LAG: München – Schadenersatz des Arbeitgebers bei betrieblichen Trunkenheitsunfall des Arbeitnehmers

Erstellt am 29. November 2011 von Raberlin

Gerade bei Berufskraftfahrern kommt es – arbeitsbedingt – auch schon mal zu Verkehrsunfällen. Der Arbeitnehmer in Bezug auf seine Haftung ist im Innenverhältnis zum Arbeitgeber aber privilegiert und hat im Außenverhältnis ggfs. einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Was aber, wenn der Arbeitnehmer den Unfall grob fahrlässig und zusätzlich unter Verstoß gegen ein betriebliches Alkoholverbot verursacht hat?

Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsverhältnis

Das BAG hat – abgeleitet von den damaligen Grundsätzen über den schadensgeneigte Arbeit – folgende Grundsätze für die Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber aufgestellt:

  • leichtes Verschulden des Arbeitnehmer = keine Haftung gegenüber dem Arbeitgeber
  • mittlere Fahrlässigkeit = Teilung des Schadens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
  • grobe Fahrlässigkeit = Alleinhaftung des Arbeitnehmers

Haftung bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers

Bei grober Fahrlässigkeit ist der Arbeitnehmer eigentlich zum vollen Schadenersatz verpflichtet. Für Arbeitgeber hört sich dieses Ergebnis ersteinmal überzeugend an, allerdings wird in der Praxis durch die Arbeitsgerichte selten grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers bei der Schadensverursachung angenommen.

Aber selbst wenn das Arbeitsgericht/ Landesarbeitsgericht zur groben Fahrlässigkeit kommt, dann heißt dies nicht unbedingt, dass der Arbeitnehmer ohne Begrenzung Schadenersatz zu leisten hat. Hier nehmen einige Landesarbeitsgerichte trotzdem eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung der Höhe nach an. Das LAG München hier eine Beschränkung der Schaderersatzzahlung in Höhe von maximal 3 Bruttomonatsgehältern.

die Entscheidung des LAG München

Das LAG München (Entscheidung vom 27.7.2011/ Sa 319/11) entschied, dass im vorliegendem Fall der Lkw-Fahrer grob fahrlässig handelte, da er den Unfall unter Alkoholeinfluss und gegen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot schuldhaft verursachte, aber trotzdem dieser nicht in voller Höhe haftet, sondern nur auf 3 Bruttomonatsgehälter begrenzt.

Das Landesarbeitsgericht München führt dazu aus:

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass der Beklagte seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch grob fahrlässig verletzt hat, dass er seinen Dienst im alkoholisierten Zustand angetreten, den Lkw trotz einer Blutalkoholkonzentration von mindestens0,94 ‰ gefahren und in Folge der Alkoholisierung und alkoholbedingter Ausfallerscheinungen einen Schaden am Fahrzeug verschuldet hat, §§ 280 Abs. 1, 276, 254 BGBi. V. m. dem Arbeitsvertrag, § 823 Abs. 1 BGB.
a) Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was imgegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BAG, Urt. v. 23.01.1997 – 8 AZR893/95 -, NZA 1998, 140; LAG Köln, Urt. v. 09.11.2005 – 3 (7) Sa 369/05 -, NZA-RR 2006,311)…….
Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es für die Feststellung des Grades des
Verschuldens nicht lediglich auf den eigentlichen Unfallhergang an, sondern bereits auf
das Geschehen beim Dienstantritt. Angesichts des ausdrücklich erteilten Alkoholverbots
vom 27.04.2007 und der bei einem Berufskraftfahrer zu unterstellenden Kenntnis der Gefahren alkoholisierten Führens von Kraftfahrzeugen hat der Beklagte in besonderer Weise
leichtfertig und unverantwortlich gehandelt …….
Ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen
ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von
Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalls ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen
auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des
Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch die Versicherung abdeckbares
Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in
dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können u. U. die persönliche
Verhältnisse des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein (vgl. BAG, Urt. v. 18.01.2007 -
8 AZR 250/06 -, aaO; Urt. v. 18.04.2002 – 8 AZR 348/01 -, NZA 2003, 37; Urt. v.
15.11.2001 – 8 AZR 95/01 -, NZA 2002, 612).
 
Die hiergegen vorgebrachten Argumente greifen nicht durch. Soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 12.10.1989 (aaO) meint, es fehle bereits an einer allgemeinen Rechtsüberzeugung, so dürfte sich diese in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewandelt haben (vgl. etwa den Gesetzesantrag des Landes Brandenburg für ein Arbeitsvertragsgesetz, wiedergegeben bei Griese, NZA 1996, aaO, 808 f.). Angesichts der
immer wertvolleren Betriebsmittel, die im Arbeitsalltag zum Einsatz kommen, der zunehmenden Leistungsverdichtung am Arbeitsplatz und den gleichzeitig festzustellenden (Net-11 Sa 319/11
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to-)Gehaltsrückgängen bei vielen Beschäftigungsgruppen ist das grundgesetzliche Gebot
der Existenzsicherung, Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG, im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung stärker zu berücksichtigen. Immerhin hat das Bundesarbeitsgericht in einer neueren
Entscheidung zur Arbeitnehmerhaftung den geltend gemachten Schaden an der „vielfach
in die Diskussion eingeführten Grenze von drei Monatsgehältern“ gemessen (vgl. BAG,
Urt. v. 18.01.2007, aaO, Rn. 42). Auch schließt das geltende Recht keinen Richtwert oder
Leitlinien für die Höhe der Schadenshaftung aus (so noch BAG, Urt. v. 12.10.1989, aaO;
Reichold, aaO). Die vorstehend genannte Typisierung orientiert sich an den aus Art. 1
Abs. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG abgeleiteten Werten, die als „Umstände“
i. S. d. § 254 Abs. 1 BGB in die Schadensbestimmung einfließen. Es geht um eine Abwä-
gung der Schadenstragung nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten (so BAG,
Urt. v. 18.01.2007, aaO). Im Übrigen sind Regelwerte der Rechtsfortbildung nicht fremd:
Monatsgrenzen liegen etwa der Rechtsprechung zur Rückzahlung von Fortbildungskosten
zugrunde (siehe etwa BAG, Urt. v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07 -, NZA 2009, 666).
b) Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die Haftung des Beklagten auf drei Bruttomonatsvergütungen zu beschränken.

Wichtig ist zu wissen, dass das BAG eben keine Beschränkung auf 3 Monatsgehälter der betrieblichen Haftung des Arbeitnehmers beschränkt. Ob das BAG tatsächlich ein solche Schranke – wie das LAG München – etabliert, bleibt abzuwarten. Das Argument des LAG München, dass aufgrund des hohen Haftungsrisiko´s (Arbeit an und mit teuren Maschinen/ gefährliche Arbeiten) vieler Arbeitnehmer eine Grenze der Haftung gezogen werden muss, ist nachvollziehbar. Ob eine pauschale Grenze auf 3 Bruttomonatsgehälter aber gerechtfertigt ist oder es nicht doch besser auf auf den Einzelfall abzustellen ist, ist fraglich.

Anwalt Martin