In diesem Gastbeitrag berichtet Nico davon, wie er sich auf seine Langzeitreise mit offenem Ende vorbereitet hat. In seinem Erfahrungsbericht erfährst du aus erster Hand, was du bezüglich Versicherungen und Verträgen beachten musst und wie du etwas tricksen kannst.
Selbst habe ich im Blog schon des öfteren über die Ausreise aus Deutschland und den bürokratischen Hürden, die es dabei zu meistern gilt, geschrieben. Nun gibt es zwei Probleme damit: die Rechtsgrundlagen verändern sich mit der Zeit und es gibt einige Grauzonen bzw. Gesetzeslücken, die zu verschiedenen Erfahrungen mit Meldebehörden, Finanzämtern oder Versicherungsträgern führen können.
Aus diesem Grund bin ich froh, dass Nico von Travelinmyway.org seine Erfahrungen mit den Vorbereitungen für eine Langzeitreise für uns niedergeschrieben hat. In den letzten Monaten hat er organisiert, abgemeldet und gekündigt. Aus seinem Bericht kannst du ganz sicher noch den ein oder anderen neuen Trick mitnehmen.
Also, Vorhang auf für Nico!
Ich hatte mir vorgenommen, eine Reise nach Kapstadt von München aus zu machen, ohne Flugzeug. Da ich in Südafrika geboren bin und leider seit meiner Geburt keine Gelegenheit mehr hatte, dort wieder hinzureisen, war dies schon ein sehr langer Traum für mich.
Nun war ich endlich soweit, dass ich es mir ermöglichen konnte und ich entschied direkt eine längere Reise daraus zu machen, ca. ein Jahr mit offenem Ende. Das bedeutet, ich will eigentlich nicht wirklich zurück nach Deutschland, sondern würde mir gerne in Südafrika oder irgendwo anders was aufbauen. Eventuell ein Online Business, eine Schreibertätigkeit oder als Segelskipper – so dass ich in Zukunft ortsunabhängig arbeiten kann. Eine Langzeitreise also mit einem gewissen Aussteigerflair.
In meinem Kopf hat das Vorhaben ca. 18 Monate gereift, die praktische Vorbereitung hat gute 12 Monate vor der Reise begonnen. Hier möchte ich vor allem über die praktischen Dinge sprechen – aas habe ich mit der Wohnung gemacht, was mit den Verträgen und welche Behördengänge usw.? – um dir, falls du auch mit dem Gedanken spielst eine solche Langzeitreise zu machen, einen Überblick zu geben.
Versorgungsträger in Deutschland kündigen
Da ich nicht wirklich mit einer Rückkehr plane, habe ich mich entschlossen in Deutschland alles zu kündigen. Den Job, die Mietwohnung und sämtliche Verträge. Das war auch gar nicht so schwer. Natürlich muss man die Fristen einhalten, aber einen Handyvertrag hatte ich sowieso keinen, sondern nur eine Prepaidkarte. Diese behalte ich auch im Ausland bzw. hole mir lokale Prepaidkarten in Ländern in denen ich Länger verweile. In Spanien z.B. kostet eine Simkarte mit 2GB Internetflat und einem Telefonguthaben von 4€ ganze 15€.
Internet hatte ich auch über einen monatlich kündbaren Tarif und habe diesen einfach fristgerecht aufgelöst. Strom und Heizung liefen über die Mietwohnung und wurden automatisch mit der Kündigung der Wohnung ca. 4 Monate vorher mitgekündigt.
Aus den Verträgen, wie Versicherungen und alles weitere mit Vertragslaufzeit kommt man eigentlich auch recht einfach und schnell raus. Wenn man ins Ausland zieht, gibt es fast bei jedem Vertrag ein Sonderkündigungsrecht. Hier habe ich wirklich jeden Vertragspartner angerufen und nachgefragt wie das in der jeweiligen Firma gehandhabt wird. Bei vielen konnte ich einfach mit einem Dreizeiler als Erklärung kündigen.
Manche aber haben einen Abmeldebescheid von der Stadt/Gemeinde verlangt. Hier musste ich nun etwas schummeln, da dies zeitlich etwas ungünstig vom Gesetzgeber her geregelt ist …
Der Trick bei der Abmeldung des Wohnsitzes
Wenn man in Deutschland umzieht, meldet man sich nicht ab, sondern nur um, das heißt wenn man seinen Wohnsitz neu anmeldet, wird damit automatisch der alte mit abgemeldet – dies wird Ummeldung genannt. Komplett abmelden kann man sich nur, wenn man in das Ausland zieht. Hier gibt es allerdings das Problem, dass man eine Nachfolgeadresse angeben muss. Nun ja, da ich also ein Jahr reise, gibt es keine direkte Nachfolgeadresse. Dies ist leider so in den Gesetzen so nicht vorgesehen.
Nach einem persönlichen Gespräch mit der Sachbearbeitung wurde mir gesagt, es reiche aus, wenn man eine Stadt und einen Staat angibt. Straße und Hausnummer werden nicht unbedingt verlangt.
O-Ton bei der Abmeldung im Meldeamt: „Ich muss hier was in das EDV Programm eingeben, das ist ein Pflichtfeld. Wenn ich dies leer lasse kann ich nicht auf weiter klicken – nennen Sie mir doch einfach eine Stadt in die sie eventuell ziehen.“
Ich habe Kapstadt angegeben. Damit war die Abmeldung sofort möglich und ich musste auch keinen Nachweis dafür erbringen. Jetzt kommt mein nicht ganz legaler Trick: Man darf sich erst abmelden wenn man aus der Wohnung wirklich raus ist, bzw. erst am Tag danach. Die Abmeldung muss in den ersten drei Wochen nach dem Auszug erfolgen.
Da ich aber direkt nach dem Auszug los wollte (ist ja logisch, wo sollte ich denn sonst wohnen?) und manche Verträge drei Monate vorher kündigen musste, habe ich mich vier Monate vor dem Auszug abgemeldet und mit der Bestätigung ganz in Ruhe meine Verträge aufgelöst. Problemlos! Ganz legal ist dieses Vorgehen allerdings nicht und aus diesem Grund darf ich es nicht empfehlen, aber vermutlich machen es viele in ähnlicher Situation genauso.
Einen Fehler habe ich hier jedoch gemacht: Als Langzeitreisender kann man sich einen Reisepass mit mehr Seiten besorgen, für die vielen Stempel und Visa. Diesen wollte ich unbedingt machen, allerdings ging es nicht mehr, nachdem ich ja offiziell in Deutschland abgemeldet war – logisch. Ich solle doch zur deutschen Botschaft in Südafrika gehen. Dies würde ich beim nächsten Mal noch bedenken.
Abmeldung bei der Agentur für Arbeit
Nach der Kündigung meines Angestelltenverhältnisses habe ich mich direkt bei der Agentur für Arbeit gemeldet und dies angezeigt. Somit wäre ich normal über die Agentur weiter versichert gewesen. Im selben Zuge habe ich mich allerdings nur arbeitslos, nicht aber arbeitssuchend gemeldet.
Dies hatte den Hintergrund, dass ich dem Arbeitsmarkt ja nicht weiter aktiv zur Verfügung stehe und somit auch kein Anrecht auf Arbeitslosengeld und Versicherungen habe. Dies hat man nur wenn man dem Arbeitsmarkt auch zur Verfügung steht.
Somit bekomme ich keine Leistungen und auch meine Versicherungen werden natürlich nicht übernommen. Das hat aber den Vorteil, dass mein Anspruch auf das Arbeitslosengeld für drei Jahre bestehen bleibt, was heißt: wenn ich in zwei ein halb Jahren zurückkomme, stehen mir noch volle 12 Monate Arbeitslosengeld zu. Ansonsten erlischt der Anspruch nach 12 Monaten und man hat nur noch Anspruch auf Arbeitslosengeld II.
Krankenversicherung – Anwartschaft oder nicht?
Nachdem ich bei der Krankenversicherung nachgefragt hatte, hieß es, ich könne eine Anwartschaft beantragen, das heißt die KV ist nicht gekündigt, sondern nur stillgelegt. Vorteil, man ist sofort wieder versichert, sobald man zurück in Deutschland ist. Allerdings kostet diese Anwartschaft etwas.
Ich habe mich dazu entschlossen, die Anwartschaft nicht zu machen und mir das Geld zu sparen. Meine gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland habe ich nach der Meldung bei der Arbeitsagentur zusätzlich gekündigt, mit deren Bestätigung. Für den Ernstfall bin ich trotzdem abgesichert.
Wenn ich nach Deutschland zurückkomme, muss ich nur zur Agentur für Arbeit und mich wieder anmelden, damit wird auch automatisch meine Krankenversicherung wieder übernommen und ich bin wieder voll versichert.
Für den Ernstfall, dass ich mich bei der Rückkehr nicht mehr anmelden kann, da ich eventuell bewusstlos, oder nicht mehr ansprechbar bin, habe ich bei meinen Eltern eine Vollmacht hinterlegt, dass diese mich zur Not am Tag meiner Rückkehr anmelden können und somit Krankenhauskosten auch gleich vom ersten Tag an übernommen werden.
Reisekranken-, Haftpflicht- und Unfallversicherung für die Reise
Für meine Reise habe ich mich nach einer Langzeitreiseversicherung umgeschaut, hier gibt es mittlerweile ganz attraktive Angebote, wie das der Hanse Merkur – 12 Monate, alle Länder weltweit, außer USA und Kanada. Die Abdeckung ist gleichwertig bzw. sogar in manchen Bereichen geringfügig besser als bei der Gesetzlichen in Deutschland.
Zudem habe ich eine internationale Haftpflichtversicherung mit unbegrenzter Deckung und eine private Unfallversicherung, welche auch weltweit Gültigkeit hat. Meine private Krankenzusatzversicherung wurde mit Abmeldebescheinigung gekündigt. Leider habe ich hier nichts für Reisende gefunden.
Bankkonten und Karten
Ich habe noch zwei Tagesgeldkonten, ein kostenfreies Girokonto mit Kreditkarte, womit weltweit ohne Gebühren an allen Automaten abheben kann von der Fidor Bank München und zwei weitere Prepaid Kreditkarten, eine Visa und eine Master Card.
Prepaid vor allem, da man nicht ins Minus gehen kann. Somit habe ich die volle Kostenkontrolle und wenn ich sie verliere, oder sie gestohlen wird, kann nur das Guthaben verloren werden. Bei mir, sind das pro Karte meist nur 100 – 150 Euro und um die 300 – 500 Euro auf meinem Guthaben basierenden Girokonto.
Sollte ich mal einen größeren Betrag benötigen, dauert die Überweisung vom Tagesgeldkonto 1 – 2 Tage. Ansonsten kommt an dieses Geld so schnell keiner rann und ich bin vor mir selbst sicher, nicht leichtfertig Geld hinauszuwerfen.
Wohnung aufgeben und Sachen einlagern
Ich hatte eine Mietwohnung und habe diese einfach gekündigt. Meine ganzen Sachen habe ich zum Großteil verschenkt und verkauft, einen ganz kleinen Teil (ca. 4 Umzugskartons mit persönlichen Erinnerungen, Klamotten und Büchern von denen ich mich nicht trennen wollte), wurden bei meinen Eltern eingelagert. Bei Freunden wäre alternativ auch möglich gewesen.
Heute besitze ich noch zwei Rücksäcke, einen zum Reisen, einen zum Segeln und natürlich die vier Kisten. Alles andere habe ich weggegeben. Es ist anfangs ein komisches Gefühl, aber nach einer Zeit fühlt es sich befreiend an, nur wenig zu besitzen.
Im Kontakt bleiben
Anrufe: Ich habe nach wie vor eine deutsche Handynummer, allerdings mit Ansage auf meiner Mobilbox, dass ich telefonisch schwer erreichbar bin und man sich bitte in dringenden Fällen per Mail an mich wenden sollte.
Post: Hier habe ich überall eine deutsche Korrespondenzadresse angegeben. Dies war in meinem Fall die Adresse meiner Eltern, welche für mich die Post öffnen, einscannen und mir per Mail schicken, damit ich keine Fristen usw. verpasse. Alternativ gibt es auch Firmen, die sowas übernehmen.
Und dann beginnt das neue Leben …
Es war nicht leicht am Ende. Verabschiedung von den sehr geschätzten Kollegen und auch von Familie und Freunden ist mir viel schwerer gefallen als angenommen. Davor hat mich niemand gewarnt und ich habe dieses Prozedere total unterschätzt. Es hat mich sehr mitgenommen. Job und Wohnung waren zum selben Tag gekündigt und da ich noch Resturlaub hatte konnte ich die letzten zwei Wochen mit Wohnung renovieren, Sperrmüll organisieren und letzten Erledigungen und Verabschiedungen verbringen.
Danach kam der Flug in das neue Leben und dort hat es mich erst mal komplett erwischt. Die scheinbare Sicherheit, die ich in Deutschland aufgegeben habe, hatte doch ein Loch in mein Leben gerissen. Es ist nicht so einfach aus so einem Leben auszusteigen.
Ich habe mich in ein Hostelzimmer verkrochen, für fast eine Woche und bin nur zum Essen und für Besorgungen nach draußen gegangen, eventuell mal ein Spaziergang. Ich war richtig depressiv. Nach einer Weile hat sich das aber gelegt und nach ein paar Wochen erkannte ich die Freiheit, die dieses Loch neu Füllte – mein Grinsen wurde von Tag zu Tag grösser. Es ist ein komisches Gefühl, die Wohnung ein letztes Mal abzuschließen und den Schlüssel weg zu geben. Kein eigener, privater Rückzugsort mehr.
Obwohl ich reichlich abgesichert war, spürte ich das Gefühl der Angst und Panik über den scheinbaren Verlust der Sicherheit doch sehr stark. Es dauert eine Weile, bis man sich daran gewöhnt, aber dann geht es steil bergauf und man erkennt die Freiheit, welche man gewonnen hat.
Jeden Tag selbst entscheiden, wie es weiter geht, worauf man Lust hat. Die vielen Menschen die ich danach in kürzester Zeit traf, die tollen Situationen in die ich täglich geriet und alles was ich in kurzer Zeit erlebte und lernte, machten den Verlust hundert mal weg. Diese Erfahrungen sind mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen – die Freiheit ist unbezahlbar.
Über den Autor:
Als gebürtiger Südafrikaner reist Nico derzeit von München nach Kapstadt. Geplant ist das als einjährige Reise, auf der das Flugzeug als Transportmittel keine Option ist. Über seine “Reise auf Abwegen” berichtet Nico in seinem Blog Travelingmyway.org.