„Laufen. Essen. Schlafen.“ von Christine Thürmer

Von Sven Becker @theBackpackerde

Nordamerika ist für Langstreckenwanderer das Eldorado schlechthin. Gleich drei große Trails gibt es, die abwechslungsreicher nicht sein könnten: den Pacific Crest Trail (4.277 Kilometer), den Continental Divide Trail (4.900 Kilometer) und den Appalachian Trail (3.508 Kilometer). Wer alle drei geschafft hat darf sich nicht nur als wahrer Thruhiker bezeichnen sondern wird auch noch mit dem Triple Crown Award ausgezeichnet. Was allerdings bisher nur insgesamt 231 Wanderern vergönnt war! Christine Thürmer, Autorin von „Laufen. Essen. Schlafen.“, ist eine von Ihnen und hat darüber ein Buch geschrieben. Seit dem 1. April ist dieses im Handel erhältlich. Ich habe es gelesen und kann schon jetzt verraten: Das Buch hat ganz schön viele Kilometer in sich.

Die Aufstiegsroute auf der Südseite des Forester Pass ist Anfang Juni schon fast schneefrei.
© Christine Thürmer, Malik Verlag

Inhalt

Zwölf Stunden und mehr pro Tag arbeitet die Protagonistin als Managerin und Unternehmensberaterin in großen Firmen, als sie plötzlich gekündigt auf der Straße steht. Ihrem inneren Wunsch folgend, nimmt sie sich eine Auszeit von mehreren Monaten und beschließt den Pacific Crest Trail (PCT) zu wandern, einen mit über 4.000 Kilometern langen Weitwanderweg an der Westküste Nordamerikas. Sie informiert und berät sich, wird von Freunden und Familie skeptisch beäugt, bis sie sich schließlich mutlos am Anfang des PCT stehend wiederfindet und erste Freunde für den Weg gewinnt. Hier beginnt das Abenteuer, das 288 Seiten später mit der Erwanderung aller drei Trails Nordamerikas endet und mit dem Triple Crown Award, einer Auszeichnung die nur bekommt, wer die gesamten 12.685 Kilometer zurückgelegt hat, gekrönt wird. Bis dahin wird jedoch viel gekämpft, gefroren, mit sich gerungen, Bären und Klapperschlangen ausgewichen und Persönliches preisgegeben.

Wenn ich wüsste, dass ich in zehn Jahren sterben werde, was würde ich in der mir verbleibenden Zeit machen?

Der Pacific Crest Trail (PCT) bietet spektakuläre Szenerien.
© Christine Thürmer, Malik Verlag

Von der Hitze Mexikos bis in die schneereichen Regionen hoher Berge zieht es die Autorin mit ihrer Leichtwander-Ausrüstung immer tiefer in die Sucht nach Natur und Ursprünglichkeit. Ein kleiner Zwischenstopp in der alten Heimat und neuem Beruf kann aber nicht aufhalten, was tief bewegt. Zurück zieht es sie und den Leser gleichermaßen auf die anderen beiden Trails. Gemeinsam erliest und erwandert man sich Beeindruckendes und erfährt nicht nur Insiderwissen über die drei Trails sondern gleichermaßen über den Menschen dahinter, über Christine Thürmer. Und das ergreift bis zur letzten Seite…

Der flache Lake Aloha in der Desolation Wilderness in Kalifornien ist ein künstlich angelegter Stausee.
© Christine Thürmer, Malik Verlag

Meinung

War ich anfangs skeptisch, ob ein Buch über 12.000 Kilometer Wanderweg bewegen und mitreißen kann, konnte ich mich schon nach dem ersten Kapitel eines Besseren belehren lassen. Der Schreibstil ist flüssig und unterhaltsam, nie kommt Langeweile auf. Die Natur steht zwar nicht unbedingt im Vordergrund, dafür aber die Erfahrungen und Erlebnisse, vor allem jedoch das Innenleben der Autorin. Und das ist auch gut so! Was schon Hape Kerkeling in seinem Jakobsweg-Buch gut gelöst hat, wird hier ebenfalls sehr erfolgreich aufgegriffen: Portionsweise wandert der Leser gemeinsam mit der Autorin von Erlebnis zu Erlebnis und gewinnt im Laufe der Zeit einen immer stärkeren Einblick in ihre Gefühlswelt. Gerade der zweite Trail ist gespickt von Erkenntnissen und Einsichten, von Beziehungsmustern und ihren Folgen. Allzumenschliches tritt in den Vordergrund und vermittelt aufschlussreiche Zusammenhänge.

Anfang September vor dem Mount Rainier im Bundesstaat Washington, dem mit 4.392 Metern höchsten Berg des Kaskadengebirges.
© Christine Thürmer, Malik Verlag

Besonders die Vereinfachung der Trails auf Schlüsselmomente und Erlebnisse verhindert, dass jeder einzelne Kilometer im Buch zur Sprache gebracht und unnötig aufgebläht wird. So mag es zwar anfangs verwundern, dass man auch gern mal 400 Kilometer in der Abfolge springt, allerdings tut dies dem Buch sehr gut und gibt ihm dadurch die spritzige Dynamik, die es so kurzweilig macht.

Statt einfach die Risiken abzuwägen, dann eine Entscheidung zu fällen und diese konsequent umzusetzen, habe ich viel zu viel Zeit und Energie auf sinnloses Grübeln verschwendet.

Wen das Langstreckenfieber bis dato noch nicht gepackt hat, kann hier einen charmanten Vorgeschmack finden. Einzig die ständige Wiederholung von bereits Gelerntem (zum Beispiel was ein Thruhiker ist und welche Bedeutung die Hiker-Namen besitzen) nimmt für meinen Geschmack zu viel Platz im Lesefluss ein. Da steckt noch etwas viel Wiederholung drin. Aber so richtig schlimm ist das auch nicht. Kann man doch so das Buch auch gern mal mehrere Wochen aus der Hand legen und ist dennoch gleich wieder mittendrin.

Nach über fünf Monaten ist Christine Thürmer an der kanadischen Grenze angelangt.
© Christine Thürmer, Malik Verlag

Die Autorin

Christine Thürmer, Jahrgang 1967, arbeitete jahrelang sehr erfolgreich als Managerin bevor sie 2007 nach längerer Pause ihren Job endgültig aufgibt und sich fortan als Outdoor-Junkie die größten Wandergebiete weltweit erläuft. Ein Interview mit der Autorin ist zudem auf Spiegel Online zu lesen.

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Christine Thürmer „Laufen. Essen. Schlafen.“
288 Seiten | Malik | ISBN 978-3-89029-471-1
€ 16,99 [D] | € 17,50 [A]

Vielen Dank an den Piper Verlag für die Zur­ver­fü­gung­stel­lung des Rezensionsexemplars.

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