Wenn wenig Zeit für einen ausführlichen Stadtbummel bleibt und man sprichwörtlich, kaum in der Stadt der Städte angekommen, in der morgendlich Dunkelheit aus dem Bett fällt, geht ein Läufer natürlich: Laufen! Eigentlich gibt es für mich nichts Schöneres, als das Laufen, um eine Stadt zu entdecken. Da sei erst einmal dahingestellt, ob es sich um eine Kleinstadt irgendwo in Deutschland handelt, oder eben um New York. Wie eigentlich bei jeder noch so arbeitsintensiven Reise, mache ich aus der Not eine Tugend. Ich bin vor allen anderen wach, ich bin aufgeregt und neugierig was der Tag bringen wird und folglich schnüre ich meine Laufschuhe.
Mal abgesehen von meinem kleinen Schneesturmintermezzo und einem Temperaturgefälle von mehr als 10 Grad innerhalb weniger Stunden, das fließende Brunnen in Windeseile einfrieren ließ, hatte ich großes Glück mit dem Wetter. Ich durfte mich über milde Trainingstemperaturen freuen und genoss natürlich jeden einzelnen Kilometer, den ich im Laufschritt zurücklegen konnte und meine tagesgeplagten Beine so richtig entspannen ließen.
New York kann auch leise, man möchte es kaum glauben. In manchen Seitenstraßen sieht man nur entfernt Autos, während sich die Sonne ganz langsam ihren Weg zwischen den Häusern bahnt. Hier und da fließt Wasser den Rinnsteinen entlang. Es wird das spärliche Laub der einzelnen Bäume nicht weggepustet oder zusammengefegt sondern per Schlauch auf die Straße gespült. Die Gullis und U-Bahn Schächte dampfen vor sich hin. Hier und da Müllfahrzeuge oder Trucks, die kleine und große Geschäfte beliefern. Ich weiche von links nach rechts aus und es dauert nur wenige Minuten bis ich vor dem Chrysler Building und um die Ecke vor der Grand Central Station stehe.
Die Wege sind so einfach zu merken, dass ich meine kleine Karte eigentlich kaum benötige. Von da aus geht es die 5th Avenue entlang. Hier stauen sich normalerweise die Touristen am Rockefeller Center vorbei. Der Weihnachtsbaum ist leider noch verhüllt, aber ich ahne wie wunderbar es hier am Abend mit all den Lichtern und auf der Eisbahn unter dem Baum sein muss, wenn er enthüllt wurde.
Im Eiltempo geht es die Straße noch etwas weiter hinunter. Möchte man den Himmel sehen, muss man direkt nach oben schauen, der Blick scheint irgendwie immer verbaut zu sein. Plötzlich enden die Häuser und aus dem Nichts ist alles wahlweise grün oder bunt. Auch jetzt noch. Noch kein Herbststurm konnte die Blätter von den Bäumen fegen. So lässt sich das Stadtleben ganz wunderbar hinnehmen.
Der Central Park lockt mit seinen vielen Weggabelungen für Stunden zum Verweilen ein. Selbst am Morgen vor sieben Uhr schießen Rennradfahrer in großen und kleinen Gruppen an mir vorbei. Kinder proben auf dem Eis und Trainer und Eltern frieren am Bahnrand. Mitten im Park ein recht großer See. Ob man dort wohl Schwimmen kann?
Wer meint New York wäre flach und eben, irrt gewaltig. Kleine Senken und künstlich angelegte Steinhügel laden zum Tempowechsellauf ein. Auch auf den Straßen durch Manhattan kann es etwas hoch und runter gehen. Erst recht, wenn man die zahlreichen Brücken mit in seine Runde einschließt.
Vom Central Park aus einige Blocks entfernt lässt es sich am Morgen ganz wunderbar am Ufer des East Rivers entlang laufen. Dort geht die Sonne auf. Kreuzt man die Williamsburg Bridge sollte man diese unbedingt überqueren und kurz die Viertel Greenpoint und Williamsburg durchlaufen. Sie erinnerten mich mit ihrem Kleinstadtflair an die Gegend um den Hackeschen Markt in Berlin. Blumengeschäfte, kleine französische Restaurants, Vintage Läden mit Second Hand Fashion und Mobiliar wechseln sich mit Bäckereien ab. Orte zum Entspannen.
Läuft man den East River weiter entlang, wird irgendwann die Manhattan Bridge auftauchen. Auch wenn ein eisiger Wind weht, sollte man drüber laufen. Man sieht zur Rechten ganz großartig die Brooklyn Bridge, über die es zurück geht, und die Skyline von New York.
Kommt man wieder in Manhattan an, schnuppert es an fast jeder Ecke verlockend nach Frühstück. Pancakes. Frisch gerösteter Kaffee. Egal ob man einen frischen Saft oder Smoothie, frisches Obst oder ganz Klassisches bevorzugt, jeder wird fündig.
Durch schmale Straßenzüge kann man die Spitze der Insel umrunden und sich langsam vom World Trade Center durch Soho Richtung Broadway aufmachen. Die Sonne steht schon ziemlich hoch, verschwindet aber Schritt für Schritt in den Häuserschluchten.
Aus kleinen, privaten Eckgeschäften mit Holzschildern über dem Türrahmen werden so langsam und stetig große Department Stores mit Leuchtreklame. Spätestens am Times Square, der einen Tag wie Nacht anstrahlt, weiß man wieder, in welcher Stadt man sich gerade befindet.
Die Frage, die mich bei jeder Tour beschäftigt: was sollen die Ampeln? Sie sind vermutlich nur ein leiser Hinweis, dass sich vielleicht aus irgendeiner Richtung ein Fahrzeug nähert. Man beäugt mich komisch, wenn ich tatsächlich stehen bleibe. Erst recht als Läufer.
Ich grase die Nebenstraßen ab, während es um mich herum hupt und quietscht. Mit zunehmender Stunde wird der Ton rauer, aber versinkt unter den noch lauteren Geräuschen der Hauptstraßen. Abgesperrte Fernsehstationen mit Schaulustigen verkünden, was der Tag noch bringen wird und für mich wird es Zeit, meine Laufschuhe für einige Stunden auszuziehen.