Lasst die Mörder meines Mannes nicht frei!

Liest man diesen Satz, den die Witwe Schleyer mal als Appell an die Öffentlichkeit richtete, vielleicht auch in vielen Jahren von den Kindern der NSU-Opfer?
Wie ernst es diesem Lande mit der Aufarbeitung des rechten Terrors ist, wird man erst in vielen Jahren bewerten können. Sollten da noch die Angehörigen der Opfer ihre Geschichte erzählen dürfen, wie es heute noch im regelmäßigem Turnus die Angehörigen der RAF-Opfer tun, dann kann man von gewahrtem Andenken sprechen.

Lasst die Mörder meines Mannes nicht frei!

Bildzeitung vom 30. Januar 2033?

Die Bubacks erzählen uns nun schon seit Jahrzehnten, wie es ist, eine Familie zu sein, die ein Familienmitglied durch einen politisch motivierten Mord verloren hat. Mit den Bubacks geht das zeitungslesende Volk dieses Landes regelmäßig auf die Jagd nach dem Mörder. Die Schleyers gelten in bestimmten Teilen des deutschen Journalismus ohnehin als Opferfamilie. Neulich erst fragte man einen Sohn der Familie, was er von der "umstrittenen RAF-Ausstellung" halte und wie es wohl sei, den Mord an seinem Vater nochmals sehen zu müssen. Man ist einfühlsam und sorgt sich noch immer um posttraumatische Folgen. Terroropfer bleiben nicht alleine.
Im Archiv der Onlineausgabe der Frankfurter Allgemeine finden sich 169 Einträge zwischen 1997 und 2012, die sich mit Buback befassen. Zu Schleyer sind es sogar 263, die zwischen 1996 und 2013 angesiedelt sind. Focus Online kennt 529 Artikel mit dem Namen Buback und 634 mit dem Namen Schleyer. Bei Bild.de finden sich 222 Artikel zu Buback und 207 zu Schleyer. Darunter finden sich Titel wie "Schleyers Söhne verzeihen Schmidt", "Die Kinder der RAF-Opfer klagen an" oder "Bubacks Sohn schreibt an seinen toten Vater".
Wenn wir im Jahr 2043 noch immer über die Sorgen und Nöte der Hinterbliebenen der NSU-Ermordeten lesen können, dann hat die Aufarbeitung erst geklappt. Wenn uns die Empörung der in die Jahre gekommenen Kinder der Opfer in publizierter Form begleitet, weil Wohlleben und Zschäpe (beide mittlerweile 68 Jahre alt) Gnadengesuche aus ihrer Sicherheitsverwahrung heraus an den Bundespräsidenten Mißfelder richteten, dann ist es diesem Land erst gelungen, die Erinnerung wachzuhalten.
Als sich der Brandanschlag in Solingen neulich jährte, rückte man die Familie der Opfer kurz in den Mittelpunkt. Man lobte sie, weil sie es geschafft hatten, dass sich ihr Opferstatus verflüchtigte. Das hat man den Schleyers oder Bubacks nie empfohlen. Wird man das den noch lebenden Opfern der NSU auch irgendwann empfehlen wollen? Man konnte die Geschichte der Schleyers gar nicht oft genug hören, die Frage der Bubacks, wer nun genau ihr Familienoberhaupt ermordet hat, nicht ausreichend genug thematisieren. Erleben wir das in Zukunft ähnlich mit anderen Namen und unter anderen Vorzeichen?
Das was im Rahmen des NSU-Prozesses an "Aufarbeitung" geschieht ist noch Tagesgeschäft. Wenn man noch in Jahren immer wieder darüber berichtet, dann geht das Tagesgeschäft in Aufarbeitung über. Sollte es noch in Jahren die Frage, wer genau dieses oder jenes Opfer erschossen hat, ins Agenda Setting schaffen, so kann man von Aufrichtigkeit sprechen. Mal sehen, ob die Yozgats oder Taşköprüs irgendwann die Schleyers oder Bubacks oder Pontos der Zukunft sein werden.
Bis dorthin ist es noch ein langer Weg. Die Presse, die nun das Geschehen rund um den NSU-Prozess verfolgt, um Schadensbegrenzung zu üben, nicht schon vorher erkannt zu haben, was da in Deutschland geschah, braucht sich im Moment nichts einbilden. Sie arbeitet nichts auf, sie rennt nur den eigenen Ansprüchen hinterher. Sprechen wir mal 2023 und 2033 darüber - und danach mal sehen, wer sich 2043 noch an die NSU erinnern kann und falls ja, wie man sich ihrer erinnert.

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