Langeweile

Ein Blick auf das Lebensgefühl unserer Zeitgenossen macht eines klar: Die Langeweile nimmt in erschreckendem Ausmaß zu. „Mir ist fad“, ist geradezu zum Lebensgefühl vieler Menschen geworden. „Events“, „Feste“, clubbings, shows, action, matches u. andere Spektakel, inklusive der unfaßbaren Verschwendung von Lebenszeit durch das Fernsehen bezeugen den Status des gegenwärtigen Menschen als eines sich langweiligenden Wesens, als eines Wesens, der ohne diese „Events“ ein unerträgliches Gefühl der Lehre, einen horror vacui, erleiden müßte.  

In der klassischen Tugend- und Lasterlehre der Kirche ist die Langeweile in der „akedia“, dem „Überdruß“, enthalten, die siebte der sieben Hauptsünden. Sie ist eine Geistesverfassung, die den von ihr Befallenen hindert, Glanz, Sinn und Wert in den Dingen und Ereignissen, vor allem aber in den geistlichen Dingen, ja in Gott wahrzunehmen.

Wie kommt es nur, daß heute so viel Leere und Überdruß herrschen, daß es eine eigene Freizeit-Industrie braucht, um die Menschen zu beschäftigen?

 Wie kommt es, daß so viele Menschen so viel Zeit mit sinnlosen Dingen, halb-falschen Informationen und nichtigen Bildern zubringen? Daß Kinder und Jugendliche Jahre ihres Lebens mit unproduktiver bzw. nicht-persönlichkeitsformender Tätigkeit verlieren? Daß auch erwachsene, ja ältere Menschen sinnlose Stunden pro Tag in freiwillig vollzogener Gehirnwäsche (TV) zubringen?

Eine erste Antwort darauf ist der fast völlige Verlust des Wissens um das ewig Gültige, der Verlust des Bewußtseins eines zukünftigen Gerichts, der Verlust des Sündenbewußtseins in unserem Kulturkreis. Wenn alles erlaubt ist, ist alles gleich gültig,  somit gleichgültig, somit grenzenlos öde. Nichts hat mehr Wert und Bedeutung.  Nichts kann nützen, nichts kann schaden, wir kommen alle, alle in den Himmel. Damit können wir tun und lassen, was wir wollen – und viele tun es auch. Tu, was du willst, sagt ein infamer okkulter Schriftsteller. Er sagt aber nicht, was wir wollen sollen, wenn wir nicht umsonst gelebt haben wollen.

Eine zweite Antwort ist aber – und hier ist ein politischer Blog gefragt -  daß dieser gerade genannte Verlust des Wissens um absolut Gutes und Böses, um Tugend und Sünde, kein Zufall ist. Es gibt kein Naturgesetz oder kein Geschichtsgesetz, wonach seit einigen Jahrzehnten die Langeweile als Lebensgefühl in westlichen Kulturen (und anderswo) ausbrechen mußte.

Nein, für skrupellose Machthaber war die Erzeugung von metaphysischer Tristesse immer ein gutes Mittel, um bei ihren Untertanen Offenheit für regierungskonforme und regierungsgesteuerte Vergnügungen zu erzeugen. Langeweile und Überdruß im Volk schreien nach Abhilfe – nach den circenses der Machthaber, die hier auch ihre inhaltlichen Botschaften senden können. Es ist heute nicht grundsätzlich anders als im späten Rom: Regierungen, auch Stadtregierungen, werden zu Alleinunterhaltern bzw. sie kontrollieren die Unterhaltung. Staatskünstler, auch Kabarettisten, die den Machthabern nicht wirklich weh tun, haben daher einen einträglichen Job.

Vor allem müssen skrupellose Machthaber danach trachten, daß die Menschen nicht Dinge von Sinn und Wert finden, die von den Machthabern selbst nicht kontrollierbar sind.  Darum sind Christen, die Sinn und Glanz im geistlichen Leben, in Bibel und Kirche, in Liturgie und Diakonie finden, für illegtime politische Systeme aller Zeiten eine große Gefahr. In diesem Sinne ist der christliche Glaube zutiefst subversiv, er richtet sich einerseits gegen die Langeweile einer rein diesseitigen Welt, andererseits gegen Versuche, diese Langeweile auf illegitime Weise zu beheben.

Und im übrigen wissen auch Machthaber, wie subversiv gesellige Unterhaltung im Freundeskreis und private kulturelle Vergnügungen sind. Sie sind so schwer kontrollier- und manipulierbar.  

Somit lautet die – erwartbare – Schlußfolgerung: Ja zu gediegener Unterhaltung, ja zu Kunst und Literatur – aber im Wissen, daß die Sehnsucht des Menschen erst in Gott Erfüllung findet. Nein zu sinnlosen Spektakeln und deren politischem Mißbrauch. Ja zur Askese, die die Seele für „das eine, das nottut“, vorbereitet und jedem Überdruß die Spitze abbricht.


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