Laufgeschichten: Wenn der Teufel einem die Laufschuh auszieht

Es ist dunkel, es ist trist. Es schieben sich einige spärliche Wolken vor die glitzernden Sterne, während ich die Temperatur anteste. Entscheide mich für einen ersten Rückzug und gieße mir meinen Gyokuro auf. 

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Während ich mich an die heiße Teetasse klammere, zerre ich mit der anderen Hand die farbigsten Laufsachen aus dem Schrank, die mir unter die müden Augen kommen. Irgendetwas muss ja schließlich strahlen, wenn es schon nicht die Sonne ist. Ich entscheide mich für lang-lang. Das erste Mal nach den sommerlichen Temperaturen der letzten Wochen. Ruft nicht gerade Begeisterungstürme hervor! Aber hilft ja alles nichts. In pink-blau-gelb-grün mache ich mich auf und kann meinen Atem sehen.

In einem Anfall von Sentimentalität wähle ich eine Strecke, die ich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gelaufen bin. Ich folge dem Duft von frischen Sägespänen, der von der Holzfabrik herübergeweht wird. Es ist immer noch dunkel und auf der verlassenen Landstraße treffe ich – genau – niemanden! Mag sein, dass ich das Cap so tief über die Augenbrauen gezogen habe, dass ich niemanden in dem Schwarz um mich herum sehen kann. Vielleicht sind aber auch meine Augen selbst schuld. Sie kneisten sich halb offen entlang vergessener Forstwege. Seitdem die Landstraßen geschlossen wurden, verwildert alles mehr und mehr. Wunderbar.

Mein Blinklicht am Cap spiegelt sich in den Glaswänden alter Bushaltestellen und ich zerre die Jacke und mein Shirt mehr und mehr über meine Hände. Meine rechte Ferse löst sich aus dem Schuh. Schlapp, schlapp. Links gleiches Spiel. Ich drehe mich um. Fühlt sich an, als würde sich mein Teufelchen, das sonst mein Gewissen beschwert, mit seinen schwarzen kleinen Händen an meinen Glycerin krallen. Geht’s noch? Ich bücke mich und schließe die lockeren Schnürsenkel. Ein Gefrickel im Dunkeln mit eisigen Händen!

Tapsend geht es weiter, nun den Schwaden von Süßigkeitengeruch hinterher, die über den Feldern schweben. Es geht richtig gut voran. Natürlich weiter und weiter. So wie immer, so wie es sein soll, so wie ich es mir am Tage immer für das nächste Training wünsche. So wie mein Engelchen auf der Schulter es mir vorschwärmt, während der Teufel mit den Augen rollt.

Ich schaue nach Osten, endlich geht es heimwärts. Ich sehe die Sonne aufgehen, die sich durch den Nebel kämpft und die Spinnweben mit Tau funkeln lässt. Schneller als gedacht sind 15km weggelaufen und der Tag ruft.

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