Der Arbeitnehmer war seit Oktober 2010 durchgehend erkrankt. Das Arbeitsverhältnis wurde aber nicht vom Arbeitgeber beendet. Im Februar 2012 bat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber um die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III. Dies tat der Arbeitgeber ohne, dass das Arbeitsverhältnis beendet wurde.
Im Februar 2013 klagte der Arbeitnehmer auf die Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs für die Jahre 2010, 2011 und 2012 von jeweils 29 Tagen pro Jahr, auf insgesamt 4.334,34 EUR brutto.
Der beklagte Arbeitgeber verweigerte die Zahlung und meinte, dass der Arbeitnehmer ja faktisch nicht gearbeitet habe; von daher dürfte dieser auch keinen Urlaubsanspruch haben. Weiter meinte der Arbeitgeber – teilweise unter Bezug auf andere Entscheidungen – dass durch die Ausstellung der Bescheinigung nach § 312 SGB III es zu einer konkludenten Ruhensvereinbarung des Arbeitsverhältnisses gekommen, so dass keine weiteren Urlaubsansprüche/ Abgeltungsansprüche mehr entstanden sein können.
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg – Vorpommern (Urteil vom 24.06.2014 – Sa 221/13) gab dem Arbeitnehmer Recht und führte aus:
Der gesetzliche Mindesturlaub aus § 3 BUrlG ist in voller Höhe trotz der fehlender Arbeitsleistung des Klägers im gesamten Jahr 2011 entstanden. Denn für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und nicht seine aktive Durchführung Voraussetzung (ständige Rechtsprechung, vergleiche nur BAG vom 28.01.1982, 6 AZR 571/79, BAGE 37, 382 = AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmissbrauch = DB 1982, 1065 und BAG vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10, BAGE 142, 371 = AP Nr. 61 zu § 7 BUrlG = NJW 2012, 3529). Der Urlaubsanspruch steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer gearbeitet hat. Selbst in einem ruhenden Arbeitsverhältnis entstehen die Urlaubsansprüche. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ist gemäß § 13 Absatz 1 Satz 1 BUrlG unabdingbar (BAG vom 07.08.2012, aaO).
Der Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahr 2011 ist nicht vor Klageerhebung im Februar 2013 untergegangen.
Es entspricht zwar allgemeiner Auffassung, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ersatzlos untergeht, wenn er weder bis Ende des laufenden Jahres noch bis zum Ende des Übertragungszeitraums im Sinne von § 7 Absatz 3 BUrlG (31. März des Folgejahres) genommen oder gewährt worden ist. Von dieser Regel hat die Rechtsprechung allerdings inzwischen wegen europarechtlicher Vorgaben dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber gar nicht erfüllt werden konnte. Dieser wegen durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbare Urlaubsanspruch geht erst 15 Monate nach dem Ende des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist, unter (BAG vom 07.08.2012, aaO).
Damit wäre der Abgeltungsanspruch für den Urlaub aus dem Jahre 2011 erst mit Ablauf des 31. März 2013 untergegangen. Der Kläger hat seinen Abgeltungsanspruch aber bereits vor diesem Zeitpunkt gerichtlich geltend gemacht. Seine Zahlungsklage hindert den Untergang des Anspruchs, da dieser – ebenfalls wegen europarechtlicher Vorgaben – inzwischen als reiner Geldanspruch angesehen wird (BAG vom 19.06.2012, 9 AZR 652/10, BAGE 142, 64 = AP Nr. 95 zu § 7 BUrlG Abgeltung = DB 2012, 2288). Damit ist der Abgeltungsanspruch unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer im verlängerten Übertragungszeitraum seine Arbeitsfähigkeit wieder erreicht hat.
Der Arbeitnehmer hat also trotz Erkrankung einen Anspruch auf Urlaub / Urlaubsabgeltung (wenn der Urlaub nicht mehr genommen werden kann).