Landesmuseum Hannover: Im Reich der Tiere, noch bis 12. August 2012

Von Helge

Landesmuseum Hannover: Im Reich der Tiere, noch bis 12. August 2012

"Im Reich der Tiere" zeigt das Niedersächsische Landesmuseum nur noch wenige Wochen - es lohnt aber, die Ausstellung noch in Ruhe anzuschauen!

Die Idee jedenfalls ist hervorragend: in einem Landesmuseum mit der ganzen Bandbreite der Sammelgebiete eine Auswahl zu zeigen, die (Bildende) Kunst und Natur verbindet.

Nach dem Rundgang hat man leicht das Gefühl, mehrfach in einen Spiegel geschaut zu haben. Einen Spiegel, der zum Erkennen führen kann und zum Befremden, zum Erinnern und Entdecken. Der Mensch hat immer schon auf verschiedenste Weise die Nähe zum Tier gesucht, auf künstlerischem Wege, durch Zucht mit dem Ziel der Nutzung, durch Präparate in den Museen und ihren Schau-Vorläufern, durch Haltung als "Haustier" beispielsweise, denn die Aufzählung ist sicherlich nicht vollständig. "Das Tier ist für uns", schreibt Christoph Brecht im Katalog mit vielen wertvollen Zusatzinformationen, "der merkwürdigste Spiegel. Je länger wir hineinschauen, desto vertrauter scheint alles; in dem Maße aber, in dem wir uns das Fremde aneignen, wird uns das Eigene fremder."

Ein eigenes Thema, das man in dieser Ausstellung studieren kann, ist das der verschiedensten Darstellungsformen der Natur, speziell der Tiere - von der naturalistischen Abbildung bis zur Abstraktion findet sich die ganze Bandbreite. Selbst an den Präparaten - die ja grundsätzlich immer naturnah sein sollen - spiegeln sich Haltungen des Menschen wider: Ich denke an das Beispiel des Gorillas aus den 80er Jahren, der noch immer eine Spur zu nahe am Schauder dargestellt wurde (aus der modernen Verhaltensforschung weiß man - und ich persönlich konnte mich bei einer Naturstudienreise in Ruanda davon überzeugen -, wie unglaublich friedlich gerade die Gorillas im Auftreten und im Umgang miteinander grundsätzlich sind).

Eine der friedlichsten Beziehungen zwischen Mensch und Tier geht auf Franz von Assisi zurück, der mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen redete. Glücklicherweise hat das Landesmuseum ein Gemälde von der Vogelpredigt des Heiligen Franziskus in Besitz (Taddeo di Bartolo, 1403); so kann es hier gezeigt werden, gleichzeitig ein gutes Beispiel für die Art der Präsentation.


In der Nähe des Bildes werden einige der Vögel als Präparat gezeigt, die der Maler dargestellt hat - der Besucher kann versuchen, sie auf dem Bild zu entdecken. Da ich keine Fotos von den Präparaten habe, die ich hier offiziell verwenden kann, zeige ich zwei beispielhafte Fotos (von lebenden Vögeln) aus anderen Quellen, das Steinhuhn und den Dompfaff. Erkennen Sie diese Vögel auf dem Franziskus-Bild wieder?



Wenn das heute der Maßstab für die Qualität einer modernen Ausstellung ist: ob es gelingt, den Besucher zur eigenen Aktivität anzuregen, dann ist diese Ausstellung des Landesmuseums eine mit vielen Pluspunkten. Ein weiteres Beispiel: An einer Stelle sind Bestimmungsbücher ausgelegt - mit der Aufforderung, sich als Vogelforscher zu betätigen, also die (als Präparate) gezeigten Vögel zu bestimmen, ihren Artnamen herauszufinden. 

Die "Streifzüge durch Kunst und Natur" werden in der Ausstellung angenehm erleichtert durch klare Gliederung der einzelnen Abteilungen mit jeweils verschiedenen farbigen Hintergründen. Als Vorgeschmack nenne ich hier die Überschriften: Einführung - Geliebt und genutzt: Hunde und Pferde - Spielarten menschlichen Jagdeifers - Auf dem Bauernhof - Im Studierzimmer - Tiere aus aller Welt - Die Papageienallee entlang zum Raubtierhaus - Untiere.


Zu der letzten Abteilung: "Untiere sind erdachte Tiere. Um Untiere dennoch sichtbar zu machen, müssen die Erfinder von Untieren schöpferisch tätig werden ... Bei der Neuschöpfung von realistisch und am besten bedrohlich wirkenden Untieren sind gute Kenntnisse über die Anatomie, den Aufbau der verwendeten Tiere Voraussetzung ... Schon die Beispiele von drachenartigen Wesen auf Altarbildern der Landesgalerie genügen, um zu zeigen, wie groß der Einfallsreichtum der Künstler war ... " (aus den Pressetexten). In diesem Teil der Ausstellung kann man sich auch "Nachts im (Landes-)Museum" ansehen, einen computeranimierten Kurzfilm, der in der Zusammenarbeit mit dem Studiengang Mediendesign der Hochschule Hannover geschaffen wurde. Vor allem für Kinder ein Riesenspaß!

Eine attraktive und lehrreiche Ausstellung, deren Besuch ich empfehle - nicht bis zum letzten Tag warten!

Text: Helge Mücke, Hannover; Bilder von oben nach unten: Taddeo di Bartolo, Franziskus predigt den Vögeln, 1403, Tempera auf Pappelholz, 38 x 39,4 cm (C) Landesmuseum Hannover; Steinhuhn, Foto: Rainer Brückner bei pixelio.de ; Dompfaff, Foto: Ralf Zierold bei pixelio.de ; Max Slevogt: Papageienmann, 1901, Öl auf Leinwand, 81,5 x 65,3 cm, (C) Landesmuseum Hannover; Untier aus dem Film "Nachts im (Landes)Museum", (C) Mediendesign, Hochschule Hannover.