LAG MV : keine Klagefrist für Kündigungsschutzklage bei Kündigung im Berufsausbildungsverhältnis und Pflicht zur Anrufung des Schlichtungsausschusses

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer – wenn er sich gegen eine Kündigung des Arbeitgebers verteidigen will – innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage erheben. Dies ist aber nicht immer so.

Kündigung im Ausbildungsverhältnis und Anrufung eines Schlichtungsausschusses

Erfolgt eine Kündigung im Berufsausbildungsverhältnis, dann kann die Anrufung eines Schlichtungsausschusses vorgeschrieben sein (z.B. laut Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag). Wenn dies der Fall ist, dann ist die Erhebung einer Kündigungsschutzklage erst nach dem Anrufen des Schlichtungsausschusses möglich. Fast immer wird dann aber die 3-Wochenfrist des Kündigungsschutzgesetzes abgelaufen sein. Würde man in diesen Fällen die Frist hier „streng“ anwenden, dann wäre die zulässige Erhebung einer Kündigungsschutzklage gar nicht mehr möglich, da diese bereits verfristet  wäre.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Das Landesarbeitsgericht MV (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 5. Kammer, Urteil vom 30.08.2011, 5 Sa 3/11)  hat in Anlehnung an eine Entscheidung des BAG klargestellt, dass im obigen Fall gar keine Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu laufen beginnt.

Das LAG führt dazu aus:

Die Kündigung vom 1. Oktober 2009 gilt nicht bereits wegen verspäteter Klageerhebung als wirksam (§ 13 Absatz 1 Satz 2 sowie §§ 4 Satz 1, 7 KSchG), denn für die streitgegenständliche Kündigung gilt die Klagefrist und die mit ihrer Versäumung einhergehende Rechtsfolge aus §§ 4, 7, 13 KSchG nicht. Die gegenteilige Auffassung des Arbeitsgerichts wird vom Berufungsgericht nicht geteilt.

Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die fristgebundene Klageerhebung (§ 4, § 13 Absatz 1 Satz 2 KSchG) sind auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungs-verhältnissen jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn gemäß § 111 Absatz 2 Satz 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuss stattfinden muss. Einer späteren Klageerhebung kann dann allenfalls der Einwand der Prozessverwirkung entgegengehalten werden (BAG 13. April 1989 – 2 AZR 441/88 – BAGE 61, 258 = AP Nr. 21 zu § 4 KSchG 1969 = DB 1990, 586).

Da zum Zeitpunkt des Zugangs der streitigen Kündigung ein Schlichtungsausschuss bestanden hat, wäre die Klageerhebung beim Arbeitsgericht sogar unzulässig gewesen, denn nach § 111 Absatz 2 Satz 5 ArbGG „muss“ der Klage „in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuss vorangegangen sein.“ Genau für diesen Fall hat das Bundesarbeitsgericht jedoch in der oben zitierten Entscheidung erkannt, dass dann die Klagefrist aus §§ 4 ff KSchG nicht gilt.

Für die Anrufung des Schlichtungsausschusses im Sinne von § 111 ArbGG gibt es gar keine Frist, auch nicht im Falle des Ausspruchs einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Das ist unstreitig und wird allgemein aus den Besonderheiten des Berufsausbildungsverhältnisses abgeleitet und aus dem auf Ausgleich angelegten informellen Schlichtungsverfahren, bei dem Rechtsregeln, die Zeitdruck aufbauen, nur hinderlich wären. In der Literatur war es bis zu der oben zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. April 1989 daher immer streitig, ob man auf Berufsausbildungsverhältnisse wegen dieser Besonderheiten des Schlichtungsverfahrens überhaupt die Fristenregelung aus § 4 ff KSchG für die Anrufung des Arbeitsgerichts direkt oder analog anwenden könnte.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 13. April 1989 dafür entschieden, beide Regelungssysteme streng getrennt zu behalten. Entweder es gibt einen Schlichtungsausschuss, dann gibt es gar keine Klagefristen und damit auch keine negativen Rechtsfolgen, die man aus einer Fristversäumung ableiten kann, oder es gilt nur §§ 4 ff KSchG, nämlich dann, wenn es keinen Schlichtungsausschuss gibt. Die in der Literatur teilweise vertretenen Vorschläge, beides zu kombinieren und etwa die Frist aus § 111 Absatz 2 Satz 3 ArbGG mit der Rechtsfolge aus § 7 KSchG zu verknüpfen, hat das Gericht in der Begründung seiner Entscheidung eine ausdrückliche Absage erteilt.

Die Entscheidung ist konsequent und stützt sich ohnehin auf einen bereits entschiedenen Fall des BAG.

Rechtsanwalt A. Martin



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