Wer weiblichen Angestellten für die gleiche Arbeit weniger Geld bezahlt als den männlichen oder umgekehrt, diskriminiert die jeweilige Gruppe aufgrund ihres Geschlechts und muss die Lohndifferenz nachzahlen und im schlimmsten Fall auch nach Entschädigung nach dem AGG zahlen.
Die Klägerin – eine Frau- ist seit 01.07.1996 bei der Beklagten als einfache Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte, eine Schuhherstellerin, beschäftigt rund 170 Arbeitnehmer. Die Beklagte zahlte bis zum 31.12.2012 an die in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern.
Die Beklagte zahlte
der Klägerin
vergleichbaren
Männern
Differenz
pro Stunde
2009
€ 8,54
€ 9,76
€ 1,22
2010, 2011, 2012
€ 8,72
€ 9,86
€ 1,14
Aufgrund der Ungleichbehandlung verklagte die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber auf rückständigen Lohn iHv. € 12.156,88 brutto sowie – weiter- ihr wegen Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung nach dem AGG zu zahlen, die sich jedoch auf mindestens € 9.194,50 belaufen sollte.
Das Arbeitsgericht Koblenz verurteilte den Arbeitgeber rückständigen Arbeitslohn in Höhe von € 7.543,57 brutto und eine Entschädigung in Höhe von iHv. € 3.537,18 zu zahlen.
Gegen das Urteil der ersten Instanz legten beide Parteien Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ein.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.8.2014 – 5 Sa 509/13) kam zu keinem höheren Lohnanspruch, wie die ersten Instanz, aber erhöhte die Entschädigung auf EUR 6.000 und führte dazu aus:
2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht, weil sie von der Beklagten wegen ihres Geschlechts beim Entgelt benachteiligt worden ist. Auf die Berufung der Klägerin ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag auf € 6.000,00 heraufzusetzen.
a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts jahrelang unmittelbar beim Entgelt benachteiligt und damit gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen. Die geringere Vergütung der Klägerin und einer Vielzahl weiterer weiblicher Produktionsbeschäftigten für gleiche oder gleichwertige Arbeit bis zum 31.12.2012 war nicht gerechtfertigt. Hierüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.
b)§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein.Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insb. eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls – wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns – und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 22.05.2014 – 8 AZR 662/13 – Rn. 44 mwN, Juris).
Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Berufungskammer unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 für angemessen. Die Beklagte hat die Klägerin und eine Vielzahl weiterer Frauen bis 31.12.2012 jahrelang bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als Männer. Art, Schwere und Dauer der vorliegenden Benachteiligung gebieten es einen fühlbaren Entschädigungsbetrag festzusetzen, denn es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung, die schwerer wiegt als eine bloß mittelbare (vgl. BAG 18.3.2010 – 8 AZR 1044/08 – Rn. 43, NZA 2010, 1129). Ferner ist von einem vorsätzlichen und nicht nur fahrlässigen Verhalten der Beklagten bei der Benachteiligung der Frauen aufgrund ihres Geschlechts auszugehen. Entgegen ihrer Ansicht vermag es die Beklagte nicht zu entlasten, dass die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern in ihrem Produktionsbetrieb nicht verdeckt erfolgt, sondern jederzeit “offen kommuniziert” worden sei. Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beim Entgelt, die die Beklagte bis 31.12.2012 fortgesetzt hat, war eklatant rechtswidrig. Dass die Ungleichbehandlung der Frauen nach dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Betrieb offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.
Die Höhe des Bruttomonatsentgelts der Klägerin ist für die Höhe der Entschädigung im Streitfall unerheblich. Das Bruttomonatsentgelt kann ein geeigneter Maßstab bei der Festlegung der Entschädigungshöhe im Zusammenhang mit Nichteinstellungen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Entlassungen (vgl. § 10 KSchG) sein. Die vorliegende Diskriminierung erfolgte jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwingend Einfluss auf die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben muss (vgl. BAG 22.01.2009 – 8 AZR 906/07 – Rn. 84, AP AGG § 15 Nr. 1).
Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen des Geschlechts regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BAG 19.12.2013 – 6 AZR 190/12 – Rn. 38 mwN, NZA 2014, 372; KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen. Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von den materiellen Ansprüchen sanktioniert werden. Im vorliegenden Fall ist es sachgerecht, die Höhe der Entschädigung vom durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt der Klägerin abzukoppeln. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb alle weiblichen Produktionsbeschäftigten mit einfacher Tätigkeit jahrelang wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als die männlichen. Wenn auch die Vergütungsdifferenzen, ua. wegen der Arbeitszeiten, für jede Frau unterschiedlich hoch ausfallen, ist doch die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede im Produktionsbetrieb der Beklagten betroffene Frau gleich schlimm. Deshalb hält die Berufungskammer die Festsetzung eines einheitlichen Entschädigungsbetrags von € 6.000,00 für angemessen.
Eine interessante Entscheidung, die zeigt, dass der Arbeitgeber hier zweimal “bestraft” wird. Zum einen muss er den Differenzlohn zahlen, zum anderen muss auch eine Entschädigung nach dem AGG gezahlt werden. Derartige Entschädigungsklagen nehmen immer mehr zu. Arbeitnehmer werden hier durch entsprechende Urteile, die in der Presse diskutiert werden, sensibilisiert. Nicht zu vergessen ist aber, dass sich derartige Benachteiligungen trotzdem immer noch für viele Arbeitgeber lohnen, da eben meist nur eine sehr geringe Anzahl von Arbeitnehmern tatsächlich ihre Ansprüche geltend machen.
RA A. Martin