„Dort drüben holzen sie.“ Armin zeige durch das vergitterte Fenster auf den Waldrand hinter dem Ententeich. Der Lärm schwerer Maschinen übertönte alle anderen Geräusche.
Ich zuckte die Schultern. „Ist wohl die Jahreszeit dazu. Bei mir unten im Tal sind sie auch am Holz schlagen. „Woodex“, heißt die Firma übrigens. Da ist der Name Programm.“
Seit unserem letzten Gespräch und meinem darauf folgenden Traum waren bloß ein paar Tage vergangen. Eigentlich war ich hier um mehr über „die Fremden“ zu erfahren. Außerdem zog mich das Sanatorium magisch an, seit ich erfahren hatte, dass es auf der Grenze stand.
„Sie setzen schweres Gerät ein, sogenannte Holzvollernter, ist das nicht verrückt?“ Armin schien an dem Thema zu hängen.
„Wieso? Das ist doch eine Arbeitserleichterung. Wenn man denkt, wie mühsam unsere Väter Bäume fällen mussten.“
„Sie verbrauchen dazu fossilen Treibstoff. Bis die Pellets beim Kunden in der Heizung landen, übersteigt vermutlich die graue Energie , die dem Holz anhaftet, seinen Brennwert. Außerdem werden der Waldboden und die Wurzeln zerstört.“
„Ich weiß, Armin, aber wir beide wissen auch, dass dieses Maschinen eines Tages wieder verschwinden werden. Ich bin heute gekommen um mit dir über andere Dinge zu sprechen.“
„Ja, sie werden verschwinden, wenn der letzte Wald abgeholzt ist.“ Armin ließ nicht los. „Weißt du, dass meine Großeltern noch auf laubgefüllten Kissen geschlafen haben. Was hast du heutzutage in deinem Kissen?“
„Vermutlich Entendaunen.“
Armin trat zu seinem Bett und zog das Kissen hervor. Er schüttelte es vor meinen Augen. „In meinem steckt Erdöl in Form von Kunststoffkringeln. Weißt du, welche Blätter sich für laubgefüllte Kissen eignen?“
„Armin, ich möchte nicht…“
„Nein, du weißt es nicht. Aber deine Großeltern wussten es noch. Dieses Knowhow ist verloren gegangen, wie vieles andere auch. Und was wissen wir dafür heute?“ Er redete sich in Rage.
„Zum Beispiel wie man ein Handy baut“, antwortete ich aufs Geratewohl.
„Genau! In Indien haben sie mehr Handys als Toiletten. Die einfachen Menschen dort haben kein fließendes Wasser, keine Kanalisation, aber dafür ein Handy. Sag mir jetzt nicht, die Welt sei nicht verrückt!“
„Sie ist es, Armin, sie ist es. Aber ich bin wegen etwas anderem gekommen. Wo finde ich die Fremden unter uns?“
Armin schüttelte den Kopf und schaute mich ungläubig an. „Das weißt du nicht? Folge deine Träumen. Aber sei vorsichtig.“
„Vermutlich bin ich ihnen schon im Traum begegnet. Aber meine Erinnerungen daran wurden gelöscht.“
„Das Pendel des Vergessens, ich weiß.“
„Du bist ihnen auch begegnet?“, staunte ich.
„Ja, sie kontrollieren die Grenze.“
„Dann sind sie auch hier im Sanatorium?“
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Ein Weißkittel kam ins Zimmer. „Sie haben ihre Medikamente vergessen.“ Er legte eine Schachtel Pillen auf den Tisch. Dann verschwand er wieder. Kein Gruß, gar nichts. Ich schien für ihn Luft zu sein.
Armin lächelte. „Es sind blaue Pillen. Solange ich sie nicht schlucke, sehe ich die Welt wie sie ist.“
Verrückt, einfach verrückt. Euer Traumperlentaucher.