Landwirtschaft und ihre Folgen

Man darf nicht immer nur das Negative sehen: “Die rasant wachsende Weltbevölkerung, (…) Land- und Wasserknappheit – all das sind Punkte, die für überdurchschnittlich gute Perspektiven der Agrarwirtschaft sprechen.” Derart zitiert die junge Welt eine Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, die DWS Investments. Wer will da schon an die Brotrevolten denken, die vor wenigen Jahren zahlreiche Länder erschütterten, weil die Lebensmittelpreise dermaßen in die Höhe schossen, dass nicht nur die Ärmsten, sondern breite Bevölkerungsschichten sich ihre üblichen Mahlzeiten nicht mehr leisten konnten.

Märkischer Sand

Nicht Afrika, sondern Brandenburg: Biosprit ist allerdings auch hier ein Problem.


Von solchen Protesten ist derzeit nichts mehr zu hören, obwohl weiterhin mit Lebensmitteln spekuliert und viel Geld verdient wird. Auch hat sich der Trend, immer mehr Flächen mit Pflanzen für die Gewinnung von Agrarsprit zu nutzen, keineswegs umgekehrt. Die Mächtigen der Welt haben inzwischen aber gelernt, wie sich derartige Hungerrevolten besser unterdrücken lassen. Wer sich für die Hintergründe interessiert, sei auf den sehr ausführlichen Artikel Hunger und Verwüstung aus der jungen Welt vom 29. November 2012 verwiesen.

 

Ganz nebenbei: Die Wunderpflanze Jatropha, mit der die Spritprobleme der Welt gelöst werden sollten, hat sich als ganz gewöhnliches Gewächs entpuppt. Es ist zwar tatsächlich sehr anspruchslos, was Bodenqualität und Wasserbedarf angeht, liefert unter solchen Bedingungen aber auch nur wenige und wenig gehaltvolle Nüsse. Zahlreiche Projekte, die rund um den Jatropha-Anbau aufgelegt wurden, verschlangen eine Menge Geld und müssen nun mit größtenteils desaströsen Ergebnissen eingestellt werden.

In Ländern wie Äthiopien, Sudan und Mosambik etwa, in denen der Boden und das Klima für eine intensive Landwirtschaft nicht geeignet sind, und deshalb seit Ewigkeiten Nomaden riesige Landstriche extensiv für ihr Überleben nutzen, wurden Investoren im großen Stil Flächen zur Verfügung gestellt, um die Produktivität im Agrarbereich voran zu bringen. Für die Landbevölkerung eine mehrfache Katastrophe: Die Flächen, die sie seit Generationen als Weidegründe und zum Sammeln von PfLanzen und Feuerholz genutzt hatten, wurden an ausländische Investoren vergeben. Damit verloren sie ihre Existenzgrundlage. Aber die vielen neuen Arbeitsplätze, samt der dazugehörigen Infrastrukturprojekte, die man den lokalen Gemeinden versprochen hatte, kamen auch nicht.

Die ausländischen Experten hatten nämlich keine Ahnung, worauf sie sich eingelassen hatten: Kein Mensch kennt sich mit dem industriellen Jatropha-Anbau aus, weil diese Pflanze bisher noch nie industriell angebaut wurde. Für auf kurzfristige Rendite schielende Anleger dauern die vier bis fünf Jahre, die eine Brechnusspflanze braucht, um überhaupt Früchte zu tragen, viel zu lange. Hochertragssorten, deren Nüsse einen bis zu 50 Prozent höheren Ölanteil haben, gibt es bislang nur unter Idealbedingungen im Labor, auf den Farmen werden noch immer Samen von Wildpflanzen genutzt.

Zahlreichen Projekten ging inzwischen die Puste aus – zum Teil zogen sich die Investoren auch zurück, nachdem Umweltschützer und Menschenrechtler die Frage aufwarfen, ob es denn moralisch vertretbar sei, dass Ausländer ausgerechnet dort Energiepflanzen anbauen, wo die einheimische Bevölkerung nicht genug zu Essen hat. Doch genug zu essen haben die Leute deshalb noch lange nicht – Versuchsflächen mit Millionen von Jatropha-Bäumchen verkommen nun, ohne dass die Leute irgendeinen Nutzen davon haben.

Man muss aber nicht in die Ferne reisen, um die fatalen Auswirkungen des modernen Agrobusiness zu studieren: Probleme wie Landgrabbing und Verödung der Landschaft durch den Anbau von Energiepflanzen kennt man auch in Deutschland – insbesondere in den östlichen Anschlussgebieten.


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