Landtag, Bundestag, Antikriegstag, Alltag

Die Landtagswahl in Sachsen ist vorbei, sie hat keine Überraschungen gebracht. Die Medien wittern Probleme, um Geld zu machen, den Menschen aber ist die Sachsenwahl herzlich egal. Im Bundestag wird derweil fast routinemäßig eine Kriegswaffenlieferung an die Kurden im Irak genehmigt, deren Feinde man früher mit Kriegswaffen belieferte. – Ach so: Und heute ist Anti-Kriegstag.

 

In Sachsen wurde ein neuer Landtag gewählt. Dabei errang die sogenannte eurokritische Partei AfD aus dem Stand knapp 10 % der Stimmen. Der NPD fehlten 809 Stimmen zum Wiedereinzug in den Landtag, und die FDP blieb weit unter ihren Erwartungen und verliert nun ihre letzten Ministerposten auf Landesebene. All dies hört sich nach gewaltigen Umwälzungen an, ist aber lediglich ein Medienhype. Alle wussten, dass die AfD in den Landtag einziehen würde, denn bei denen, die sich noch zur Wahl schleppen, haben demokratiefeindliche und stammtischradikale Parteien die besten Karten. Einfache Lösungen für komplizierte Probleme, das wollen die Menschen hören und lesen. Ansonsten haben sie das Konzept Demokratie verlassen und sehnen sich 75 Jahre nach Beginn des zweiten Weltkrieges vermutlich wieder nach einem starken Mann, der den Anderen, den Bösen, wer auch immer das ist, mal wieder zeigt, wo es lang geht. Weniger als 50 % der Wahlberechtigten gingen zur Landtagswahl. Da kann Ministerpräsident Tillich noch so sehr von einem Wählerauftrag zur Regierungsbildung für seine CDU sprechen, es wird dadurch nicht wahrer. Knapp 20 % der Sachsen gaben ihr ihre Stimme. Gut: Die SPD wäre bei einer Anrechnung auch der Nichtwähler beinahe an der 5-%-Hürde gescheitert. Insofern sind die 809 Stimmen, die der NPD fehlten, gar nicht so wenige. Wie man es auch dreht und wendet: Nicht die Altparteien sind vom souveränen Wähler abgestraft worden, wie der AfD-Vorsitzende Lucke meint, sondern die parlamentarische, repräsentative Demokratie selbst, oder das, was aus ihr geworden ist. Den Strategen der Staatspartei CDU kommt das Ergebnis sicher recht, den meisten Anderen ist es vermutlich herzlich gleichgültig.

Ein Grund dafür ist wahrscheinlich, dass die Politik nur ihren eigenen Regeln folgt und sich nicht mehr von dem beeinflussen lässt, was im Volk vor sich geht. Sicher: Umfragen beeinflussen die Aussagen der Politiker, aber Umfragen sind oft gefälscht und manipuliert, wie große Radio- und Fernsehstationen kürzlich zugeben mussten. Die Politik wird also von sich selbst beeinflusst, und natürlich von weltweiten Zwängen, denen sie sich ausgeliefert glaubt. Da haben es Parteien wie die AfD leicht, die die Lockerung dieser Zwänge und die Konzentration auf nationale Aufgaben und nationale Souveränität fordern. Währenddessen gehorchen die etablierten Parteien stur den Gesetzen des Machterhalts und der internationalen Lage, die sie selbst herbeigeführt haben. Am Tag nach der Sachsenwahl, die eine rechtsextreme Partei in den Landtag brachte und eine weitere rechtsradikale Partei nur knapp aus dem Parlament verwies, stimt der Bundestag über Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak ab. Diese Kurden im Nordirak sollen sich mit diesen Waffen gegen die sogenannte Terrorgruppe Islamischer Staat verteidigen, die ihre Waffen vermutlich größtenteils von Saudi Arabien erhielt, das unter Anderem von Deutschland mit Waffen beliefert wird. Jene Deutschen, deren Bildung noch ausreicht, diese Zusammenhänge zu verstehen, erkennen in diesem Bundestagsbeschluss die systematische Anheizung regionaler Konflikte, die wiederum der deutschen Rüstungswirtschaft nützt. Und natürlich spielt auch die Angst vor islamischem Fundamentalismus eine Rolle, den man mit militärischer Gewalt unterdrücken will, was nirgendwo auf der Welt funktioniert. Aber wer versteht noch diese Zusammenhänge in einem Land, dessen Bildung im geisteswissenschaftlichen Bereich mittlerweile ein erschreckend niedriges Niveau erreicht hat, weil die Förderung für alles, was den aufmüpfigen Geist stärken könnte, massiv zurückgefahren wurde?

Wäre die Bildung und die politische Aufmerksamkeit der Bürger noch so hoch wie vor 30 oder 40 Jahren, dann hätte heute kein Bundestagsbeschluss über Waffenlieferungen in Krisengebiete stattgefunden. Hunderttausende wären auf die Straße gegangen, um das zu verhindern. Zu frisch wäre in ihren Köpfen die Erinnerung an den zweiten Weltkrieg gewesen, mit dem heute vor 75 Jahren das entsetzliche Morden begann, das vor allem deutsche Waffen überall in der Welt anrichteten. Aber wen kümmert das in einer Zeit, in der jede Kritik, jede andere Meinung als linksradikal verschrien ist?

Nein: Die Sachsenwahl hat nichts verändert. Das Getriebe läuft weiter, ganz gleich, wer mit wem koaliert. Wir befinden uns weiter im ganz normalen Alltag eines Landes, das auf den Stand eines demokratietechnischen Entwicklungslandes abgesunken ist. Aber auch das sage ich nicht zum ersten mal. Also: Alles beim Alten, wir können ruhig weiterschlafen.


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