Shia LaBeouf (rechts) mit Evan Rachel Wood (links) in Lang lebe Charlie Countryman
War es der notwendige Schritt des bisherigen Transformers Franchise-Darstellers Shia LaBeouf, der nach einer Plagiatsmisere seinen Abschied aus der Öffentlichkeit ankündigte? Im Dezember letzten Jahres kam heraus, dass sein Kurzfilm HowardCantour.com auf dem 2007er Comic Justin M. Damiano von Daniel Clowes beruht, nur wollte LaBeouf hierauf offenbar nicht hinweisen. Nicht genug der mangelnden künstlerischen Glaubwürdigkeit, kam dann auch noch heraus, dass die folgenden Entschuldigungen ebenfalls schlicht aus dem Internet kopiert wurden. Shia LaBeouf kündigte via Twitter seinen Rückzug aus dem öffentlichen Leben an – was auch immer das heißen mag. The Necessary Death of Shia LaBeouf könnte man hier anbringen, frei nach Regisseur Frederik Bonds gleichnamigen Film, nur eben ohne LaBeouf im Titel, sondern einem gewissen Charlie Countryman, immerhin von LaBeouf gespielt. Der Film lief im vergangenen Jahr im Wettbewerb der Berlinale, hat es nie in die deutschen Kinos geschafft und erscheint unter dem unlogisch-verdrehten Titel Lang lebe Charlie Countryman nun für den Heimvideomarkt.
Der deutsche Titel mag in die Irre führen. Denn schon während der Filmeröffnung sehen wir Shia LaBeouf kopfüber hängend, sein Kontrahent, ein Verbrecherboss von Mads Mikkelsen gespielt, richtet eine Waffe auf den armen Kerl, reicht sie weiter an seine angetraute Herzensdame (Evan Rachel Wood), die sehr zu Charlies bedauern – da er selbst zuvor noch mit ihr anbandeln wollte – die Waffe abfeuert und damit Charlie Countrymans necessary death schon zum Filmbeginn vollführt. Es ist ein kurzer Prolog der uns Rätsel aufgeben soll. In klassischer Rückblende handelt Lang lebe Charlie Countryman nun davon, wie es zu diesem tragischen Todesfall kommen konnte. Nicht das “ob?” soll von Relevanz sein, sondern viel mehr das “warum?”.
Madds Mikkelsen
Der Film springt einige Tage zurück und wir sehen Charlie bei der Trauer über seine erst kürzlich verstorbene Mutter, die ihm jedoch aus dem Totenreich noch einmal erscheint, der er versprechen muss im rumänischen Bukarest sein Glück zu finden. Im Flugzeug folgt der nächste Todesfall. Sein Sitznachbar gibt den Geist auf. Charlie scheint verfolgt von Gevatter Tod. Besagter Flugzeugpassagier erwacht zumindest für Charlie aber noch einmal zum Leben, nur um ihn – ähnlich wie die eigene Mutter – auf eine Reise zu schicken. In diesem Fall geht es um eine Nachricht, die Charlie der Tochter des toten Sitznachbarn überbringen soll. Das ist Gabi, Evan Rachel Wood, die von ihrem psychopathischen Ex Nigel (Mikkelsen) verfolgt wird. Ab diesem Punkt läuft alles auf das unvermeintliche Ende hinaus. Charlie verliebt sich in Gabi, Gabi geht auf das Tête-à-Tête ein und Nigel sorgt für den necessary death of Charlie Countryman.
Inszeniert wurde das von Frederik Bond. Es ist seine erste Spielfilm-Regiearbeit, vorher waren da nur ein Musikvideo für Moby und der Kurzfilm The Mood. Wie ein modernes Märchen arbeitet er hier jetzt an diesem Langfilm, in dem John Hurt als Märchenonkel zwar nicht zu sehen ist, seine Stimme aber die einleitenden Worte parat hält, als wolle uns Bond in seine Welt ziehen mit dem klassischen “Es war einmal…”-Gedanken. Dann sind da noch die Geistererscheinungen, die Charlie seinen Weg weisen wollen, der nur leider dorthin führt, wo sie selbst verweilen – im Totenreich. Shia LaBeoauf wird durch ein Bukarest getrieben, dass hier wie ein Wunderland erscheint, in dem sich aber selbst Alice nicht zurecht finden würde. Auferstanden als neonbunte Drogenwelt mitsamt seinen skurril-merkwürdigen Bewohnern (Rupert Grint und James Buckley), spielt der Film die Verwechslungstortur Bukarest und Budapest ebenso aus, wie er mit immer neuen Wendungen aufwartet, um uns zu verwirren. Das ist nichts Gutes, wenn man als Zuschauer tatsächlich immer mehr die Orientierung verliert.
Til Schweiger als Auftragskiller
Was passiert zum Beispiel mit Charlies großartiger Fähigkeit mit Toten zu sprechen? Die hält ungefähr die ersten zehn Minuten des Films an, verschwindet, wird nicht einmal genauer erläutert. Vielleicht verliert sich Frederik Bond hier ein wenig zu sehr in einer wenig konsistenten Märchenwelt. Seine Begabung tauscht Charlie Countryman später lieber gegen bedingungslose Schwärmerei aus. Er läuft Gabi nur so hinterher, dieses taffe Girl mit den roten Haaren und markanten Lidstrich. Evan Rachel Wood mag ein Hingucker sein, doch ist sie ein wenig zu sehr auf cool getrimmt, sicher hätte es sogar die eine oder andere wirkliche Rumänin gegeben, die die Rolle der Punkerin Schrägstrich Cellistin hätte spielen können – dasselbe gilt natürlich für den Dänen Mads Mikkelsen und den Deutschen Til Schweiger, allesamt als Rumänen unterwegs.
Und ob Frederik Bond dann tatsächlich den Mut aufbringen kann, seinen Helden Charlie Countryman seinem Schicksal zu überlassen, ob der Tod von Charlie Countryman tatsächlich so necessary ist, wie der englische Originaltitel es beschwört oder ob die deutsche Übersetzung Lang lebe Charlie Countryman doch Recht behält und den Film in eine Happy End-Richtung führt, dass bleibt ziemlich lange offen. Vermutlich ebenso wie die Frage danach, wie lange sich Shia LaBeouf tatsächlich aus der Öffentlichkeit zurückziehen wird. Denn die Abstinenz im sozialen Netzwerk kommt ja heutzutage tatsächlich schon dem Tode nahe. Bei Leistungen wie dieser hier, wäre ein Rückzug aus allen öffentlichen und filmischen Belangen allerdings nur von Vorteil.
Lang lebe Charlie Countryman bei Koch Media