Leben in Gesellschaft basiert auf gegenseitiger Reaktion

Erstellt am 17. Juni 2011 von Andramas

Unser aller Leben ist Interaktion und auch ein Demenzkranker, Pflegestufe 2, lernt noch dazu.

Ich beobachte derzeit mit großem Interesse. Wenn Vater zum Beispiel “Hunger!” ruft, hat er selten wirklich Hunger. Vielmehr sendet er ein Signal, welches nahezu automatisch eine (Gegen)Reaktion – “Du kannst doch noch gar keinen Hunger haben! Du hast doch gerade erst gegessen!” – liefert.

Sie interagieren.

Seine Forderung liefert stets ihren Kommentar und somit bekommt er bestätigt, dass er noch lebt. Es ist – zugegeben: auf einer anderen Ebene – das Parfum-Phänomen, über welches ich seinerzeit schrieb:

“Die Schlüsselszene des Buches ist diejenige Stelle, an der Grenouille bemerkt, keinen Eigengeruch zu haben. Was bedeutet, dass er gegenüber seinen Mitmenschen nicht existiert, … er kann nicht errochen werden. … Das Nichtvorhandensein ist das grausamste allen möglichen menschlichen Unglücks.

Weshalb sich Grenouille logischerweise aufbäumen muss, er will schließlich vorhanden sein, braucht deshalb Eigengeruch. Wofür er sogar zu morden bereit ist.

Doch auch der beste Fremdgeruch ist nicht der eigene.

“Grenouille nichtexistiert weiter”, schrieb ich, “und kann sogar den Richtplatz verlassen”.”

Nur ihr Part“Du kannst doch noch keinen Hunger haben!”hilft ihm zu wissen, dass er noch lebt.


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