© Asterix
Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. 2011 n. Chr. Ganz Gallien Germanien ist von den Römern Krankenkassen besetzt – ganz Gallien Germanien? Nein! Ein(e) von unbeugsamen Galliern Norddeutschen bevölkerte(s) Dorf Landesinnung hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die römischen Legionäre Mitarbeiter der Vertragsabteilungen der Krankenkassen, die als Besatzung in den befestigten Lagern Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum Verwaltungsgebäuden der Barmer GEK, der AOK Rheinland/Hamburg, der City BKK und der Dräger&Hanse BKK liegen…
So sollte die Geschichte anfangen, die ich heute erzählen möchte: zwar handelt sie nicht von mit Zaubertrank abgefüllten gallischen Kriegern mit skurrilen Gebräuchen, aber immerhin von einem Kampf, der zunächst ebenfalls aussichtslos erschien, doch der sich inzwischen durchaus erfolgversprechend für die aufrechten norddeutschen Leistungserbringentwickelt – und der sodann nicht nur für die Wenigen dort, sondern auch für andere Leistungserbringer im Bereich der Orthopädieschuhtechnik segensreich sein könnte.
Ich sage den Betroffenen in den Gesundheitshandwerken nichts Neues: die Gesetzesänderung weg von den ehemaligen Rahmenverträgen hin zu Beitrittsverträgen hat dazu geführt, dass inzwischen von vielen Krankenkassen ein einseitiges und nur an ihrem Vorteil ausgerichtetes Vertragsdiktat ausgeübt wird: man verhandelt nur noch mit willfährigen Verbänden, man schliesst für die Leistungserbringer massiv negative Verträge mit demjenigen, der am wenigstens Widerstand leistet, und dann zwingt man die nicht sofort zu jeder Unterschrift bereiten anderen Marktteilnehmer in diese Verträge hinein: so jedenfalls ist der Eindruck, der sich bei vielen Betrieben und – leider – auch bei vielen Verbänden aufgedrängt hat – und der dazu geführt hat, dass man im Grunde genommen jeder kritischen Auseinandersetzung aus dem Wege geht.
Nun mag es an der hochpreisigen Gegend liegen, in der viele Mitglieder der Landesinnung für Orthopädieschuhtechnik Hamburg ihre Geschäfte tätigen- und die dazu geführt hat, dass bei ihnen das Ende der berühmten wirtschaftlichen Fahnenstange erreicht war. Oder es mag daran liegen, dass man dort im „hohen Norden“ Stürmen schon immer besser trotzte – die Landesinnung Nord jedenfalls war es leid, sich einseitig in Verträge drängen zu lassen, die sich nicht mehr rechnen, und deswegen probte sie den gallischen (oder sollte es besser „galligen“) Aufstand gegen die City BKK (und im Gefolge auch gegen die Dräger & Hanse BKK). Diese Kasse hatte sich nämlich einseitig aus dem bestehenden Rahmenvertrag gelöst, war einem (natürlich mit für die Betriebe deutlich schlechteren Konditionen versehenen) Vertrag beigetreten und verlangte nun ultimativ bis zu einem bestimmten Zeitpunkt den Beitritt der Leistungserbringer zu diesem Vertrag. Als diese sich weigerten – und die Vertragsverhandlungen zu keinem der Krankenkasse genehmen Ergebnis führte, schloss sie die in der Augen der Kasse „unbotmässigen“ Leistungserbinger von der Versorgung aus und leitete die Versicherten zu willfährigen Betrieben um. Der Landesinnung blieb so kein anderer Weg also vor die Sozialgerichte…
Ich will jetzt hier nicht Alles wiederholen, was ich dazu schon geschrieben habe, wer Näheres dazu lesen will, der tue dies:
Sozialgericht Hamburg: Leistungserbringer müssen den GWQ-Vertrag nicht unterzeichnen « Rechtsanwaltssozietät Scherer & Körbes.
Im Ergebnis:
- Das Sozialgericht Hamburg ging davon aus, dass die City BKK zu Schlichtungsverhandlungen mit der Landesinnung Nord trotz des bestehenden anderweitigen Vertrages verpflichtet sei – was die City BKK nicht kümmerte.
- Das Bundesversicherungsamt kam in einer Stellungnahme gegenüber den Vertragsparteien zu demselben Ergebnis wie das Sozialgericht Hamburg – was die City BKK nur noch mehr anspornte, die Betriebe von der Versorgung auszuschliessen, die sich dem Diktat nicht beugten und den Vertrag nicht unterzeichneten.
- Das Sozialgericht Lübeck hielt sich zunächst bedeckt und sah sich ausserstande, kurzfristig in der Hauptsache zu entscheiden – was der City BKK sehr n die Karten spielte…
Und so machte es dann doch den Eindruck, als müsste die Landesinnung Nord ihren einsamen Kampf beenden, da die wirtschaftliche Situation der betroffenen Leistungserbringer immer schwieriger wurde – und damit denjenigen Recht geben, die einen Kampf gegen die Krankenkassen von vornherein für aussichtslos erklärten und lieber auf einen Kuschelkurs mit diesen setzen.
Doch, so wie der gallische Held Asterix in aussichtslosen Situationen sich immer auf seinen alten Freund Miraculix und dessen Zaubertrank verlassen konnte, kam nun den wackeren Norddeutschen das Sozialgericht des Landes Schleswig- Holstein zu Hilfe. Denn am 05.11.2011 erliess dieses den nachfolgenden dokumentierten unanfechtbaren Beschluss und stellte damit nicht nur die Waffengleichheit zwischen den Krankenkassen und den Verbänden wieder her, sondern es sicherte auch den betroffenen Leistungserbringern die Versorgungsmöglichkeit – und zeigte den Weg für die Zukunft:
Beschluss Landessozialgericht vom 05.04.2011
Der Beschluss regelt zunächst einmal, dass die in der Landesinnung Nord organisierten Betriebe weiterhin liefer- und abrechnungsberechtigt sind, auch wenn sie keinen Vertrag mit der City BKK haben. Das ist neu und sichert den Betrieben auch in laufenden Streitigkeiten nicht nur kurzfristig den daraus resultierenden Verdienst, sondern eben auch mittel- und langfristig das Weiterbestehen der Kundenbeziehungen zu den Versicherten – und damit auch die Möglichkeit der Landesinnung, weiterhin für einen fairen Vertrag zu streiten.
Aber strategisch enthält dieser Beschluss für die Krankenkassen in seiner Begründung noch viel mehr Brisanz – und sollte auf Leistungserbringerseite durchaus die Hoffnung nähren, wieder auf Augenhöhe verhandeln zu können:
- Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein bejaht einen Anordnungsgrund, denn durch den Ausschluss der Betriebe aus der laufenden Versorgung während der laufenden Streitigkeiten würden diesen Nachteile zugefügt, die auch bei einem Obsiegen in der Hauptsache bestehen blieben. Mit dieser Argumentation eröffnet das Gericht auch einen Weg in anderen Verfahren, in denen angemessene Vertragsverhandlungen durch die Krankenkassen verhindert werden, da man mit dem kurzfristigen Entzug der Lieferberechtigung droht oder die Betriebe sogar von der Versorgung ausschliesst.
- Und das Gericht bejaht auch den Anordnungsanspruch und greift damit durchaus der Entscheidung in der Hauptsache ein Stück weit vor – jedenfalls stellt es durch die eindeutige Berufung auf die gleichlautenden Rechtsauffassungen des Bundesversicherungsamts die Weichen in einer für die Leistungserbinger günstige Richtung.
Halt, werden jetzt einige sagen, wenn man die Begründung liest, dann fällt einem auf, dass es hier um einen Vertrag gibt, der eine Sonderregelung enthält: nämlich diejenige einer automatischen Schlichtung für den Fall des Scheiterns der Vertragsverhandlungen – etwas, was die überwiegende Zahl der Verträge nicht enthält.
Aber wenn man die Entscheidung des LSG so reduzieren würde, dann würde man ihr nicht gerecht: der dortige 5. Senat hat sich nämlich (für ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz) sehr intensiv mit der Frage der Rechtmässigkeit des Handelns der Krankenkasse in ihrer Funktion als Körperschaft des öffentlichen Rechts auseinander gesetzt – und über deren rechtswidriges Verhalten den Anordnungsanspruch begründet. Und dies ist es, was dem Beschluss eine weitreichende Bedeutung geben kann: es besteht ein Anordnungsanspruch, wenn sich eine Krankenkasse in Vertragsverhandlungen rechtswidrig verhält, und es besteht ein Anordnungsgrund, wenn dies auch für die Dauer des Verfahrens zu wirtschaftlichen Nachteilen für die betroffenen Betriebe führt.
Wenn dies keine neuen Möglichkeiten eröffnet…
Ja, ich weiss, jetzt kommen die Bedenkenträger und verkünden: was bringt denn der Beschluss, die Betriebe haben einen ungesicherten Zustand und erhalten trotzdem nur die Preise, die sie auch dann erhalten würden, wenn sie den Vertrag unterzeichnen; aber auch das ist zu kurz gedacht, denn das Landessozialgericht hat sich sehr intensive Gedanken gemacht, wie es den Betrieben im einstweiligen Rechtsschutz eben nur genau das gibt, was diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zum Nachteilsausgleich benötigen – und damit das Hauptverfahren nicht vorweg genommen: es hat nämlich etwas Weiteres postuliert, indem es darauf hingewiesen hat, dass nachträgliche Ausgleichsansprüche nicht ausgeschlossen sind. Da bleiben den Leistungserbingern und der Landesinnung Nord alle Türen offen.