Depeche Mode „Remixes 2: 81-11“ (Mute)
Die Verdienste von Depeche Mode um die Remixkultur sind nicht nur an dieser Stelle schon zu Recht ausgiebig gewürdigt worden, Mitte der 80er waren sie zweifellos das, was man die Speerspitze der Bewegung nennt. Das waren die Zeiten, wo nicht der Name des jeweiligen DJs den größten Platz einnahm, sondern der Track selbst im Vordergrund stand, wo noch „maxi“ auf dem Vinyl stand und Begriffe wie Refix, Dub oder Vocal Edit eher selten zu hören waren. Der eingefleischte Fan brauchte auch keine zusätzliche Hilfe, um unter dem Label „Highland-“, „Slavery Whip-“, „Shizo-„ oder „Metal-Mix“ den passenden Song zu verorten – mit Efdemin, Darren Price, Mark Saunders oder Eric Prydz sollte ihm das heute deutlich schwerer fallen. Zur Genüge gehört und dennoch nicht falsch: Mit dem House ging‘s bergab, zu viele DJs erwiesen sich als die Totengräber der Remixkultur und Depeche Mode selbst gruben fleißig mit.
Das Maxi-Boxset gegen die Remixalben zu stellen ist deshalb mehr als ernüchternd: Hier zumeist kreative Ideen, die dem Song eine neue, überraschende Seite abgewinnen konnten, die ihn auseinandernahmen und auf verblüffende Weise wieder zusammensetzten – da die größtenteils einfallslose Verlängerung um ihrer selbst Willen, die bloße Aneinanderreihung von sattsam bekannten Versatzstücken. All das unterliegt dem Irrtum, dass ein überarbeitetes Stück grundsätzlich dem Diktat der Tanzbarkeit gehorchen muss, also mit einem ohrenbetäubenden und monotonen Wummern unterlegt gehört – an den Song an sich traut sich kaum jemand mehr heran, Tempovariationen, Stilbrüche, Fehlanzeige.
Auch die zweite Remix-Compilation der Engländer macht da leider keine Ausnahme. Die Deluxe-Version, unnötigerweise gestreckt auf drei CDs, versammelt auf den ersten beiden mehr oder weniger oft gehörtes Material mit weniger Licht und viel Schatten. Die Höhepunkte sind also schnell aufgezählt: Die Überarbeitung von „Suffer Well“ durch M83 gehört ebenso dazu wie die U.N.K.L.E.-Reconstruction von „John The Revelator“ – auch der SixToes-Remix der eigentlich recht schwachen SOTU-Nummer „Peace“ gefällt nach wie vor in seiner orchestralen Variation. Trentemollers „Wrong“ kann als gutes Beispiel für gefälligen Dancepop herhalten, „Fragile Tension“ von Peter, Bjorn & John beweist, dass Kürze einer guten Idee nicht im Wege stehen muss, Monolake’s „The Darkest Star“ refragmentiert das Original gekonnt. Eine Wohltat ist, trotz aller abgedrehten Loops, das älteste Stück (1985) der Sammlung – der „Death Mix“ von „Fly On The Windscreen“ gilt nicht zu Unrecht selbst schon fast als Klassiker. Als letztes auf der Habenseite dann natürlich die feine, komplett entschleunigte TripHop-Adaption der Zwischensingle „Only When I Loose Myself“ von Dan The Automator – der Japaner Nakamura bringt fette Beats und zartes Piano stilsicher in knappen fünf Minuten unter.
Die dritte Plastikscheibe bleibt aktuellen Bearbeitungen vorbehalten und enttäuscht, man muss es leider sagen, fast auf der ganzen Linie. Prydz‘ „Never Let Me Down Again“ funktioniert vielleicht früh um drei zugedröhnt unter der Spiegelkugel, auch Band-Ex Vince Clarke bekommt nicht mehr als eine spannungsarme Diskonummer aus „Behind The Wheel“ zustande. „Leave In Silence“ von Claro Intelecto ist mehr als ärgerlich, die Originalspur läuft ohne Anknüpfungspunkte unter dem Soundbrei davon, Alan Wilder wiederum enttäuscht beim widerborstigen „In Chains“ in seiner Rolle als lang ersehnter Heilsbringer und beim arg verkitschten „When The Body Speaks“ (Karlsson & Winberg) erwartet man, dass im nächsten Moment Ponyhofbarbie um die Ecke gesprungen kommt. Röyksopp geben sich für „Puppets“ wenigstens alle Mühe, dem Song etwas Neues und Ungehörtes abzuringen, das schaffen Karlsson & Winberg mit ihrem zweiten Versuch „Tora! Tora! Tora!“ dann auch – völlig verrückt und deshalb charmant. Ganz und gar lässig ist dann gegen Ende der „Medway-Smith-Remix“ von „Personal Jesus“ geraten, da wird es plötzlich ganz sonnig und der Soulboy schiggert mit breitem Lächeln vorbei. Nur ein schwacher Trost allerdings für ein überwiegend fades Album – nicht unbedingt für die Tonne, aber beileibe auch nichts für den Altar.
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