Land ohne LINKE?

Von Stefan Sasse
Michael Spreng beschreibt in seinem Artikel "Land ohne LINKE" die aktuelle paradoxe Lage, dass die selbst-ernannt bürgerliche Regierung einen Niedergang erlebt, aber eine Alternative nicht in Sicht ist, weil die LINKE nur von Proteststimmen lebe, die SPD opportunistisch ohne klare Position hin- und herschwankt und die Grünen eigentlich ja eher schwarz sind. Als Konsequenz prognostiziert er, dass die Regierungsbildung 2013 zufällig werden und von weiter sinkender Wahlbeteiligung begleitet sein wird. Seine Einschätzung der Lage ist realistisch, nur bleibt er schuldig, ein Alternativ- und Lösungsszenario zu entwerfen. 
Ich halte es für Unsinn wie Spreng anzunehmen, das aktuelle Problem der LINKEn liege darin, dass Klaus Ernst ihm rechtlich zustehende, moralisch etwas fragwürdige Gehälter bezieht und Porsche fährt. Auch die Farblosigkeit der Vorsitzenden ist nur ein Teil des Problems; dass die Aufmerksamkeitsgarantie Lafontaines sich nicht auf Lötzsch und Ernst übertragen würde war klar. Dass die LINKE an Attraktivität abnehmen würde, sobald die SPD auf den Oppositionsbänken Platz nimmt eigentlich auch; diesen Schluss aber zieht Spreng bereits nicht mehr. Die LINKE betrieb in letzter Zeit tatsächlich ein wenig Nabelschau, tat sich kaum mehr mit irgendetwas hervor. Das ist in meinen Augen auch Fluch des Erfolgs. Die NATO hat jetzt einen Abzugsplan für Afghanistan begonnen. Die Notwendigkeit eines Mindestlohns steht immer drastischer vor Augen und wird auch von SPD und Grünen vehement gefordert. Hartz-IV und die Rente mit 67 sind nicht mehr sakrosankt bei der linkeren Konkurrenz. Die LINKE hat also schlicht an Alleinstellungsmerkmalen eingebüßt. Ihr Schrumpfprozess ist also durchaus nachvollziehbar, macht die LINKE aber gleichzeitig auch koalitionsfähiger, ohne von ihren Positionen abzurücken. 
Interessant bleibt also eher die Frage nach der Verfassung von SPD und Grünen und ihrer Regierungsoption. Schwarz-Grün wird zwar immer noch beredet, aber mir persönlich scheint es, als ob beide Seiten ihre Animositäten als zu risikobehaftet für ihre jeweilige Kernwählerschaft sehen. Die Grünen wissen gut genug, dass ihr aktueller Höhenflug der Schwäche von Schwarz-Rot-Gelb zu verdanken und keine genuine Leistung ist, ganz im Gegensatz zu Westerwelles Größenwahn von 2009. Sicher wählen gerade viele CDU-Sympathisanten Grün, weil sie der CDU einen Denkzettel geben wollen und dies hier tun können, ohne gleich irrational eine extreme Protestpartei zu wählen (also das zu tun, was 1969 die NPD und zu Beginn der 1990er Jahre die Republikaner bedenklich nahe der 5% Hürde brachte). Das aber ist, anders als es viele gemäßigt-liberale Konservative gerade sehen wollen, kein fundamentaler Wandel der Grünen. Diese haben genauso wie die CDU einen dichten Marken- und Stammwählerkern, der den anderen nicht riechen kann. Nicht umsonst gibt es das Schlagwort über viele Baden-Württemberger, dass sie grün denken und schwarz wählen würden. 
Das Problem in der Gleichung ist also weiterhin die SPD. Spreng hat Recht mit seiner Einschätzung, dass die SPD einfach nur opportunistisch hin- und hermäandert. Sie hat das Problem - ein Problem, das Spreng natürlich so nicht benennt - dass die Agenda2010 DER Grund ist, warum sie heute in der Wählergunst so schlecht dasteht. Das hat auch, um das abgedroschene SPD-Standardargument zu verwenden, nichts mit "dem Bürger erklären" zu tun. Das Problem der SPD ist, dass der Bürger die Agenda2010 verstanden hat. Würde der Bürger Merkel genauso verstehen wie Schröder, wäre die Republik ein um einiges besserer Platz. So aber sitzt die SPD zwischen den Stühlen: die traditionellen Sozialdemokraten sind enttäuscht und glauben ihr ohnehin nicht mehr. Die SPD-Anhänger aber, die prinzipiell hinter der Agenda stehen - und die gibt es, da sollte man sich nicht täuschen - will man auch nicht vergrätzen. Ergo ist die Aufgabe der SPD, einen Formelkompromiss zu finden, der einerseits das Agenda-Lager nicht völlig verscheucht, andererseits aber links genug ist, um die entsprechenden Wähler ins Boot zurückzuholen und gleichzeitig mit LINKE und Grünen kooperieren zu können. Das aber ist schwer möglich, solange mit Steinmeier und Steinbrück zwei Hauptakteure der Agenda-Reformen noch an der Macht sind und jeden solchen Kompromiss verhindern, weil sie das Gefühl haben, dass dadurch ihr Lebenswerk zerstört würde. 
Spreng hat aber Recht, wenn er sagt, dass die rot-rot-grüne Option 2013 vor allem daran mangelt, dass die drei Parteien nicht dieselbe Sprache sprechen. Die LINKE nimmt viel Rücksicht auf ihr Protestwählerklientel, das hat zuletzt der Wahlkampf 2009 bewiesen, und sorgt somit für Abwehreffekte bei etablierten Parteien und Wählern gleichermaßen. Die Grünen sind an vielen Stellen für die traditionellen Sozialdemokraten eigentlich ein wenig zu abgehoben, zu bürgerlich-akademisch. Und die SPD-Funktionäre stinken nach allem, was am Berufspolitikertum schlecht ist. Was es braucht sind Visionen, die eine Zusammenarbeit auf eine programmatische Grundlage stellen. Einfach nur ein bisschen vor sich hinregieren, wo Gemeinsamkeiten bestehen, kann nur in die Irre führen, das beweist Schwarz-Gelb gerade. Am ehesten haben die Grünen derzeit eine solche Vision mit ihrem "Green New Deal", der tatsächlich durchaus eine Möglichkeit ist. Könnten sich auch die SPD und die LINKE darauf verständigen, einen "New Deal" zu wagen (jeweils wohl mit anderen Schwerpunkten, aber immerhin), so könnte man daraus tatsächlich eine programmatische Grundlage schaffen, auf deren Basis ab 2013 das Land in eine andere Richtung geführt werden könnte. Nur, danach sieht es zur Zeit leider kaum aus.

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