit es für gewöhnlich lange und das ganze Gebiet ist danach wie mit einem eisig kalten Pelzmantel bedeckt; die Geräusche sind leiser und die Luft klarer.

Schneefall in Polen. Je kälter es ist, desto kleiner sind die Flocken

Hier in Polen erinnert der Schneefall eher an einen Regenschauer im Sommer. Es gibt einen Niederschlag, nebenbei scheint die Sonne ein wenig und nach einiger Zeit ist alles vorbei. Was am Boden bleibt sieht eher nach etwas Herumliegenden aus, das von irgendjemandem vergessen wurde und vom Wind hin und wieder durchweht wird. Der Schnee liegt, bleibt aber nicht bestehen.

Ich bin es gewohnt, dass der Schnee im Winter meist etwas feucht ist und sich mit dieser Feuchtigkeit am Boden festfriert. Hier scheint es zu kalt zu sein, wir hatten in den letzten Tagen selten wärmere Temperaturen als -10°C – und der eiskalte Ostwind lässt hervorstehende Körperteile, wie Nase und Lippen etwas fühlen, was sich besser mit einer jiddischen als mit einer deutschen Phrase ausdrücken lässt. Möglicherweise deshalb, weil die Deutsch- und Jiddischsprachigen Ostjuden vornehmlich im kalten Polen und Russland lebten:

Der Frost brennt

Es fühlt sich wirklich so an, als würde man spüren, wie ein Feuer aus Eis einem die Flammen ins Gesicht peitscht. Ein Freund von mir erzählte von Temperaturen von -25°C in Moskau. Meine Vorstellung von Kälte reicht bis etwa -18°C – wenn ich Glück habe, bin ich nächsten Winter in Nordosteuropa, um dem geneigten Leser diese Temperaturen näher zu beschreiben. Die russische Forschungsstation Wostok am Südpol hat im August Durchschnittswerte von -78°C. DAS würde ich gerne einmal erleben.

Wenn Eis auf der Soła schwimmt ist es kalt. So wie hier...

Wenn ich darüber nachdenke, dass es hier oft Neuschnee gibt, dessen Herkunft an eine Art von „Regen im Winter“ erinnert – wie viel Regen wird es dann erst im Rest vom Jahr geben?

Kapuśniaczki - wohlschmeckendes Essen in Polen

Doch das Leben ist nicht schlecht in Polen – hin und wieder auch das Essen (aber das eher selten). Besonders gute Speisen sind, wie schon vorher einmal erwähnt, der Obwarzanek – eine Art Kringel, oder das sogenannte „Kapuśniaczki“ – eine sehr wohlschmeckende Tasche aus Blätterteig, gefüllt mit Sauerkraut, Pilzen und möglicherweise auch Artischocken. Geschmacklich abgerundet wird es durch Paprika und Kümmel – hin und wieder genehmige ich mir so etwas zum Mittagessen und versuche auch das Rezept herauszufinden.

Neue Idee für ein EU-Gesetz. Glückliche Hühner dürfen nur auf Eischachteln abgebildet werden, die tatsächlich Eier von denselben enthalten.

Die Einkäufe in Polen gestalten sich recht einfach. Fast alle Produkte, die man benötigt findet man – Ausnahmen gibt es natürlich auch, so ist es schwierig, Lebensmittel, wie Feigen, Tehina oder Freilandeier zu kaufen (Bioprodukte nahezu unmöglich!). Bei der Wahl zwischen drei verschiedenen Sorten von Eiern entscheide ich mich dann meist für die Packung auf der zumindest ein glücklich aussehendes Huhn abgebildet ist… „Richtige“ Eier kann man hier wie in den meisten Teilen der Welt auch direkt beim Bauern kaufen. Die Voraussetzung dafür ist, dass man einen Bauern kennt, der Eier verkauft und dass man ihm dies auch mitteilen kann… Aufgrund dieser Tatsache hält sich mein Eikonsum sehr stark in Grenzen.

Höherprozentigen Alkohol bekommt man in Polen in eigenen Abteilungen. Niedrigprozentige Getränke bekommt jeder überall

Leichter als solche Lebensmittel bekommt man Alkohol. Den gibt es hier nahezu überall. Meiner Liebe zu Malzbier, die in Israel vom russischen Malzbier „Kwaz“ erweckt wurde ist schwieriger nachzughen, da in Polen alkoholfreies Bier als Sünde angesehen wird. Im „Einkaufszentrum“ Kaufland fand ich dann etwas Ähnliches in der Getränkeabteilung. In einer versteckten Ecke ganz hinten, am Eingang zur Abteilung für Hochprozentiges konnte ich dann tatsächlich erblicken, wonach ich gesucht habe.

„Kwaz“ - Russisches Malzbier.

Zwei Flaschen gekauft, jedoch mit Unsicherheit – vor deren Einnahme dachte ich mir, dass ich einen polnischen Freund fragen könnte, was da wohl draufsteht. Er nahm die erste Flasche in die Hand und schaute mich etwas verwundert an. Aufgrund des Nischendaseins dieses Bieres ging ich zwar nicht davon aus, dass er es kennen würde, aber seine Antwort verblüffte mich sehr.

„Kwaz“ ist Polnisch und heißt „Säure“ – in meinem Fall hatte ich ein „Kwaz Chlebowy“ erstanden – übersetzt: „Brotsäure“. In diesem Moment wurde mir klar, warum mich das Personal in den Bars immer so komisch angeschaut hat, als ich „Kwaz“ bestellt hatte…

Das abgebildete Brot auf der Flasche hat mich von Anfang an etwas stutzig gemacht. Wer würde auf einer Getränkeflasche ein Brot abbilden? Der zweite Behälter sah ebenfalls etwas suspekt aus. Während man auf der Brotsäureflasche Weizenfelder, Weizenkränze und Weizenbrot sah zierte die andere ein brennendes Gebäude, das gerade von Kosaken überfallen wird.

Sie haben die Wahl zwischen zwei Getränken. Auf dem einen wird gerade ein Haus von Kosaken überfallen, auf dem Anderen steht Brotsäure. Entscheiden Sie weise

Zur Probe der „Brotsäure“ füllte ich vorsichtig ein Glas und versuchte mögliche Kontakte der Flüssigkeit mit anderen Objekten außer dem zu füllenden Glas vermeiden. Vom Aussehen her erinnerte es tatsächlich an das israelisch-russische Kwaz, vom Geschmack her war es ungefähr gleich süß wie die süßeste Marke in Israel (die ich immer mit 50% Wasser aufspritzen musste), das Aroma ließ jedoch Wünsche offen. Säure war es wie ich feststellen konnte keine. Eher wurde der Markenname („Kwaz“ bedeutet soviel wie „Mälzchen“) übernommen.

Sonst ist das Leben hier weniger aufregend, ich habe immer wieder interessante Besuchergruppen und hoffe, in der nächsten Zeit etwas über meine Arbeit schreiben zu können. Möglicherweise gehen sich in der nächsten Zeit auch ein paar Reisen aus.

Mit dem neuen Bicyclus lässt es sich sogar "Downhill" fahren

Die nähere Umgebung mache ich inzwischen mit einem eigenen Fahrrad unsicher. Der größte Fahrradhändler der Stadt Oswiecim hatte ein großes Angebot. Mein Drahtesel war eines von dreien, die er feilbot. Wie man als Fahrradhändler mit einem Sortiment von drei Stück (inzwischen zwei) überleben kann ist mir schleierhaft. Mich dünkt, dass etwa 70% seines Einkommens durch Freiwillige erwirtschaftet wird, die in Oswiecim arbeiten. Er konnte sie zumindest alle aufzählen und ich bin mir sicher, dass er die meisten auch persönlich kennt…

Das Rad ist qualitativ nicht schlecht, auch wenn ich in der nächsten Zeit noch ein Bisschen was nachrüsten sollte.

Ahja: Elektrogeräte kauft man hier am Besten beim „Media Bart“.

Media Bart - ich bin doch nicht... rasiert?

Schawua Tow!


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