Arbeitgeber sollten aufpassen, was sie gegenüber dem Arbeitnehmer zum Beispiel im Kündigungsschreiben erklären. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte nun über einen Fall zu entscheiden, wonach ein Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben die Abgeltung von 43 Tagen an Erholungsurlaub ankündigte. Später stellte sich heraus, dass ein solcher Anspruch gar nicht bestand und der Arbeitnehmer eigentlich weitaus weniger offene Urlaubstage hatte. Das LAG entschied, dass der Arbeitgeber durch diese Erklärung ein Schuldanerkenntnis abgegeben hatte und nun auch die “zu hohen” Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers abgelten muss.
die Entscheidung des LAG Köln
Das Landesarbeitsgericht Köln (AZ 4.4.2012, 9 Sa 797/11) begründete dies wie folgt:
Zu Recht hat das Arbeitsgericht Köln den Beklagten verurteilt, an den Kläger EUR 9.094,07 brutto nebst Zinsen zur Abgeltung von 43 Urlaubstagen zu gewähren.
1. Die Erklärung in dem Kündigungsschreiben, der Kläger erhalte eine Urlaubsabgeltung von 43 Tagen, stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Es war damit bezweckt, die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage mit dem Ausspruch der Kündigungabschließend festzulegen und einem Streit bei der späteren Abwicklung zu entziehen (vgl. zum deklaratorischen Schuldanerkenntnis: BAG, Urteil vom 11. Mai 1983 – 7 AZR 500/79 – und Urteil vom 10. März 1987 – 8 AZR 610/84 – ).
Die Parteien habe es nicht dabei belassen, anhand der Angaben über die Urlaubstage in den monatlichen Lohnabrechnungen diesen Anspruch beim Ausscheiden des Klägers abzuwickeln. Lohnabrechnungen haben nicht den Zweck, die Ansprüche endgültig festzulegen. Bei einem Irrtum kann daher grundsätzlich keine Seite am Inhalt einer Lohnabrechnung festgehalten werden. Ihr kann somit nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren will, wenn er diesen Urlaub nach Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag nicht schuldet (vgl. BAG, Urteil vom 10. März 1987 – 8 AZR 610/84 – ).
Gerade angesichts dieses Umstandes muss der von dem Beklagten durch Unterschrift bestätigten Erklärung in dem Kündigungsschreiben die weiterreichende Bedeutung zukommen, dass die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage etwaigen Neuberechnungen des Beklagten von vornherein entzogen werden sollte.
2. Der Beklagte hat das deklaratorische Schuldanerkenntnis nicht wirksam angefochten.
Auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung des Klägers über die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage, beruft sich der Beklagte nicht. Er führt vielmehr an, die fehlerhafte Angabe der Urlaubstage im Personalabrechnungssystem sei bei Abgabe der Erklärung in dem Kündigungsschreiben übernommen worden.
Es kommt nur ein Motivirrtum in Betracht, nämlich ein Irrtum darüber, es bestehe eine Verpflichtung zur Abgeltung von 43 Urlaubstagen, während der Beklagte nunmehr annimmt, diese habe nicht bestanden. Ein derartiger Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) begründet kein Anfechtungsrecht (vgl. BAG, Urteil vom 11. Mai 1983 – 7 AZR 500/79 – ).
3. Der Kläger ist auch nicht ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf das Schuldversprechen in dem Kündigungsschreiben zu berufen.
Selbst wenn der Gläubiger positive Kenntnis von einem Berechnungsirrtum des Erklärenden hat, folgt daraus noch nicht eine unzulässige Rechtsausübung. Als mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar wird man die Annahme einer fehlerhaft berechneten Verpflichtung nur dann ansehen können, wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist, etwa weil er dadurch in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 – X ZR 17/97 -; KG Berlin, Urteil vom 5. März 2001 – 12 U 2335/00 – ).
Im vorliegenden Fall steht nicht einmal fest, dass der Kläger die Angabe von 43 abzugeltenden Urlaubstagen für unzutreffend hielt. Immerhin war in den Lohnabrechnungen für die Monate Mai 2010 bis Juli 2010 die Zahl der restlichen Urlaubstage mit 50 Tagen angegeben worden, und zwar 20 Tagen Resturlaub aus dem Jahr 2009 und 30 Tagen Urlaub aus dem Jahr 2010. Unter Berücksichtigung von 7 genommenen Urlaubstagen im Juli 2010 verblieben dann 43 Urlaubstage. Selbst wenn die Lohnabrechnung für August 2010 bei Abfassen des – rückdatierten – Kündigungsschreibens bereits vorlag, ergibt sich nichts anderes: In ihr sind die 7 genommenen Urlaubstage auf den Vorjahresurlaubsanspruch angerechnet worden, so dass 13 Resturlaubstage aus 2009 verblieben. Der Urlaubsanspruch für das Jahr 2010 wird unzutreffend mit 20 Urlaubstagen angegeben. Da der Kläger im zweiten Halbjahr 2010 ausgeschieden ist und es an der Vereinbarung einer vom Bundesurlaubsgesetz abweichenden Regelung für den über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden Mehrurlaub fehlt, bleibt es dabei, dass der gesamte Jahresurlaub für das Jahr 2010 abzugelten war (vgl. § 5 BUrlG). Der Beklagte beruft sich offensichtlich erst nachträglich darauf, der Resturlaub aus dem Jahr 2009 sei verfallen. Wieso angesichts dessen der Kläger positive Kenntnis von einem übersetzten Urlaubsanspruch gehabt haben sollte, ist nicht nachvollziehbar.
Das LAG stellt hier unter Verweis auf das BAG auch nochmals klar, dass falsche Angaben in Lohnabrechnungen in Bezug auf den Urlaub (dies kommt in der Praxis häufig vor) den Arbeitgeber in der Regel nicht binden. Die Kündigungserklärung war aber weitreichender.
Anwalt A. Martin