Lauforganisation auf Peruanisch

Da hatten Lucho und ich also eine ganze Woche lang top seriös traniert. Im Klartext heisst das, dass ich ein erstes Mal alleine etwa eine halbe Stunde ganz locker joggen gegangen bin und das recht gut geklappt hatte. Tags darauf sind Michela, eine Italienerin, die auch in der Casa de Ciclista wohnte, Lucho und ich zu einem Strand und zurück gejoggt. Wir waren eine Stunde unterwegs, was normalerweie kein Problem wäre, aber da ich seit 11 Monaten nicht trainiert hatte, taten mir die Beine ganz schön weh. Zum Glück ist Lucho nicht nur ein super Velomech, sondern auch ein guter Masseur. Nach diesem Lauf folgte ein Ruhetag und dann ein 1.5-stündiges Training, ein weiterer Ruhetag und ein 2-stündiger Longjogg. Das war's dann auch schon, jetzt noch zwei Tage Pause und dann musste ich fit sein für die 21 km.
Die Bürokratie vor dem Lauf war auch so richtig amerikanisch. Dass man sich per Internet anmelden konnte, war ja bemerkenswert modern. Dann musste man sich aber noch einem ärztlichen Check unterziehen und das "Gesundheitszertifikat" zur Startnummerausgabe mitbringen, damit sichergestellt war, dass keine unfitten Leute teilnehmen...
Am Morgen des Laufs schaffte ich es sogar trotzt luchoischem "noch-rasch-dieses-und-jenes-erledigen" frühzeitig meine Startnummer und das obligatorisch zu tragende Laufshirt abzuholen. Lucho selber war etwas im Stress, da er den ärztlichen Check arbeitsbedingt noch nicht gemacht hatte. Schlauerweise konnte man den aber vor Ort vor dem Start noch nachholen. Die Zeit wurde langsam knapp, hätte aber eigentlich noch reichen müssen. Die Jugendkategorie und die 10 km-Läufer waren pünktlich gestartet, um 9.00 Uhr sollten wir dran sein. Entsprechend überrascht war ich, als ich aum 8.55 Uhr aus dem Klo kam, und das Feld gerade um die Kurve bog und Aracelly, Luchos Frau, mir zurief, dass ich den Start verpasst habe und schnell mitlaufen sollte. Hä, wie bitte?? Aber ok, was soll's, ich hängte mich den letzten Läufern an und sah vor mir Lucho dasselbe tun, er aber noch ohne Startnummer und orangem T-Shirt.
Soweit so gut, der frühe Start hatte mich zwar etwas überrumpelt aber weiter war das ja kein Problem. Schade nur, dass ich die Startlinie nicht überquert und somit meine Zeitmessung nicht aktiviert hatte (man ist hier topmodern mit Chip ausgerüstet). Aber jetzt galt es erst mal herauszufinden, wie hier in Peru so ein Lauf organisiert war. Gemäss Website sollte es bei km 5, 10, 15 und 18 Getränkestellen geben. Aber schon der Ort der Startnummernausgabe hatte nicht gestimmt. Also, wer weiss, was da sonst noch für Überraschungen auf mich zukamen?
Interessant war da erst mal, dass keine Strassen abgesperrt waren. An grösseren Kreuzungen spielte die Polizei Streckenposten und hielt den Verkehr an, sonst war man frei, sich seinen Weg zwischen Autos, stinkenden Bussen und anderen Fussgängern zu suchen. Da ich schon bald recht durstig war, hoffte ich auf die Existenz der erwähnten Puntos de Hidracion. Dass es so einen auch tatsächlich einmal gegeben hatte, bemerkte ich an den weggeworfenen Wasserflaschen am Strassenrand. Oh Shit, hoffentlich heisst das nicht, dass die bis zu meiner Ankunft alle ausgetrocknet sein werden. Das würden lange 21 km werden. Relativ kurz darauf kamen aber schon ein paar Jugentlich in Sicht, die Wasser an die Läufer verteilten. Super, ab und zu klappte doch etwas.
Nach ein paar weiteren Kilometern kam auch schon Getränkestelle Nr. 3. Nett, aber eigentlich war das zu bald nach der vorherigen. Inzwischen war das Hauptfeld längst ausser Sicht, was gewisse Streckenposten offensichtlich zur Annahme verleitet hatte, dass keine Läufer mehr kommen würden. Jedenfalls wurde die "Signalisierung" der Strecke, d.h. von Abzweigungen immer schlechter bis nicht existent. Es gab auch immer weniger Polizisten, die den Verkehr regelten, bzw. für uns Läufer anhielten und so blieben wir ab und zu zwischen den Autos stecken bzw. wurden fast überfahren. Zu meinem Glück waren vor mir noch ein paar orange Punkte in Sicht, sonst hätte ich mich garantiert verirrt.
Leider hatten sich nicht nur die Streckenposten verabschiedet, es gab auch keine offiziellen Getränkestellen mehr. Umso dankbarer war ich, als da plötzlich am Strassenrand eine junge Frau stand, mir ein Glas Gatorade anbot. Überhaupt war die Unterstützung des Publikums gar nicht schlecht, besonders Frauen feuerten vor allem Läuferinnen begeistern an. Anstatt des gewohnten "Hopp, Hopp" bekam ich hier "¡Bravo Gringa!" und "¡Vamos, Gringa, vamos!" zu hören.
Nach etwas mehr als eineinhalb Stunden tauchte ein Freund von Lucho mit Velo und Wasserflasche auf. Das war mega nett, ich war zwar noch knapp nicht verdurstet aber so eine mitradelnde Wasserversorgung war echt Gold wert. Als er nach einiger Zeit meinte, es seien nur noch etwas sechs Quadras bis zum Stadion kam mir das etwas komisch vor, da es meinem Gefühl nach noch weiter sein musste, aber er hatte tatsächlich recht. Cool, da konnte ich meine schon fast seit Beginn schmerzenden Beinen nochmals motivieren und ein noch wenig beschleunigen. Im Stadium Mansiche blieb dann noch die übliche "Ehenrunde" auf der Bahn und dann war ich in etwas über zwei Stunden im Ziel.

Lauforganisation auf Peruanisch

Am Ziel im Stadium Mansiche.


Mann, war ich froh, endlich da zu sein. Das waren zwei lange Stunden im Grossstadt-Verkehr gewesen. Und es war vielleicht nicht wirklich heiss, aber doch zumindes sehr warm gewesen. Noch wärmer war der Empfang durch Luchos Familie am Ziel und wie hier in Peru üblich, gab's erst mal eine lange Fotosession mit jedem Familienmitglied einzeln und in allen möglich Kombinationen. Und das natürlich unmittelbar nach dem Ziel. Das ist der Vorteil, wenn man spät ankommt und nicht von dutzenden nachfolgenden Läufern plattgemacht wird.
Ein anderer Läufer, den ich unterwegs ein paar Mal gesehen hatte, sprach mich etwas später an und löste das Rätsel mit dem falschen Zeit- und Distanzgefühl. Anscheinend hatten wir irgendwo eine falsche Abzweigung erwischt und ein paar Kilometer ausgelassen. Meiner Schätzung nach hatten wir so bestimmt 5-10 Minuten "gewonnen". Tja, schade, aber eine Laufstrecke muss eben signalisiert sein, sonst laufen alle wie Schafe dem verirrten Leithammel nach.

Lauforganisation auf Peruanisch

Yep, wir haben's beide geschafft.


Wieder ein Lauf geschafft, eine Startnummer mehr für die Sammlung. Wenn auch der Verkehr unterwegs manchmal etwas mühsam gewesen war, war der Wettkampf doch unterhaltsam gewesen und die Teilnahme der Gringa scheint den Einheimischen positiv aufgefallen zu sein. Interessant war für mich auch gewesen, dass meine Muskulatur zwar klar überfordert gewesen war, dass ich jedoch nicht einmal nach dem Schlussspurt im Stadion aus der Puste gekommen bin. Hoch lebe das Höhentraining!

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